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BETTINA ALLAMODA
 

ELKE BUHR: AUSSENDEKORATION / INNENEINRICHTUNG

Rede zur Eröffnung der Einzelausstellung von Bettina Allamoda im Mies van der Rohe Haus Berlin am 12.11.2023

„Außendekoration / Inneneinrichtung“. Lässt sich ein lakonischerer Titel vorstellen als der, den Bettina Allamoda für ihre Einzelausstellung im Mies van der Rohe Haus gewählt hat? Ein Titel, der in seinem Minimalismus ganz gut passt zum Erbauer des Hauses, dem großen Modernisten Ludwig Mies van der Rohe. Wobei der mit „Dekoration“ nun so gar nichts am schwarzen Hut hatte. Schon gar nicht, wenn die so glamourös daherkommt wie bei Bettina Allamoda. 

Die Berliner Künstlerin Bettina Allamoda hat dem Bungalow, den Mies van der Rohe 1932 für den Druckereibesitzer Karl Lemke und seine Frau Martha entworfen hat, ein glitzerndes, rotes Paillettenkleid angehängt. Auf den ersten Blick sieht man vor allem den Kontrast: Nachtclub trifft Ratio, Las Vegas Berlin-Hohenschönhausen. Aber beim näheren Hinsehen kitzeln Allamodas Installationen im Eingang und im Garten des Hauses etwas heraus, was in Mies van der Rohes Entwurf schon angelegt war. Denn natürlich ist auch ein modernistischer Bungalow, der dem werbewirksamen Slogan „Less is more“ folgt, für die Verführungskraft der schönen Oberfläche zu haben – man schaue sich nur diese Ziegelfassade an, die Serialität und Varianz zu einer unglaublichen Lebendigkeit verschmilzt. Und wo sich bodentiefe Fenster dem Blick auf den See öffnen, ist das Glitzern nicht fern.

Die Architektur des Modernismus, der International Style, der aus den Entwürfen Mies van der Rohes entsprang, lebt von der Transparenz und vom spiegelnden Glas – und dieses Spiegeln treiben Allamodas Pailletten lustvoll auf die Spitze, in allen Farben. Das Paillettenkleid ist nur die erotische Variante der Hochhausfassade und hat wie jene ihre Wurzeln im 20. Jahrhundert. Bettina Allamoda hat sie zum Beispiel bei dem amerikanischen Entertainer Liberace gefunden, dem wohl überdekoriertesten Pianisten der Popgeschichte – man nannte ihn auch The Glitter Man. 

Bettina Allamoda, 1964 in Chicago geboren, ist seit den 90er Jahren eine der prägenden Figuren der Berliner Kunstszene. Von Anfang an schwingt ihre Kunst im Rhythmus der Club- und Popkultur – Mitte der 1980er-Jahre sah man sie selbst noch im Paillettenkleid mit der ihrer Band "Bille & the Deep" auftreten. Kunst, Musik und Mode spielen Ping Pong in ihrem Werk. Allamoda, war eine Pionierin dieses Crossovers, in ihren Themen definitiv ihrer Zeit voraus – schon 2000 verfolgte sie die Ausdrucksformen der Mode unter dem Aspekt des Postkolonialismus, und die kritische Auseinandersetzung mit der Ideologie und den Formen der Moderne, die sie damals begann, sollte Jahre und Jahrzehnte später Stoff für ganze Biennalen geben. 
Wenn Bettina Allamoda dem modernistischen Kubus das Glitzerkleid überzieht, ist das natürlich auch eine Frage der Geschlechter. Die Moderne ist von Männern gemacht und behauptet ihren Universalismus aus einer männlichen Perspektive – Bettina Allamoda nimmt die Steilvorlage auf und setzt einen feministischen Kontrapunkt.

Die Kombination von Bettina Allamoda und dem Mies van der Rohe Haus ist so perfekt, dass man sich fast wundert, dass diese Einzelausstellung jetzt erst hier stattfindet. Seit über zwei Jahrzehnten ist das Thema Bauhaus in Allamodas Kunst bereits präsent. Für ihre „Performance Collage: Bauhaus Performance“, 1999 recherchierte sie zur Urbanistik des Dritten Reiches und ihren Verbindungen zum Bauhaus im Weimar und Dessau. Sie collagierte in einem Film die Details der Architektur seit den 1920er-Jahren. Dann stellte sie sich vor diese Filmprojektion, nahm das wiederum auf und wurde so selbst Teil des Films – in einem Paillettenkleid. In der „Bauhaus Performance“ wird die Frauenfigur gleichzeitig Projektionsfläche und widerständiges Element. Schon damals reflektierte Allamoda buchstäblich und im übertragenen Sinne den Status der modernen Architektur. Sie ist eben nicht Form gewordene Funktion, sondern Form gewordene Machtstruktur, die Weiblichkeit ausschließt – was Allamoda vereitelt mit ihrer Mehrfachprojektion.
 
