Anita Beckers

Cornelia Renz

17 Apr - 29 May 2010

© Cornelia Renz
selbst in landschaft, 2010
Pigmentstift auf Acryl und Hartschaumplatte,
120 x 180 x 6cm
CORNELIA RENZ
"pet show"

17 Apr 2009 to 29 May 2010

"Fantasien, die nicht aufgehen", Text von Ludwig Seyfarth

Die Motive, die Cornelia Renz mit in Filzstifte gefüllten, selbstgemischten Pigmentfarben akribisch auf großformatige Acrylglasplatten aufträgt, könnten aus Träumen der Künstlerin stammen. Das wäre eine Erklärung, die wir nicht nachprüfen können, anders als die Herkunft der seltsamen Mischwesen, die ihre Bilder immer wieder bevölkern, aus einem Arsenal hybrider Gestalten in Kunstgeschichte, das von Bosch und Bruegel bis zu den Radierungen Goyas oder Max Ernsts’ Collagebearbeitungen von Bildromanen des 19. Jahrhunderts reicht.

Auch Cornelia Renz’ Bilder sind Collagen, oder, besser gesagt: Sie basieren auf Collagen. Die komplexen Szenerien werden zunächst analog und digital zusammengebastelt, bevor sie die Künstlerin, in feine Lineaturen und Schraffuren übersetzt, ins Großformat überträgt.

Die „grafische“ Struktur lässt die Bilder weniger wie Gemälde denn wie große farbige Zeichnungen oder Drucke erscheinen. An das Druckverfahren mit mehreren Farbplatten erinnert das ungewöhnliche Vorgehen, das Motiv auf verschiedene transparente Scheiben zu verteilen, die dann hintereinander montiert werden und zusammen das vollständige Bild ergeben.

Diese Vielschichtigkeit im direkten Wortsinn korrespondiert mit der Komplexität der Darstellung. Die Bilder sind so detailreich, dass man vieles und vielleicht das Wichtigste erst nach längerem Hinsehen entdeckt. Und sowohl die Machart als auch die dargestellten Figuren entziehen sich kategorisierbarer Eindeutigkeit. Kindlich erscheinende Wesen sind bei eindeutig sexuellen Handlungen zu sehen, Menschliches mischt sich mit Tierischem, die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenalter und auch die zwischen den Geschlechtern scheint fließend, trotz der Dominanz weiblicher Gestalten. Und der Titel der Ausstellung spielt mit der Doppeldeutigkeit des englischen „pet(ting)“: sowohl niedliches Spieltier als auch sexuelles Spiel.

Es ist eine Welt der Phantasie, die gleichwohl nicht in die Kategorie passt, in die das Phantastische heute vornehmlich verortet wird. „Fantasy“ als Genre des Films und bei Computerspielen lebt von der Vermengung historischer Zitate mit Science Fiction, aber ist in der Regel eine vergrößerte Kinderwelt, gereinigt von Ambivalenzen, von sexuellen und anderen geheimen Phantasien, die schon im viktorianischen Zeitalter unter der prüden Oberfläche verborgen blieben.

Was sozial nicht sanktioniert ist, taucht eher in kleinformatigen Zeichnungen und Drucken auf als in der „offiziellen“ Malerei. Eine Tradition, in der das Nicht-kategorisierbare, Vermischte und dem rationalen Verstand Widersprechende immer schon einen Platz fand, ist die Groteske, die sich seit der Antike zunächst in ornamentalen Randzonen entwickelte.

Deutlich grotesk ist bei Cornelia Renz’ Bildern nicht nur die fast ornamentale Verbindung und Verquickung der Bildelemente, sondern auch die Körperauffassung. Die Betonung der Körperöffnungen und –ausscheidungen gegenüber der idealen Geschlossenheit der Körpergrenzen entspricht der Charakteristik des grotesken Leibes, wie sie der russische Literaturwissenschaftler Michail Bachtin Mitte des 20. Jahrhunderts beschrieb.

