Taswir – Pictorial Mappings of Islam and Modernity
05 Nov 2009 - 18 Jan 2010
5. November 2009 bis 18. Januar 2010
Kuratoren Almut Sh. Bruckstein Çoruh und Hendrik Budde
Die Berliner Festspiele zeigen im Martin-Gropius-Bau mit der Ausstellung „Taswir – Islamische Bildwelten und Moderne“ eine aktuelle Sicht auf Ausdrucksformen islamisch geprägter Bildwelten. Die Ausstellung ist nach drei großen Themen strukturiert: Kalligraphie, Ornament und Miniatur. Sie stellt die klassischen Exponate islamischer Kunst in ein Bezugsfeld moderner und zeitgenössischer Positionen in Graphik, Zeichnung und Malerei, Fotografie, Video-Kunst, Installation, Klang und Skulptur.
Kalligraphie: Die Ausstellung präsentiert islamische Schriftformen vor allem unter visuellen Aspekten und thematisiert das Phänomen des Schreibens, der Notation und der Bewegung, das Schreiben als Widerstand gegen das Verschwinden. Vorrangig ist dabei die visuelle und performative Eigenständigkeit der Schrift als Kunstform. Gezeigt werden klassische Exponate aus Koranmanuskripten verschiedenster Provenienz, persische und osmanische kalligraphische Blätter und Skizzenbücher aus dem 16. bis 19. Jahrhundert. Diese stellt die Ausstellung in ein Bezugsfeld künstlerischer Ausdrucksformen der europäischen Moderne und zeitgenössischer Positionen aus Ost und West, wie etwa Pablo Picasso, Max Ernst, Maliheh Afnan, Etel Adnan, Wolfgang Laib, William Forsythe, Song Dong und Rebecca Horn.
Ornament: Das Themenfeld erkundet geometrische Grundfigurationen des Ornaments in Architektur, Bau-Dekor und Kunsthandwerk. Es werden Architektur- und Musterzeichnungen gezeigt, die das kosmische, mathematische Formprinzip des Ornamentalen nicht nur als Grundprinzip der Baukunst, sondern auch als soziales und politisches Ordnungsprinzip erweisen. Eine Reihe von kritischen zeitgenössischen Positionen, Mona Hatoum, Susan Hefuna, Parastou Forouhar, Hale Tenger u.a. beleuchten in ihren Arbeiten die Ambivalenz von Hierarchie und Ordnung, Perfektion und Macht, Symmetrie und Asymmetrie, Ohnmacht und Gewalt.
Bildwelten in Miniatur und Malerei: Die Ausstellung betrachtet die figurative Bildsprache persischer, indischer und osmanischer Miniaturmalerei in enger Anlehnung an Poesie und Dichtung, vor allem der großen persischen Epen und Dichtung, wie etwa der berühmten Liebenden, „Yussuf und Suleika“, „Leila und Majnun“ oder „Khosrow und Shirin“. Daneben zeigt die Bildsprache der traditionell überlieferten „Himmelfahrt des Propheten“ und der indischen Mogul-Malerei eine Migration der narrativen Formen auf, die biblische, persische, arabische und europäische Erzählstränge erkennbar werden lassen und eine große Offenheit islamisch geprägter Bildwelten darstellen.
Ein weiterer Bereich der Ausstellung widmet sich dem Problem der Repräsentierbarkeit des menschlichen Antlitzes in osmanischer, persischer und mogul-indischer Buchillustration und assoziiert dazu zeitgenössische künstlerische Positionen. Die gesamte Ausstellung folgt einem poetischen Parcours, in dem sich Ost und West, klassische und zeitgenössische Positionen, Islam und Moderne neu berühren. Die Kuratoren entwerfen dabei ein lebendiges Kaleidoskop visueller und akustischer Bezüge, unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen und zeitlicher Bezüge. Dem Mnemosyne-Atlas des Hamburger Kunsthistorikers Aby Warburg verpflichtet, stellt die Ausstellung persische, arabische und osmanische Bildtraditionen ins Licht zeitgenössischer künstlerischer Positionen. Sie fragt nach einer Neubestimmung hermetischer Grenzziehungen zwischen „Orient“ und „Okzident“ und lädt zugleich zu einem kritischen Blick auf die Wurzeln des in Europa tradierten Selbstverständnisses des „Westens“ ein.
