Marlene Hausegger
20 Nov 2012 - 10 Jan 2013
MARLENE HAUSEGGER
Détournements
20.11.2012 - 10.01.2013
Es ist nicht Grafitti, es ist nicht Street Art und es hat nur bedingt mit Land Art zu tun – wenn überhaupt, dann sind manche von Marlene Hauseggers Arbeiten Land Art en miniature – trotzdem färbt etwas von diesen traditionellen Dispositiven einer suberversiven Markierungslust öffentlicher Räume auf ihre Arbeit ab. Es geht der Künstlerin jedoch nicht um die ästhetische Eroberung territorialer Weitläufigkeiten oder um die aggressive ́Verwundung` der architektonischen Außenhäute repräsentativer oder administrativer Architekturen, sondern um beinahe beiläufige Interventionen an jener Kante, wo das Öffentliche und das Private aufeinandertreffen, kollidieren, gelegentlich ineinanderwuchern. Sie stellt die Frage nach der Tyrannei einer ubiquitären Verwaltung und Verwertung des Raumes und ist auf der Suche nach jenen Interzonen, die noch nicht erfasst und kartographiert sind oder schon wieder aufgegeben wurden. Jener ́Nicht-Orte`, die herausgehoben scheinen aus dem Raum-Zeit-Kontinuum und sich im Sinne einer kapitalistischen Akkumulationslogik als nutzlos erweisen, aber gerade in ihrer Vergessenheit abseits des geschäftigen Betriebes wie magische Paralleluniversen aufleuchten. ́Stop making Sense`, wenn der Sinn nur in der Renditeabschöpfung attraktiver Innenstadtlagen besteht, nicht aber, wenn eine Brache im Zentrum als blinder Fleck die vermeintliche Hellsichtigkeit von Stadtplanern und Immobilientycoonen ad absurdum führt. Ein solcher Ort, gleichermaßen überbelichtet wie im allgemeinen Bewußtsein unsichtbar, ist das Jonasreindl am Schnittpunkt mehrerer Straßenbahnlinien, dessen ungepflegte kreisförmige Rasenfläche Marlene Hausegger mit einer Schaumspirale markiert hat. „Spiral Jetty“ als evasive, zeitgebundene Skulptur zur Formierung einer temporären autonomen Zone.
Marlene Hauseggers Kunst ist selbsterklärtermassen vom situationistischen détournement geprägt, der ästhetischen Umwidmung gesellschaftlich determinierter Zonen oder Verhaltenscodices. Was sie betreibt, ist in vielen Fällen eine doppelte Neucodierung: Zum einen geht dem détournement ein dérive voraus, ein zielloses und zweckentbundenes Flanieren in jenen Gebieten, wo die urbanen Agglomerationen wild und unbeherrschbar werden und das in glücklichen Momenten zu Entdeckungen wie jenem verlassenen Bereich der römischen Cinecittá führt, wo Skelette von Filmkulissen an längst vergangene Zeiten erinnern und Feuerstellen und improvisierte Schlafplätze längst von illegitimen ́Nachnutzungen` erzählen.
Zum anderen werden jene (Nicht)-Orte, die durch Zeit und Sekundärgebrauch bereits detourniert sind, in der fotografischen oder zeichnerischen Dokumentation mittels subtiler Zeicheneinschreibung noch einmal gewendet und in ihren neuen Erscheinungs- und Verwendungspotentialen transparent gemacht. Bei dem Cinecittá-Foto wurden Buchstaben ausgeschnitten und nach vorne geklappt, die das Wort PSEUDO ergeben und die plane Abbildung ins Dreidimensionale ausstülpen. Skulpturales Foto? Foto-Skulptur? Die Suggestion von Potemkin`schen Dörfern, von Kulissen des Glamours und der Macht schwingt hier ebenso mit wie in anderen Arbeiten von Marlene Hausegger. Etwa bei „Cleaning Jean Nouvel“, wo ein Nachbargebäude sich in der Fassade des architektonischen ́Landmarks` am Donaukanal spiegelt. Die Architektur und ihr profanes Double, der barocke Spiegelsaal in die Vertikale zeitgenössischer gestalterischer Hybris verlängert. Jahrmarkt der Eitelkeiten und Vanitasgefühl als Embleme eines zeitgenössischen Turbo-Existentialismus.
Marlene Hausegger nimmt den großen Kunst-Ideologemen des 20. Jahrhunderts gerne ihre Erdenschwere und macht daraus handliche, handhabbare Anekdoten. So wie in der Skulptur „Balkon“, die in Form und Materialität an eine Zirkustrommel erinnert und den ganzen Erinnerungsballast des fatalen politischen Verführungszaubers und der halböffentlichen Proklamation in sich trägt, ohne ihren Auftritt mit apodiktischer Wucht zu zelebrieren.
Kunst als ludisches Mikro-Spektakel, als Glasperlenspiel, das die Brennpunkte zeitgenössischer Urbanität wie mit einem virtuellen Skateboard umkreist und im Vorbeiflitzen visuelle Kryptogramme (oder auch handfeste Messages) auf dem Körper der Dinge hinterläßt. Entgrenzung der Kraftlinien, Tätowierung aktueller Seinsbefindlichkeiten. No sleep ́til Ottakring!
