Viktor Bucher

Fabio Zolly

20 Oct - 14 Nov 2009

© Fabio Zolly
"DO NOT CROSS", 2006
Absperrband/Schablonendruck. Detail/Installation. Projektraum Viktor Bucher, Wien
FABIO ZOLLY
"© Fabio Zolly 2009"

Ausstellungseröffnung am 20.10.2009.
Ausstellungsdauer bis 14.11.2009.

Einführung: Lucas Gehrmann

In der kommenden Ausgabe von EIKON – internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst - erscheint ein illustrierter Beitrag über die aktuelle Arbeit Fabio Zollys.

Gemeinsame Eröffnung mit Galerie Winiarzyk u. Praterstraße 48


Fabio Zolly ist vorerst letzter Teil einer Ausstellungsserie *, die sich im weiteren Sinne mit Street- bzw. URBAN-Art auseinander-setzt bzw. verbindet diese drei Künstler sowohl "Besitznahmen öffentlichen Raumes" als auch Arbeiten, die im institutionalisierlen Rahmen funktionieren.

Eine „beunruhigende Dimension“ lauert unter allen Oberflächen jener Teile der Welt, die Fabio Zolly nur simpel zu untersuchen scheint.
Er macht das mal per Video, mal per (Wegwerf-)Kamera oder mittels spezieller Apparate wie der Röntgen- oder Wärmebildkamera. Pro stets seriell angestellter „Untersuchung“ bedient er sich stets einer speziellen Aufnahmetechnik, wodurch seine Aufzeichnungen von Teilen der Welt einerseits mehrfach eingegrenzt (ein Sujet/Thema, eine Aufnahmetechnik, ein Fokus ...) und andererseits mehrfach aufgefächert sind (mehrere Objekte/Szenen, verschiedene Blickwinkel ...). Ein maßgeblicher Teil der Kunst des Fabio Zolly besteht in der Gewinnung je unterschiedlicher, gegensätzlich bis paradox wirkender Essenzen aus Welt-Extrakten, welche er den technischen Aufzeichnungen derselben in wohl abgestimmten Dosierungen injiziert. So schimmern sie durch deren Oberflächen mit dem („beun-ruhigenden“) Potenzial des Aufbrechens gewohnter Grenzen zwischen Objektivität und Subjektivität, zwischen Einst und Jetzt, Hier und Dort, Sein und Schein ... .
Begonnen hat alles ganz „analog“: Fabio Zolly sammelte Schachtabdeckungen, gemeinhin Kanaldeckel genannt. Überall auf seinen Reisen fand er sie variantenreich ihm zu Füßen liegend und überall erzählten sie über ihre Inschriften, Zeichen und Strukturen unter-schiedliche Geschichten über ihre Funktion, ihre Umgebung, ihre Existenz ... . In Zeiten der überregionalen Normierung aller möglichen Dinge verlieren nun auch diese Deckel, Gitter und Kappen ihre topografische Individualität, so dass so manches Exemplar aus Fabio Zollys Sammlung bald Rarität sein wird – jedenfalls als Dokumentation desselben: der Künstler sammelte seine Objekte, indem er sie abrieb auf große oder kleine Bögen Papier. Als „Reproduktionen“ wurden sie über den Weg der Kunst zugleich zu Unikaten, was sie als Originale selten gewesen sind. Zollys Abrieb-Technik war ihrerseits nicht originär, diente aber anderen Zwecken als jene ihres „Vaters“ Max Ernst: Während der Surrealist seine Abriebe realer Dinge als die Phantasie anregende Medien zur Bildgenerierung nützte (1) blieben Zollys Frottagen je solitär und ohne jede nachträgliche Überarbeitung am Bildträger stehen. Sie selbst bilden das Bild, das in erster Linie ein Abbild ist. Ein Abbild allerdings mit sowohl dokumentarischem als auch subjektiv-flüchtigem Charakter: so „mechanisch“ diese Aufnahmetechnik auch ist, erfolgt sie eben doch manuell. Zolly bediente sich der Frottage also im Sinne des multiplen (Be-)Deutungs-spektrums seiner Sammelobjekte: sie bietet Wirklichkeitsnähe, ohne Foto-Dokument zu sein, sie lässt handwerkliche Arbeit erkennen, ohne eine Handschrift zu zeigen. Flüchtigkeit und Zufall, die Transitorik des Reisenden in einem sich stets verändernden urbanen Feld bilden sich hier ebenso ab wie die menschliche Sehnsucht nach Verewigung durch (möglichst vielfache) Setzung von Markierungen, Schrift- und Bildzeichen. So wie hier liefert uns Fabio Zolly in vielen seiner Arbeiten „Gedächtnisstützen“ samt Hinweisen auf das stets Temporäre, sich Verändernde und also letztlich nicht Konservierbare aller Erscheinungen, und er instrumentalisiert zu diesem Zweck gerne jene Klammern, Bänder und Kartuschen, mithilfe derer der Mensch (seine) Dinge festzuhalten trachtet. Wie zum Beispiel das Copyright-Zeichen, das an die per glühender Eisen in tierische Häute gestempelten „Brandmarks“ erinnert, um im Zeitalter der industriellen und digitalen Kopierbarkeit zum Kreisverkehrsinselzeichen im Strom von Fakern und Trickstern zu mutieren. Zolly ließ seine monotypischen Kanaldeckeldrucke ins Tattoo mutieren, indem er sie zunächst (verkleinert) auf Arbeitskleidungstücke von „Blue Collar Workers“ applizierte, um wenig später (ab 1998) alles und jede/n mit seinem eigenen Copyright-Stempel zu versehen: Körper von Menschen, fotografisch aufgezeichnete Objekte und Szenarien macht er mittels „Copyright by Fabio Zolly ©“ reihenweise zu seinem geistigen Eigentum. Und: „do not cross“ steht ergänzend auf seinen Absperrbändern, die er im (realen) öffentlichen Raum spannt zwischen Palmen am Meeresstrand oder Andachtsbildern vor Bergkulissen, womit er also ganze Räume und Regionen seiner Urheberschaft unterstellt. Das heißt auch: während der Künstler hier dem Publikum den Zutritt untersagt, ist er selbst (namentlich) omnipräsent.
„Kunst ist meine Anwesenheit ist Kunst ...“ lautet in diesem Sinn sein jüngstes Motto, das nicht zuletzt auch unser Kunstbegriffsverständnis beunruhigen könnte ... Lucas Gehrmann

(1) Max Ernst nützte die Frottage, um Bildgedanken zu erhalten und sie am Bild auszuführen. Um 1925 schrieb er: „Frottage ist nichts anderes als ein technisches Mittel, die halluzinatorischen Fähigkeiten des Geistes zu steigern, dass Visionen sich automatisch einstellen, ein Mittel, sich seiner Blindheit zu entledigen.“ Zit. nach: Uwe M. Schneede, Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert: von den Avantgarden bis zur Gegenwart, München: C. H. Beck, 2001, S. 92.
 

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