Liat Yossifor
10 Jun - 28 Aug 2010
LIAT YOSSIFOR
"falling into ends"
10 June 2009 to 28 Aug 2010
Gallery hours: Tue - Fri: 11am - 6pm, Sat: 11am - 2pm
Liat Yossifor - falling into ends
Yossifors neue Serie von Gemälden, „Falling into Ends“, überbrückt die Distanz zwischen der Vergangenheit und dem gegenwärtigen Denken über vergangene Vorstellungen. Die neuen Gemälde ignorieren jegliche Linearität. Sie erwecken stattdessen Ereignisse, Gesten und Konflikte, die unsere Gegenwart geformt haben und bitten darum, wieder einmal den erzählenden Aspekt der Geschichte eröffnen zu dürfen: den generalisierenden Blick auf Dinge, die nicht identisch sind. Yossifors Bilder stellen Symbole, Bilder und Geschichten zur Diskussion, die etwas mit der Konstruktion der Geschichte zu tun haben. Indem die Künstlerin ein traditionelles Medium benutzt, um solch archaische Themen wie Nationaldenkmäler und Soldaten zu malen, entsteht ein Dialog über das Malen und die Erschaffung von Geschichte, der wie ein Echo hin- und herhallt zwischen der Farbe und dem, was sie darstellt. Wenn es stimmt, dass alles Gemalte abstrakt ist, mit offenem Ausgang, weil dies in der Natur des Malens liegt (selbst wenn figürliche und sachbezogene Informationen in Gemälden letztlich abstrakte Gestalt und Form annehmen), was geschieht dann mit der historischen Information innerhalb der Sprache des Malens? Was geschieht - in der Sprache des Malens - mit den Symbolen? Diese Werke gründen sich auf eine Theorie über das Medium Malerei, die besagt, dass in der Malerei sozio-politische Themen aufgegriffen und entwickelt werden. Malerei abstrahiert die Bedeutung des Subjekts durch die Tatsache, dass das Gemalte bereits in eine offene Form transformiert ist.
Bezugsrahmen für “Falling into Ends” sind Archetypen. Yossifor sammelte für ihr Projekt Bilder von Nationaldenkmälern (einschließlich der Soldaten aus verschiedenen Kriegen) und Bilder von Soldaten, insbesondere Gemälde aus dem Deutschland der Nachkriegszeit. Sie behandelt diese Bilder als gleichwertige Dokumente, die dokumentarischen, nationalistischen und künstlerischen Perspektiven entstammen.
Als Symbole „schweben“ die nationalen Kriegsdenkmäler über den anderen Symbolen, um die es in ihrem Werk geht. Monumentale Formen wirken gelegentlich ironisch und auf merkwürdige Weise effektiv. In Yossifors Bildern formen sich monumentale Formen als eine Kette aus gescheiterten Anforderungen und mehrdeutigen Erzählungen. Es geht in ihnen um Gefühle, die sich mit längst erzählten Geschichten verbinden. Das Medium der Malerei heftet sich an diese Formen an, nostalgisch und auch gebrochen.
Soldaten als Archetypen werden ganz unbefangen gemalt, unbefangen in dem Sinne, dass ihre Orden, Uniformen, Kopfbedeckungen und Flaggen auf ganz unterschiedliche Stile und Herkunftsländer hinweisen. Einerseits befinden sich diese Soldaten in einer verwirrenden Unordnung, da sie aus völlig unterschiedlichen Bezugsrahmen stammen, andererseits sind sie eindeutig universelles Symbol einer Nation. Die Personen wirken in ihrer malerischen Darstellung lächerlich bis absurd. Sie bilden einen Körperhaufen. Sie sprechen die gleiche Sprache. Sie fließen ineinander. Sie fließen zusammen um der Gesamtausdrucksform des Gemäldes willen. Sie zwängen ihre Gestalten in eine überwältigende grafische Gestalt, die die Struktur des Bildes ausmacht. Sie scheinen das Ende eines Krieges zu feiern – oder seinen Beginn. Sie scheinen sich zu irgendetwas zu versammelt, aber es ist nicht klar wozu. Ihre Haltung des „Einswerdens“ ist gleichzeitig heldenhaft und lächerlich.