Thomas Miessgang
Détournements
20.11.2012 - 10.01.2013
Es ist nicht Grafitti, es ist nicht Street Art und es hat nur bedingt mit Land Art zu tun – wenn überhaupt, dann sind manche von Marlene Hauseggers Arbeiten Land Art en miniature – trotzdem färbt etwas von diesen traditionellen Dispositiven einer suberversiven Markierungslust öffentlicher Räume auf ihre Arbeit ab. Es geht der Künstlerin jedoch nicht um die ästhetische Eroberung territorialer Weitläufigkeiten oder um die aggressive ́Verwundung` der architektonischen Außenhäute repräsentativer oder administrativer Architekturen, sondern um beinahe beiläufige Interventionen an jener Kante, wo das Öffentliche und das Private aufeinandertreffen, kollidieren, gelegentlich ineinanderwuchern. Sie stellt die Frage nach der Tyrannei einer ubiquitären Verwaltung und Verwertung des Raumes und ist auf der Suche nach jenen Interzonen, die noch nicht erfasst und kartographiert sind oder schon wieder aufgegeben wurden. Jener ́Nicht-Orte`, die herausgehoben scheinen aus dem Raum-Zeit-Kontinuum und sich im Sinne einer kapitalistischen Akkumulationslogik als nutzlos erweisen, aber gerade in ihrer Vergessenheit abseits des geschäftigen Betriebes wie magische Paralleluniversen aufleuchten. ́Stop making Sense`, wenn der Sinn nur in der Renditeabschöpfung attraktiver Innenstadtlagen besteht, nicht aber, wenn eine Brache im Zentrum als blinder Fleck die vermeintliche Hellsichtigkeit von Stadtplanern und Immobilientycoonen ad absurdum führt. Ein solcher Ort, gleichermaßen überbelichtet wie im allgemeinen Bewußtsein unsichtbar, ist das Jonasreindl am Schnittpunkt mehrerer Straßenbahnlinien, dessen ungepflegte kreisförmige Rasenfläche Marlene Hausegger mit einer Schaumspirale markiert hat. „Spiral Jetty“ als evasive, zeitgebundene Skulptur zur Formierung einer temporären autonomen Zone.
Marlene Hauseggers Kunst ist selbsterklärtermassen vom situationistischen détournement geprägt, der ästhetischen Umwidmung gesellschaftlich determinierter Zonen oder Verhaltenscodices. Was sie betreibt, ist in vielen Fällen eine doppelte Neucodierung: Zum einen geht dem détournement ein dérive voraus, ein zielloses und zweckentbundenes Flanieren in jenen Gebieten, wo die urbanen Agglomerationen wild und unbeherrschbar werden und das in glücklichen Momenten zu Entdeckungen wie jenem verlassenen Bereich der römischen Cinecittá führt, wo Skelette von Filmkulissen an längst vergangene Zeiten erinnern und Feuerstellen und improvisierte Schlafplätze längst von illegitimen ́Nachnutzungen` erzählen.
Zum anderen werden jene (Nicht)-Orte, die durch Zeit und Sekundärgebrauch bereits detourniert sind, in der fotografischen oder zeichnerischen Dokumentation mittels subtiler Zeicheneinschreibung noch einmal gewendet und in ihren neuen Erscheinungs- und Verwendungspotentialen transparent gemacht. Bei dem Cinecittá-Foto wurden Buchstaben ausgeschnitten und nach vorne geklappt, die das Wort PSEUDO ergeben und die plane Abbildung ins Dreidimensionale ausstülpen. Skulpturales Foto? Foto-Skulptur? Die Suggestion von Potemkin`schen Dörfern, von Kulissen des Glamours und der Macht schwingt hier ebenso mit wie in anderen Arbeiten von Marlene Hausegger. Etwa bei „Cleaning Jean Nouvel“, wo ein Nachbargebäude sich in der Fassade des architektonischen ́Landmarks` am Donaukanal spiegelt. Die Architektur und ihr profanes Double, der barocke Spiegelsaal in die Vertikale zeitgenössischer gestalterischer Hybris verlängert. Jahrmarkt der Eitelkeiten und Vanitasgefühl als Embleme eines zeitgenössischen Turbo-Existentialismus.
Marlene Hausegger nimmt den großen Kunst-Ideologemen des 20. Jahrhunderts gerne ihre Erdenschwere und macht daraus handliche, handhabbare Anekdoten. So wie in der Skulptur „Balkon“, die in Form und Materialität an eine Zirkustrommel erinnert und den ganzen Erinnerungsballast des fatalen politischen Verführungszaubers und der halböffentlichen Proklamation in sich trägt, ohne ihren Auftritt mit apodiktischer Wucht zu zelebrieren.
Kunst als ludisches Mikro-Spektakel, als Glasperlenspiel, das die Brennpunkte zeitgenössischer Urbanität wie mit einem virtuellen Skateboard umkreist und im Vorbeiflitzen visuelle Kryptogramme (oder auch handfeste Messages) auf dem Körper der Dinge hinterläßt. Entgrenzung der Kraftlinien, Tätowierung aktueller Seinsbefindlichkeiten. No sleep ́til Ottakring!
Thomas Miessgang