Das Ausschweifende, das man mit der Groteske verbindet, wird bei Cornelia Renz jedoch von der akribischen Genauigkeit des Vorgehens konterkariert. Die Künstlerin ist von der Exaktheit wissenschaftlicher Darstellungen fasziniert, vor allem Illustrationen aus dem frühen 20. Jahrhundert gehören zu den direkten Inspirationsquellen.

Die Orientierung an der Genauigkeit der Illustration, ins Gemäldeformat vergrößert, ist auch bewusster Gegenentwurf zu einem männlich-gestischen Malereikonzept: Ambivalenz und Vielschichtigkeit statt „großer Wurf“. Die Dekonstruktion des Mythos der spontanen Eingebung, heute von vielen der interessantesten Malerinnen und Maler betrieben, erfolgt auch bei Cornelia Renz in origineller und humorvoller Weise. Aber auch dies ist nur ein Aspekt ihrer facettenreichen Kunst, die in keiner ihrer möglichen Lesarten wirklich aufgeht.

Kurzbiographie:
Geboren 1966 in Kaufbeuren/Bayern, studierte Cornelia Renz an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig. Sie lebt und arbeitet in Berlin. 2001 gewann sie den “Marion-Ermer-Preis“ und 2005 den “Förderpreis Bildende Kunst” der Schering-Stiftung. Ihre Arbeiten waren u. a. in Einzelausstellungen in der Galerie Anita Beckers (2007), bei Goff & Rosenthal (2006) New York und in den Gruppenausstellungen „Opening“ im MoMu/CZ, im XV. Rohkunstbau “Drei Farben – Rot” (2008) in der Villa Kellermann Potsdam zusehen. Cornelia Renz ist in vielen privaten und öffentlichen Sammlungen in Deutschland, Großbritannien, USA, Brasilien und Japan vertreten.



>> Video Space: Teresa Diehl - The Return of Pleasure

“The Return of Pleasure” ist die Einladung zu einem doppeldeutigen Spiel mit der Erinnerung. Ähnlich einem Kinderspiel, gibt es auch in diesen Spiel dunkel verlockende, märchenhafte Besonderheiten. So werden längst verdrängte Erinnerungen aus gefühlsstarken und manchmal bedrohlichen Momenten wach, wenn wir die Installation erkunden. Der Klang, die Textur, unsere Bewegung und die Bilder führen uns zurück in unsere Kindheit, in der unsere Erfahrungen von infantilen Ritualen geprägt sind. Rituale wie Saugen, Waschen oder Schmusen befriedigen unsere tieferen unbewussten Bedürfnisse nach Liebe und genüsslicher Erfüllung.

Die Arbeit Teresa Diehls erfasst die Körperlichkeit solcher Erinnerungen. Die komplexen Bilderwelten in ihren Videoarbeiten berühren uns auf eine angenehme Weise. Beinahe wie aus einer Erinnerung, taucht plötzlich etwas Verstecktes auf, gleich einem verwirrten Mix aus Erzählung, Tönen, Slow-Motion, Verdunklung, Blickwinkeln und Licht.
Genau dieser Zugriff auf unser Unterbewusstsein verlässt uns blitzartig, sodass wir nicht sicher sind, ob diese real in unserer Vergangenheit stattgefunden haben oder nur eine beunruhigende Vorstellung sind, die zu einem Gefühl oder Wahrnehmung aus einer anderen Zeit passt.


Kurzbiographie:
Teresa Diehl, die 1961 in Tanurin (Libanon) geboren wurde, studierte von 1984 – 1989 am MIAMI DADE COMMUNITY College, der FLORIDA INTERNATIONAL UNIVERSITY Miami und am SAN FRANCISCO ART INSTITUTE. Nach verschiedenen Lehraufträgen nahm sie 2003 eine Assistenzprofessor am Broward Community College in Davie, Florida an. Für ihre Arbeit erhielt sie unter anderen 2007 den South Florida Cultural Consortium Fellowship for Visual and Media Arts. Ihre Videoarbeiten und Installationen sind in verschieden Institutionen und Festivals gezeigt wurden, u.a. dem Museum of Contemporary Art Goldman in Miami (2007), National Gallery of the Cayman Island (2006) und dem Art and Culture Center of Hollywood (2004). Teresa Diehl lebt und arbeitet in Miami.
 

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