Liat Yossifor wuchs in Israel auf. Obwohl ihr Werk nicht ausschließlich diesem einen Aspekt ihrer Identität geschuldet ist, finden sich darin eine Fülle von Fragen zum Thema Nation, Gewalt, Geschichte und politische Positionen, die ihre Auslöser im Persönlichen und Autobiographischen haben.
Yossifor hat ihre Arbeiten mehrfach als Einzelausstellungen an verschiedenen Orten vorgestellt, darunter: „The Tender Among Us“ im Pomona College Museum of Art, Claremont, California, “The Dawning of an Aspect” in der Susanne Vielmetter Gallery in Los Angeles, „The Black Paintings” in der Noga Gallery of Contemporary Art in Tel Aviv, Israel, sowie “New Paintings” in der Anna Helwing Gallery in Los Angeles. Ihre Werke wurden in mehreren Gruppenaustellungen gezeigt, so z.B. im Lyman Allyn Museum in New London, Connecticut, USA, im Museum of Modern Fine Arts, Minsk, Weisrussland, im Torrance Art Museum, Torrance, California und in der New Wight Gallery an der University of California at Los Angeles.
Zurzeit ist Liat Yossifor im Rahmen des „Deutsche Börse Residency Program“ Gast am Frankfurter Kunstverein. Für 2010 sind zwei Einzelausstellungen geplant: in der Galerie Anita Becker in Frankfurt/Main und in der Angles Gallery in Los Angeles.
>> Video Space: Martina Wolf, Sturm auf Berlin
Das Museum des Großen Vaterländischen Krieges, Poklonnaja Gora, in Moskau ist der Erinnerung an den Sieg der Roten Armee über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg gewidmet. Der gigantische Baukomplex im Westen der russischen Hauptstadt wurde 1995 während der Ära Jelzin eröffnet; der Plan zur Errichtung einer solchen Gedenkstätte ging allerdings schon auf einen ZK-Beschluss von 1957 zurück. Auch im Russland 2.0 repräsentiert dieser symbolbeladene Ort das Herzstück der offiziellen postkommunistischen Staatspolitik, wie es die Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland gerade gezeigt haben.
Die Foto- und Videokünstlerin Martina Wolf beschäftigt sich seit längerem mit der russischen Gegenwart. Sie hat unter anderem mit einem Stipendium der Hessischen Kulturstiftung in Moskau gelebt und verschiedene weitere Städte bereist. Ihrer aktuellen Videoarbeit Sturm auf Berlin liegt eines der sechs Schlachtendioramen zugrunde, die im Untergeschoss von Poklonnaja Gora, vielbesucht, gezeigt werden. In einer Kombination aus Malerei und realen Objekten zeigt die museale Installation eine Kampfszene der Sowjetarmee in Berlin vor zerbombten Häusern und dem brennenden Reichstag. Historischer Bezug ist die finale Schlacht um Berlin vom 16. April bis zum 2. Mai 1945, die mit der Besetzung des Reichstagsgebäudes am 30. April durch die Rote Armee und der endgültigen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 2. Mai 1945 den Zweiten Weltkrieg beendete.
Wolfs Interesse liegt vor allem auf der Ebene des Betrachtens und der bildnerischen Strukturen. Die Videoinstallation Sturm auf Berlin besteht aus zwei separaten Arbeiten: Die Künstlerin hat dafür zunächst das Moskauer Berlin-Diorama in mehreren hundert Fotografien vollständig aufgenommen, daraus ein digitales Großbild montiert, das schließlich ausschnitthaft, wie unter einer Maske liegend, in fast schmerzhaft langsamer Geschwindigkeit im Digitalvideo abgetastet wird.
Die zweite Arbeit wurde ebenfalls im November 2009 im Ausstellungsraum selbst gedreht: Mit der Standkamera betrachtet Martina Wolf in Echtzeit die Betrachter. Dieser Film ist teilweise mit Ton unterlegt, man hört die Rede der Frau, die eine Gruppe Jugendlicher durch die Ausstellung führt.