Bedeutende nationale und internationale Bibliotheken und Museen – wie die Eremitage Sankt Petersburg, British Museum und British Library London, die Bibliothèque nationale de France, oder das Gulbenkian Museum Lissabon und das Islamische Museum SMB – stellen kostbare Objekte islamischer Kunst als Leihgaben zur Verfügung.
Über dreißig Künstlerinnen und Künstler aus der internationalen Kunstszene haben zugesagt, mit wichtigen Werken, teilweise erstmals in Deutschland, an der Ausstellung teilzunehmen (Stand: Juni 09)
Arwa Abouon (Libyen)
Etel Adnan (Libanon, Frankreich)
Maliheh Afnan (Palästina, Großbritannien)
Buthayna Ali (Syrien, Kanada)
Chant Avedissian (Ägypten, Großbritannien)
Sherif el-Azma (Ägypten)
Samer Barkoui (Syrien)
Taysir Batniji (Palästina, Frankreich)
Joshua Borkovsky (Israel)
Graham Day (Grossbritannien)
Song Dong (China)
Parastou Forouhar (Iran, Deutschland)
Ilse und Pierre Garnier (Frankreich)
Abdulnasser Gharem (Saudi-Arabien)
Sakir Gökcebag (Türkei, Deutschland)
Mona Hatoum (Libanon, Großbritannien)
Susan Hefuna (Ägypten, Deutschland)
Rebecca Horn (Deutschland)
Rami Abdul Jabbar (Ägypten)
Ali Kaaf (Syrien, Deutschland)
Hayv Kahraman (Irak, USA)
Ik-Joong Kang (Süd-Korea, USA)
Hüseyin Karagöz (Türkei)
Idris Khan (Grossbritannien)
Yayoi Kusama (Japan)
Wolfgang Laib (Deutschland)
Nja Mahdaoui (Tunesien)
Nalini Malani (Indien)
Yang Maoyuan (China)
Marwan (Syrien, Deutschland)
Murat Morova (Türkei)
Moataz Nasr (Ägypten)
Timo Nasseri (Deutschland)
Shady El Noshokaty (Ägypten)
Walid Raad (Libanon, USA)
Seifollah Samadian (Iran)
Joseph Semah (Niederlande)
Raqib Shaw (Indien, Großbritannien)
Shahzia Sikander (Pakistan, USA)
Walid Siti (Irak, Grossbritannien)
Anneh Mohammed Tatari (Iran)
Hale Tenger (Türkei)
Sadegh Tirafkan (Iran, Kanada)
Sencer Vardarman (Türkei, Deutschland)
Hossein Zenderoudi (Iran, Frankreich)
Sobhi al-Zobaidi (Palästina, Kanada)
Katalog
„Taswir – Islamische Bildwelten und Moderne“
herausgegeben von Almut Sh. Bruckstein und Hendrik Budde
Nicolai Verlag Berlin
Deutsch, 248 Seiten, Hardcover
Museumsausgabe € 19,–
Buchhandelsausgabe € 34,95
ISBN 978-3-89479-554-2
Veranstaltungen aus Anlass der Ausstellung
„Taswir – Islamische Bildwelte und Moderne“
Veranstaltet von ha’atelier – werkstatt für philosophie und kunst e.V. findet im Lichthof des Martin-Gropius-Baus während der Laufzeit der Ausstellung unter dem Titel „Das TASWIR-Projekt: Ein portabler Bildatlas“ eine hochkarätige Werkstattreihe statt, in der mehr als vierzig Künstler und Kuratoren, Musiker, Gelehrte und Kulturschaffende aus aller Welt die Themen des Ausstellungsparcours in einer Art Madrasa, einem öffentlichen Lehrhaus, reflektieren und erweitern werden. Es entsteht dabei eine künstlerische Kommentarspur zur Ausstellung, eine ephemere „Ausstellung in der Ausstellung“, Wege des Wissens, an deren Entwicklung die Öffentlichkeit durchgängig Anteil hat und deren Inhalte in der Ausstellung selbst fortlaufend dokumentiert werden. Das Veranstaltungsprogramm „Das TASWIR-Projekt: Ein portabler Bildatlas“ wird von ha’atelier – werkstatt für philosophie und kunst e.V., realisiert und von der Robert Bosch Stiftung, der Allianz Kulturstiftung, dem Verein für Bildung und Ausbildung (DBI) e.V., der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sowie der BALNEA SPA GmbH großzügig gefördert.
Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei