Veit Stratmann
01 Jun - 25 Aug 2013
VEIT STRATMANN
The L'Aquila Project & A Hill
1. Juni - 25. August 2013
Die Stadt L'Aquila in den Abruzzen wurde am 6. April 2009 von einem verheerenden Erdbeben erschüttert. 308 Menschen kamen dabei um, zweitausend Menschen wurden verletzt. Rund 35.000 Bewohner von Aquila verließen die Stadt, die andere Hälfte kam zunächst in Zelten unter, dann in Neubauprojekten außerhalb der Stadt. Das Stadtzentrum von Aquila steht seit vier Jahren leer. Gebäude wurden mit teuren Gerüsten abgesichert, die einen Großteil der Sanierungsgelder verschlangen.
Der in Paris lebende Künstler Veit Stratmann besuchte diesen urbanen Nicht-Raum, in der Annahme, dass er als Künstler dieser Situation mit Fragen begegnen könnte. Aber er stellte fest: L'Aquila ist eine eingefrorene Stadt, mit der man sich nicht synchronisieren kann, sie absorbiert jegliche Bedeutung.
L'Aquila ist eine gigantischer Bruch von Kohärenz – so wie er ihn sonst in seinen Skulpturen und räumlichen Interventionen selbst zu fassen sucht.
In seinem Vortrag schildert Veit Stratmann das Scheitern von Kunst an einem Ort, der keine Ein-Wohner mehr kennt, sondern nur noch Aus-Wohner. Er entwarf das Projekt eines „People Counter“, eine Zählschranke an allen 70 Zugängen zur Innenstadt, die die temporären Besucher in der leeren Zone bezeichnen würde. Dafür bräuchte er das Placet der Verwaltung. Aber mit dem Placet der Verwaltung, also einem politischen Willen in einem politischen Raum würde dieser Zähler überflüssig...
Veit Stratmann entwickelte The L'Aquila Project unter dem Titel Impossible Tasks in Zusammenarbeit mit The Project Room in Seattle im Rahmen einer Forschungsreihe, die dem Scheitern (Failure) gewidmet ist.
Als Künstler stellt er seit den 80er Jahren international aus, u.a.: Museum Folkwang in Essen, Fondation Serralves in Porto, Sox in Berlin, Le Centre d’Art et de Diffusion Clark in Montréal, CAPC-Musée à Bordeaux, The Project Art Centre in Dublin, The Taedok Science Town in Taejon (South Korea), L’Institut d’Art Comtemporain in Villeurbanne, La Fondation Miro in Barcelone, Le Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Galerie Chez Valentin in Paris.
Angelika Stepken
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Veit Stratmann:
A HILL
Im Sommer 2011 wurde der Künstler Veit Stratmann von der französischen nationalen Agentur für Nuklearmüll (ANDRA) angefragt, an einer Arbeitsgruppe teilzunehmen, die der Frage nachgeht, wie es möglich ist, die Sicherheit des Nuklearmülls und seine Lagerstätten in Frankreich für die kommenden Generationen zu gewährleisten. Für die Problematik eines nuklearen Endlagers sollte Veit Stratmann ein künstlerisches Konzept entwickeln.
Die Anfrage stand unter den Titel «Kunst im Dienst der Erinnerung zukünftiger Generationen».
Der Künstler hat die Anfrage unter drei Bedingungen akzeptiert:
1. Er geht davon aus, dass die der Nuklearindustrie zugrundeliegende Ideologie und Logik nicht kohärent ist.
2. Seine Kunst kann zwar «zu etwas dienen», sie kann aber nicht «im Dienste von etwas» sein.
3. Kunst kann keine Lösung für ausserkünstlerische Probleme liefern. Sie kann im besten Falle Fragen aufwerfen und Probleme benennen, die Debatten ermöglichen. Anderseits würde die Kunst ihre ethische und künstlerische Wertigkeit verlieren.
Veit Stratmann hat ANDRA als Projekt einen massiven Eingriff in die Landschaft - A HILL- vorgeschlagen. Das Projekt beruht auf Prämissen, die zwar künstlerisch begründbar, ethisch aber zweifelhaft sind. Aber nur durch die Erzeugung dieses Spannung zwischen künstlerisch begründbaren, ethisch aber zweifelhaften Anahmen kann A HILL die nötige Klarheit und Genauigkeit - und das nötige Unbehaben erzeugen -, das Veit Stratmann als Antwort auf die Anfrage von ANDRA notwendig erschien. Gleichzeitig ist A HILL zweideutig und angreifbar. Aber nur in dieser Zweideutigkeit kann A HILL produktiv sein.
A HILL besteht aus drei Teilen: Die textuelle Beschreibung des Projektes, seine virtuelle Darstellung in Form eines Videos und ein Katalog von Fragen, die A HILL aufgeworfen hat. Eine dieser Fragen ist: Steht das «Nuklear-Projekt» nicht im direkten Widerspruch zum Projekt der Demokratie, da ersteres der grösstmöglichen Stabilität bedarf, letzteres hingegen nur im Wandel überleben kann?
The L'Aquila Project & A Hill
1. Juni - 25. August 2013
Die Stadt L'Aquila in den Abruzzen wurde am 6. April 2009 von einem verheerenden Erdbeben erschüttert. 308 Menschen kamen dabei um, zweitausend Menschen wurden verletzt. Rund 35.000 Bewohner von Aquila verließen die Stadt, die andere Hälfte kam zunächst in Zelten unter, dann in Neubauprojekten außerhalb der Stadt. Das Stadtzentrum von Aquila steht seit vier Jahren leer. Gebäude wurden mit teuren Gerüsten abgesichert, die einen Großteil der Sanierungsgelder verschlangen.
Der in Paris lebende Künstler Veit Stratmann besuchte diesen urbanen Nicht-Raum, in der Annahme, dass er als Künstler dieser Situation mit Fragen begegnen könnte. Aber er stellte fest: L'Aquila ist eine eingefrorene Stadt, mit der man sich nicht synchronisieren kann, sie absorbiert jegliche Bedeutung.
L'Aquila ist eine gigantischer Bruch von Kohärenz – so wie er ihn sonst in seinen Skulpturen und räumlichen Interventionen selbst zu fassen sucht.
In seinem Vortrag schildert Veit Stratmann das Scheitern von Kunst an einem Ort, der keine Ein-Wohner mehr kennt, sondern nur noch Aus-Wohner. Er entwarf das Projekt eines „People Counter“, eine Zählschranke an allen 70 Zugängen zur Innenstadt, die die temporären Besucher in der leeren Zone bezeichnen würde. Dafür bräuchte er das Placet der Verwaltung. Aber mit dem Placet der Verwaltung, also einem politischen Willen in einem politischen Raum würde dieser Zähler überflüssig...
Veit Stratmann entwickelte The L'Aquila Project unter dem Titel Impossible Tasks in Zusammenarbeit mit The Project Room in Seattle im Rahmen einer Forschungsreihe, die dem Scheitern (Failure) gewidmet ist.
Als Künstler stellt er seit den 80er Jahren international aus, u.a.: Museum Folkwang in Essen, Fondation Serralves in Porto, Sox in Berlin, Le Centre d’Art et de Diffusion Clark in Montréal, CAPC-Musée à Bordeaux, The Project Art Centre in Dublin, The Taedok Science Town in Taejon (South Korea), L’Institut d’Art Comtemporain in Villeurbanne, La Fondation Miro in Barcelone, Le Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Galerie Chez Valentin in Paris.
Angelika Stepken
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Veit Stratmann:
A HILL
Im Sommer 2011 wurde der Künstler Veit Stratmann von der französischen nationalen Agentur für Nuklearmüll (ANDRA) angefragt, an einer Arbeitsgruppe teilzunehmen, die der Frage nachgeht, wie es möglich ist, die Sicherheit des Nuklearmülls und seine Lagerstätten in Frankreich für die kommenden Generationen zu gewährleisten. Für die Problematik eines nuklearen Endlagers sollte Veit Stratmann ein künstlerisches Konzept entwickeln.
Die Anfrage stand unter den Titel «Kunst im Dienst der Erinnerung zukünftiger Generationen».
Der Künstler hat die Anfrage unter drei Bedingungen akzeptiert:
1. Er geht davon aus, dass die der Nuklearindustrie zugrundeliegende Ideologie und Logik nicht kohärent ist.
2. Seine Kunst kann zwar «zu etwas dienen», sie kann aber nicht «im Dienste von etwas» sein.
3. Kunst kann keine Lösung für ausserkünstlerische Probleme liefern. Sie kann im besten Falle Fragen aufwerfen und Probleme benennen, die Debatten ermöglichen. Anderseits würde die Kunst ihre ethische und künstlerische Wertigkeit verlieren.
Veit Stratmann hat ANDRA als Projekt einen massiven Eingriff in die Landschaft - A HILL- vorgeschlagen. Das Projekt beruht auf Prämissen, die zwar künstlerisch begründbar, ethisch aber zweifelhaft sind. Aber nur durch die Erzeugung dieses Spannung zwischen künstlerisch begründbaren, ethisch aber zweifelhaften Anahmen kann A HILL die nötige Klarheit und Genauigkeit - und das nötige Unbehaben erzeugen -, das Veit Stratmann als Antwort auf die Anfrage von ANDRA notwendig erschien. Gleichzeitig ist A HILL zweideutig und angreifbar. Aber nur in dieser Zweideutigkeit kann A HILL produktiv sein.
A HILL besteht aus drei Teilen: Die textuelle Beschreibung des Projektes, seine virtuelle Darstellung in Form eines Videos und ein Katalog von Fragen, die A HILL aufgeworfen hat. Eine dieser Fragen ist: Steht das «Nuklear-Projekt» nicht im direkten Widerspruch zum Projekt der Demokratie, da ersteres der grösstmöglichen Stabilität bedarf, letzteres hingegen nur im Wandel überleben kann?