Ulrich Pester. Hidden Tracks, Strange Fruits, Purple Skies
05 Mar - 10 Apr 2010
Die Thomas Rehbein Galerie freut sich die erste Einzelausstellung von Ulrich Pester (*1980), Schüler Walter Dahns an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, zu präsentieren.
Metaphysisch gesehen ist die Natur das realste Sein, eine Art Urprinzip der Wirklichkeit, das es im Zuge der kulturellen Menschheitsentwicklung mit zunehmender Perfektion zu kontrollieren galt. Von antiken Theoretikern wie Protagoras von Abdera bis hin zu Jean-Jacques Rousseau und Johann Gottfried Herder wurde der Mensch nach dem Grad der Naturbeherrschung klassifiziert und Kultur zum Gegenbegriff von Natur. Dort, wo beides miteinander kollidiert, entstehen bizarre, trist-ästhetische Zwitterorte, halb natürlich halb domestiziert. In diesem Spannungsverhältnis spiegelt sich die Kernästhetik der Malerei Ulrich Pesters.
Ausgangspunkt seiner konstruierten Bildwelten sind im weitesten Sinne zunächst natürliche Objets Trouvés und unverhoffte Naturformationen, die Pester als „Formen, Bekanntes, Licht und Schatten, Wind, Öffnungen und Kräfte, als Natur“ beschreibt. Abstraktes Bildpotential in sich bergend, findet das feinsinnig Beobachtete - das für ihn Besondere im scheinbar Banalen - seine erste motivische Umsetzung in gezeichneten Studien. Die Zeichnung fungiert als zentrales Element im Stadium der Bildfindung, ist der notwendige Weg zum Bild und dient selbst bei einer photographisch fest¬ge¬haltenen Motivvorlage als Mittler zwischen Photographie und finalem Bild.
Trotz des natürlichen Ursprungskontextes seiner Sujets ist Pester kein Naturalist im Sinne eines klassischen Naturalismus, denn die motivische Ausgangsidee verfremdet sich bereits in ihrer zeichnerischen Verarbeitung und entwickelt im Zuge der Übertragung auf die Leinwand erneut Eigendynamik und Autonomie. Sein Interesse gilt den potentiellen Veränderungsprozessen des Gesehenen, das zunächst „dekonstruiert“, im Bild in neuer Form wieder zusammenfindet, ungeachtet seiner physikalischen Beschaffenheit oder Gesetzen der Logik. „...Ich möchte den Dingen eine neue, eine zweite oder dritte Ebene geben, eine Ebene, die mir Dinge zeigt, wie sie nicht sind, aber (für mich) trotzdem sein müssen.“
Auf diesem Weg erlangt ein Vogelnest plötzlich explosive Bedrohlichkeit (Deep Forestal Scream, 2007), während sich das Wurzelwerk eines massiven Baumstammes in eine undefinierbare, halbnatürliche Architektur verwandelt (Manchmal sind es Tage, 2008). Perspektivische Herausforderungen stellen hingegen Arbeiten wie Blattecke von 2008. Sie steht am Anfang einer Reihe von Bildideen, welche sich die Wölbung einer umgeschlagenen Blattecke zu Nutze machen, die sich dem Betrachter entgegenreckt. Auf ein Kreuzmotiv übertragen bilden Nachfolgearbeiten wie Le Canard von 2009 humane Züge heraus, Gesichtsstrukturen wie sie auch seine skurrilen Masken und bisweilen auch Vogelhäuser suggerieren.
Die Farbgebung bleibt dabei in Analogie zu den monochromen Vorstudien zurückhaltend und unterstützt die formale Klarheit seiner Arbeiten, die auch durch den meist groben, energisch-präsenten Duktus nicht entkräftet wird. Perspektivische Vexierspiele, motivische Dopplungen, geometrische Formen, strukturierende Unterteilungen und Symmetrien lassen den Stellenwert formaler Aspekte deutlich werden und verleihen einigen Arbeiten einen graphischen Charakter.
Ulrich Pesters formorientierte Experimente führen zu den gesuchten, neuen Bild- und Gegenstands¬ebenen und nicht selten zu einem unverkenn¬baren Bildwitz. Das Resultat der Entfremdung der motivischen Ausgangsbeobachtung ist ein mystisch-rätselhaftes Bildvokabular, das abstrakt und figürlich zugleich, undefinierbare und zeitlose Orte konstruiert – Zwitterorte naturverbunden und dennoch künstlich.