Das Prinzip der Projektion in Allamodas Kunst steht für Vielschichtigkeit. Und Vielschichtigkeit ist  auch dann Grundprinzip ihrer Kunst, wenn keine Projektoren da sind. Die Vielschichtigkeit entsteht auch hier in dieser Ausstellung durch das Bewusstein für die Bezüge. Allamoda ist für diese Ausstellung noch einmal tief in die Diskurse und die Formensprache Mies van der Rohes eingetaucht und hat die Überlagerung der Codes studiert. Die glatten Oberflächen der Moderne wehren vermeintlich den Kontext ab. Allamoda bringt den Kontext zurück, sie hakt sich ein und hat viele Bedeutungen im Gepäck. Nicht zuletzt können wir in der roten Farbe des Stoffes ein spätes Echo der Nachkriegs-Geschichte des Hauses sehen, das nach dem Krieg erst von der Roten Armee, dann von der Stasi benutzt wurde – als Hausmeisterwohnung. Glücklicher Hausmeister!

Und natürlich stehen auch die Pailletten, die sich hier in Allamodas Installation um den Baum legen, für das Prinzip der Projektion, der Spiegelung und der Vielschichtigkeit. Diese gespannten, gedrehten Stoffinstallationen umhüllen die Moderne, sie sind spielerische Varianten des Minimalismus, nicht unironisch. „Untitled Skimpy (Baumschutz),“ heißt die Arbeit, die sich dort um den Baum wickelt – Skimpy sagt man sonst für etwas knappe Kleider, das kneift, sitzt nicht perfekt, macht ein bisschen Ärger. 

Nebenbei sind Allamodas Stoffinstallationen clevere Kommentare darüber, was eine Skulptur eigentlich ist. Seit Ende der Nullerjahre beschäftigt sich Allamoda mit diesen Objekten, die auf interessante Weise zwischen weich und hart changieren, die einerseits maximale Flexibilität ausstrahlen und doch zu einer klaren Form gerinnen, die sich als Volumen behaupten und gleichzeitig an ihre Umgebung anschmiegen, da sie an vorgefundene Elemente andocken, sie umspielen oder auch an ihnen ziehen. Diese Stoffskulpturen strahlen Dynamik aus, Eleganz, manchmal Drama, manchmal auch einfach Schönheit. Manchmal spannt Allamoda sie an stählerne Absperrgitter oder Haltestangen, an die kalten Möblierungen des öffentlichen Raums. Mit diesen Disziplinierunggeräten gehen ihre Stoffbahnen gleichzeitig in die Balance und in den Clinch. Hier im Haus Lemke umspielen ihre Stoffe die scharfen Kanten, ziehen den Blick von innen nach außen, machen den Außenraum genauso zum Teil der Ausstellung wie den Innenraum. Ihr roter verführerischer Stoff schafft neue Fluchtlinien zwischen Haus, Garten und See, zwischen Innen und Außen. 

„Außendekoration – Inneneinrichtung“: Das spielt auch kokett mit der ursprünglichen Funktion des Haus Lemke als Wohnhaus, das eingerichtet werden wollte. Die Lemkes stellten vor allem Holzmöbel hinein, teils von Mies van der Rohe oder seiner Partnerin Lilly Reich gestaltet, teils aus ihrem früheren Besitz. Das Interieur war, den alten Fotos nach zu urteilen, gemütlicher als wir uns das vielleicht vorstellen, der kalte Kubus ausgekleidet mit einem großen, warmen Perserteppich, und wer weiß, vielleicht wagte Frau Lemke sogar, etwas Nippes auf ihre Bauhaus-Kommoden zu stellen. Die Tischdecke dazu bringt Bettina Allamoda ins ehemalige Schlafzimmer der Lemkes: Ihre Skulptur „Monument / Konfektion II“ deutet das häusliche Möbelstück an und spielt doch die Rolle nicht zu Ende, genauso wie es den minimalistischen Kubus andeutet und gleichzeitig verweigert.

Im ehemaligen Wohnzimmer finden wir eine Serie von Allamodas Collagen. Sie sind gleichzeitig Materialsammlungen und ästhetisch ausgefeilte Setzungen, sie spielen die Rolle von Kontexthäklern und Diskursmaschinen. "All dressed up" lautet der Titel einer Serie von Collagen, in der sie Architektur mit abstrakten Gitterelementen und Mode verschneidet. Habillez vos Fassades, heißt es in einer anderen Arbeit. Sie fügt den Fassaden Bedeutungen hinzu, setzt sie in Beziehung, probiert neue Looks für die Moderne aus. 

Das Zeitalter des Samplens ist noch lange nicht vorbei. Und Bettina Allamoda schlägt uns mit dieser Ausstellung einen neuen Mix vor. Danke dafür, liebe Bettina.  


Elke Buhr, Bettina Allamoda, Mies van der Rohe Haus Berlin am 12.11.2023

Foto: Elif Meller