Beide Filme haben eine ähnlich lange Laufzeit, währenddessen man sich selbst im Prozess des Nachdenkens, Erinnerns und Sehens betrachten kann. (Karin Görner)
"falling into ends"
10 June 2009 to 28 Aug 2010
Gallery hours: Tue - Fri: 11am - 6pm, Sat: 11am - 2pm
Liat Yossifor - falling into ends
Yossifors neue Serie von Gemälden, „Falling into Ends“, überbrückt die Distanz zwischen der Vergangenheit und dem gegenwärtigen Denken über vergangene Vorstellungen. Die neuen Gemälde ignorieren jegliche Linearität. Sie erwecken stattdessen Ereignisse, Gesten und Konflikte, die unsere Gegenwart geformt haben und bitten darum, wieder einmal den erzählenden Aspekt der Geschichte eröffnen zu dürfen: den generalisierenden Blick auf Dinge, die nicht identisch sind. Yossifors Bilder stellen Symbole, Bilder und Geschichten zur Diskussion, die etwas mit der Konstruktion der Geschichte zu tun haben. Indem die Künstlerin ein traditionelles Medium benutzt, um solch archaische Themen wie Nationaldenkmäler und Soldaten zu malen, entsteht ein Dialog über das Malen und die Erschaffung von Geschichte, der wie ein Echo hin- und herhallt zwischen der Farbe und dem, was sie darstellt. Wenn es stimmt, dass alles Gemalte abstrakt ist, mit offenem Ausgang, weil dies in der Natur des Malens liegt (selbst wenn figürliche und sachbezogene Informationen in Gemälden letztlich abstrakte Gestalt und Form annehmen), was geschieht dann mit der historischen Information innerhalb der Sprache des Malens? Was geschieht - in der Sprache des Malens - mit den Symbolen? Diese Werke gründen sich auf eine Theorie über das Medium Malerei, die besagt, dass in der Malerei sozio-politische Themen aufgegriffen und entwickelt werden. Malerei abstrahiert die Bedeutung des Subjekts durch die Tatsache, dass das Gemalte bereits in eine offene Form transformiert ist.
Bezugsrahmen für “Falling into Ends” sind Archetypen. Yossifor sammelte für ihr Projekt Bilder von Nationaldenkmälern (einschließlich der Soldaten aus verschiedenen Kriegen) und Bilder von Soldaten, insbesondere Gemälde aus dem Deutschland der Nachkriegszeit. Sie behandelt diese Bilder als gleichwertige Dokumente, die dokumentarischen, nationalistischen und künstlerischen Perspektiven entstammen.
Als Symbole „schweben“ die nationalen Kriegsdenkmäler über den anderen Symbolen, um die es in ihrem Werk geht. Monumentale Formen wirken gelegentlich ironisch und auf merkwürdige Weise effektiv. In Yossifors Bildern formen sich monumentale Formen als eine Kette aus gescheiterten Anforderungen und mehrdeutigen Erzählungen. Es geht in ihnen um Gefühle, die sich mit längst erzählten Geschichten verbinden. Das Medium der Malerei heftet sich an diese Formen an, nostalgisch und auch gebrochen.
Soldaten als Archetypen werden ganz unbefangen gemalt, unbefangen in dem Sinne, dass ihre Orden, Uniformen, Kopfbedeckungen und Flaggen auf ganz unterschiedliche Stile und Herkunftsländer hinweisen. Einerseits befinden sich diese Soldaten in einer verwirrenden Unordnung, da sie aus völlig unterschiedlichen Bezugsrahmen stammen, andererseits sind sie eindeutig universelles Symbol einer Nation. Die Personen wirken in ihrer malerischen Darstellung lächerlich bis absurd. Sie bilden einen Körperhaufen. Sie sprechen die gleiche Sprache. Sie fließen ineinander. Sie fließen zusammen um der Gesamtausdrucksform des Gemäldes willen. Sie zwängen ihre Gestalten in eine überwältigende grafische Gestalt, die die Struktur des Bildes ausmacht. Sie scheinen das Ende eines Krieges zu feiern – oder seinen Beginn. Sie scheinen sich zu irgendetwas zu versammelt, aber es ist nicht klar wozu. Ihre Haltung des „Einswerdens“ ist gleichzeitig heldenhaft und lächerlich.