(Uta Ruhkamp, 2010)
Metaphysisch gesehen ist die Natur das realste Sein, eine Art Urprinzip der Wirklichkeit, das es im Zuge der kulturellen Menschheitsentwicklung mit zunehmender Perfektion zu kontrollieren galt. Von antiken Theoretikern wie Protagoras von Abdera bis hin zu Jean-Jacques Rousseau und Johann Gottfried Herder wurde der Mensch nach dem Grad der Naturbeherrschung klassifiziert und Kultur zum Gegenbegriff von Natur. Dort, wo beides miteinander kollidiert, entstehen bizarre, trist-ästhetische Zwitterorte, halb natürlich halb domestiziert. In diesem Spannungsverhältnis spiegelt sich die Kernästhetik der Malerei Ulrich Pesters.
Ausgangspunkt seiner konstruierten Bildwelten sind im weitesten Sinne zunächst natürliche Objets Trouvés und unverhoffte Naturformationen, die Pester als „Formen, Bekanntes, Licht und Schatten, Wind, Öffnungen und Kräfte, als Natur“ beschreibt. Abstraktes Bildpotential in sich bergend, findet das feinsinnig Beobachtete - das für ihn Besondere im scheinbar Banalen - seine erste motivische Umsetzung in gezeichneten Studien. Die Zeichnung fungiert als zentrales Element im Stadium der Bildfindung, ist der notwendige Weg zum Bild und dient selbst bei einer photographisch fest¬ge¬haltenen Motivvorlage als Mittler zwischen Photographie und finalem Bild.
Trotz des natürlichen Ursprungskontextes seiner Sujets ist Pester kein Naturalist im Sinne eines klassischen Naturalismus, denn die motivische Ausgangsidee verfremdet sich bereits in ihrer zeichnerischen Verarbeitung und entwickelt im Zuge der Übertragung auf die Leinwand erneut Eigendynamik und Autonomie. Sein Interesse gilt den potentiellen Veränderungsprozessen des Gesehenen, das zunächst „dekonstruiert“, im Bild in neuer Form wieder zusammenfindet, ungeachtet seiner physikalischen Beschaffenheit oder Gesetzen der Logik. „...Ich möchte den Dingen eine neue, eine zweite oder dritte Ebene geben, eine Ebene, die mir Dinge zeigt, wie sie nicht sind, aber (für mich) trotzdem sein müssen.“
Auf diesem Weg erlangt ein Vogelnest plötzlich explosive Bedrohlichkeit (Deep Forestal Scream, 2007), während sich das Wurzelwerk eines massiven Baumstammes in eine undefinierbare, halbnatürliche Architektur verwandelt (Manchmal sind es Tage, 2008). Perspektivische Herausforderungen stellen hingegen Arbeiten wie Blattecke von 2008. Sie steht am Anfang einer Reihe von Bildideen, welche sich die Wölbung einer umgeschlagenen Blattecke zu Nutze machen, die sich dem Betrachter entgegenreckt. Auf ein Kreuzmotiv übertragen bilden Nachfolgearbeiten wie Le Canard von 2009 humane Züge heraus, Gesichtsstrukturen wie sie auch seine skurrilen Masken und bisweilen auch Vogelhäuser suggerieren.
Die Farbgebung bleibt dabei in Analogie zu den monochromen Vorstudien zurückhaltend und unterstützt die formale Klarheit seiner Arbeiten, die auch durch den meist groben, energisch-präsenten Duktus nicht entkräftet wird. Perspektivische Vexierspiele, motivische Dopplungen, geometrische Formen, strukturierende Unterteilungen und Symmetrien lassen den Stellenwert formaler Aspekte deutlich werden und verleihen einigen Arbeiten einen graphischen Charakter.
Ulrich Pesters formorientierte Experimente führen zu den gesuchten, neuen Bild- und Gegenstands¬ebenen und nicht selten zu einem unverkenn¬baren Bildwitz. Das Resultat der Entfremdung der motivischen Ausgangsbeobachtung ist ein mystisch-rätselhaftes Bildvokabular, das abstrakt und figürlich zugleich, undefinierbare und zeitlose Orte konstruiert – Zwitterorte naturverbunden und dennoch künstlich.
(Uta Ruhkamp, 2010)