Thomas Rehbein

Rainer Neumeier / Rob Voerman

22 Jun - 28 Jul 2007

© RAINER NEUMEIER
Öl auf Leinwand
60x 50 cm
RAINER NEUMEIER / ROB VOERMAN

Rainer Neumeier

„Punkt-Punkt-Komma-Strich, fertig ist das Mondgesicht.“ Die diesem Kinderreim zugrunde liegende simple Formel reduziert jedes menschliche Gesicht auf einige wenige Grundzüge: Augen, Nase, Mund. Es ist die Ausformulierung dieses Grundschemas bzw. seine Erweiterung um variantenreiche Ausformungen welche die Bandbreite menschlicher Physiognomien schlechthin generiert und schließlich die Grundlage individueller Charakterisierung bildet.
In Rainer Neumeiers derzeit in der Thomas Rehbein Galerie ausgestellten Gemälden werden die Konstanten Augen, Nase und Mund verfremdet und als klar definierte Erkennungsmerkmale in Frage gestellt: Die Ausformungen entfernen sich zunehmend vom menschlichen Erscheinungsbild und entwickeln eine rätselhafte Eigendynamik die sowohl an konkrete Assoziationen, beispielsweise an humanoide Gestalten als auch an die reine Abstraktion als Abwesenheit figürlicher Formen rührt. In seinen malerischen Andeutungen menschlicher Gesichtsphysiognomie ist genau diese Grenze zwischen Lesbarkeit und Unlesbarkeit und letztlich zwischen Vertrautem und Fremden Neumeiers Wirkungsraum. Subtil demontiert er die Parameter bildlicher Repräsentation und betritt damit das Niemandsland gestalterischer Uneindeutigkeiten. Die Auflösung fest umrissener Strukturen lässt sich in den Gemälden Neumeiers als subversives Schlängeln des Fadens nachvollziehen, dessen Verlauf die Kontur beweglich macht und so gestalterische Integrität irritiert. Der Faden umschließt Farbfelder bzw. –flächen, die in der Komposition Aushöhlungen in einem Totenschädel simulieren und überführt das Gesicht in die Unkenntlichkeit bzw. Identitätslosigkeit. Die formale Zusammenfassung der Farbfelder ordnet den Bildraum nur insofern, als das sie Gestalt suggeriert, nicht jedoch erkenntlich darstellt.
Aus „Punkt-Punkt-Komma Strich“ wird eine unwirtliche Gesichtslandschaft, die geisterhaft zwischen Form und ihrer Auflösung oszilliert.

(Bettina Deschler, 2007)


Rob Voerman

Zwei explosive Themen kollidieren [...] in den Installationen und Skulpturen Rob Voermans: eine Art „organische“ Architektur (welche gleichermaßen auch als „natürlich“ bezeichnet werden könnte) und eine Bricolage, die weniger romantisch veranlagt ist, als aus der Notwendigkeit des Überlebens hervorgeht. Aber vermitteln seine Skulpturen, dass allein jene Kreativität, die durch die Überlebensnotwendigkeit entfacht wurde, authentische Architektur hervorbringt? Nicht wirklich. Vielmehr, ist die Sehnsucht nach Authentizität an sich gebrochen, mit modernen Elementen verwoben, auf sich selbst zurückgeworfen und hat somit den Weg für ein kraftvolles Statement zum zeitgenössischen Verhältnis von Architektur und Sehnsucht geebnet– eine Architektur als ein selbst organisiertes Feld von Konflikten, hervorgebracht durch verschiedene Kraftvektoren.
Rob Voerman nimmt Bezug auf utopische Hippie-Kommunen und deren Architektur, auf Slums sowie auf das utilitaristische Design bäuerlicher Scheunen und führt diese Referenzquellen symbiotisch zu einem Körper zusammen. Anstatt die Verbindung zwischen Überleben und dem Authentischen auszuloten, wird die Sehnsucht nach dem Authentischen selbst entfremdet – als ob in einem Traum (stets an den Alptraum grenzend), die Formen der Installation als Produkte anonymer individualisierter Arbeit unbekannten Ursprungs erscheinen. Er selbst spricht von Terrorelementen, als ob die realitätsferne Rückkehr zur Natur möglicherweise nur im Herz der Dunkelheit, in „Godville“ oder in einem Termitenstaat enden kann. Ob es sich nun bei diesen Gestalten um Termiten, Kolonialisten, Slumbewohner oder sektiererische Hippies handelt: die Beziehung zwischen den individuellen Vektoren oder Organen zu der allgemeinen Struktur bleibt unklar – genau genommen ab dem Zeitpunkt, ab dem die Struktur eine unkontrollierbares Eigenleben entwickelt.
Dies ist gleichzeitig ein Moment des Schocks und der Neugier: Dieses Leben, wenn jemand es sieht und fühlt, ist die eigene Sehnsucht nach dem Authentischen, welche an uns zurückadressiert wird, zurückgeschickt wie unser Abbild im Spiegel. Es gibt einen spezifischen Eindruck des Unheimlichen in Voermans Strukturen – als ob in jedem Moment die eigenen Gedanken und Sehnsüchte als Bestandteil der Strukturen lebendig und manifest werden könnten, uns daran erinnernd, dass wir immer noch auf der Reise sind.
 

Tags: Rainer Fetting, Rob Voerman