Liat Yossifor wuchs in Israel auf. Obwohl ihr Werk nicht ausschließlich diesem einen Aspekt ihrer Identität geschuldet ist, finden sich darin eine Fülle von Fragen zum Thema Nation, Gewalt, Geschichte und politische Positionen, die ihre Auslöser im Persönlichen und Autobiographischen haben.
Yossifor hat ihre Arbeiten mehrfach als Einzelausstellungen an verschiedenen Orten vorgestellt, darunter: „The Tender Among Us“ im Pomona College Museum of Art, Claremont, California, “The Dawning of an Aspect” in der Susanne Vielmetter Gallery in Los Angeles, „The Black Paintings” in der Noga Gallery of Contemporary Art in Tel Aviv, Israel, sowie “New Paintings” in der Anna Helwing Gallery in Los Angeles. Ihre Werke wurden in mehreren Gruppenaustellungen gezeigt, so z.B. im Lyman Allyn Museum in New London, Connecticut, USA, im Museum of Modern Fine Arts, Minsk, Weisrussland, im Torrance Art Museum, Torrance, California und in der New Wight Gallery an der University of California at Los Angeles.
Zurzeit ist Liat Yossifor im Rahmen des „Deutsche Börse Residency Program“ Gast am Frankfurter Kunstverein. Für 2010 sind zwei Einzelausstellungen geplant: in der Galerie Anita Becker in Frankfurt/Main und in der Angles Gallery in Los Angeles.
>> Video Space: Martina Wolf, Sturm auf Berlin
Das Museum des Großen Vaterländischen Krieges, Poklonnaja Gora, in Moskau ist der Erinnerung an den Sieg der Roten Armee über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg gewidmet. Der gigantische Baukomplex im Westen der russischen Hauptstadt wurde 1995 während der Ära Jelzin eröffnet; der Plan zur Errichtung einer solchen Gedenkstätte ging allerdings schon auf einen ZK-Beschluss von 1957 zurück. Auch im Russland 2.0 repräsentiert dieser symbolbeladene Ort das Herzstück der offiziellen postkommunistischen Staatspolitik, wie es die Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland gerade gezeigt haben.
Die Foto- und Videokünstlerin Martina Wolf beschäftigt sich seit längerem mit der russischen Gegenwart. Sie hat unter anderem mit einem Stipendium der Hessischen Kulturstiftung in Moskau gelebt und verschiedene weitere Städte bereist. Ihrer aktuellen Videoarbeit Sturm auf Berlin liegt eines der sechs Schlachtendioramen zugrunde, die im Untergeschoss von Poklonnaja Gora, vielbesucht, gezeigt werden. In einer Kombination aus Malerei und realen Objekten zeigt die museale Installation eine Kampfszene der Sowjetarmee in Berlin vor zerbombten Häusern und dem brennenden Reichstag. Historischer Bezug ist die finale Schlacht um Berlin vom 16. April bis zum 2. Mai 1945, die mit der Besetzung des Reichstagsgebäudes am 30. April durch die Rote Armee und der endgültigen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 2. Mai 1945 den Zweiten Weltkrieg beendete.
Wolfs Interesse liegt vor allem auf der Ebene des Betrachtens und der bildnerischen Strukturen. Die Videoinstallation Sturm auf Berlin besteht aus zwei separaten Arbeiten: Die Künstlerin hat dafür zunächst das Moskauer Berlin-Diorama in mehreren hundert Fotografien vollständig aufgenommen, daraus ein digitales Großbild montiert, das schließlich ausschnitthaft, wie unter einer Maske liegend, in fast schmerzhaft langsamer Geschwindigkeit im Digitalvideo abgetastet wird.
Die zweite Arbeit wurde ebenfalls im November 2009 im Ausstellungsraum selbst gedreht: Mit der Standkamera betrachtet Martina Wolf in Echtzeit die Betrachter. Dieser Film ist teilweise mit Ton unterlegt, man hört die Rede der Frau, die eine Gruppe Jugendlicher durch die Ausstellung führt.
Beide Filme haben eine ähnlich lange Laufzeit, währenddessen man sich selbst im Prozess des Nachdenkens, Erinnerns und Sehens betrachten kann. (Karin Görner)