Geta Bratescu and Paul Neagu
15 Jan - 16 Feb 2013
Die Galerie Barbara Weiss führt in ihrer Doppelausstellung Geta Bratescu und Paul Neagu zwei der herausragendsten rumänischen Künstler der Nachkriegszeit zusammen.
Geta Bratescu (geb. 1926 in Ploiesti) erregt seit einigen Jahren durch Beteiligungen an wichtigen internationalen Ausstellungen große Aufmerksamkeit. Ihre Arbeiten waren u.a. zu sehen im New Museum, New York, der Tate Modern, London, der Istanbul Modern Biennale und der Triennale Paris. Das Oeuvre Bratescus zeichnet die Komplexität der Materialien und Medien des Ausdrucks aus. Es umfasst Objektkunst, Performance, Film, Zeichnung, Grafik, Collage, Fotografie und Textilkunst.
Ihre künstlerische Praxis nimmt ihren Ausgang in den 1940er Jahren. Sie nutzt eine Reihe künstlerischer Verfahren aus dem visuellen und theoretischen Repertoire der Moderne, entwickelt sie weiter und schafft neue Ausdrucksweisen und Konzepte. Informationsquelle für internationale Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst waren in den Jahrzehnten der weitestgehenden Isolation unter der Herrschaft Ceausescus überwiegend Bücher, Kataloge, wenige Ausstellungen und Reisen. Politische, gesellschaftliche und kulturelle Umbrüche, die die Künstlerin miterlebte, sind wichtig für das Verständnis ihres Werkes. Die über fünf Meter lange siebenteilige Collage Memory – state of mind without a title (1990/91) ist ein Erinnerungsstück. Entstanden ist sie in gänzlichem Rückzug kurz nach der Wende und zeigt die für Bratescus Werk typische erweiterte Bildsprache: Figuren, Medaillons, Schrift, Schriftstücke und Briefe. Die Elemente eröffnen eine Reihe von Assoziationen und Referenzen auf ihr eigenes Werk, Kunst- und Kulturgeschichte sowie die Bedeutung von Literatur und Schreiben für die Künstlerin und wirken in ihrer Abstraktion, Aneinanderreihung und Schichtung gleichzeitig geradezu enzyklopädisch.
Im Gegensatz zu Bratescu, die über Jahrzehnte innerhalb des Systems arbeitete, immigrierte Paul Neagu (1938–2004) in den 1970er Jahren nach Großbritannien und konnte mit Ausstellungen im British Museum, der Tate Britain und dem Victoria & Albert Museum frühe Erfolge feiern und beeinflusste seine Schüler, u.a. Antony Gormley, Anish Kapoor, Tony Cragg, Rachel Whiteread und Langlands & Bell.
Die in die Ausstellung wieder aufgenommene Performance The Cake Man wurde am 10. Mai 1971 in der Sigi Krauss Gallery in London uraufgeführt. Das Reenactment greift einen wichtigen Aspekt in Neagus künstlerischer Praxis auf – die Entstehung eines Prozesses der aktiven, kollektiven Erinnerung, die Neagus Auffassung, Kunst verfüge über eine unbegrenzte Freiheit der Kommunikation in Raum und Zeit, widerspiegelt.
Neagu schuf hier eine Situation, in der das Publikum durch den Verzehr der Waffeln an der Performance partizipiert. Wenn die Zellen aus ihrem Verbund gelöst werden, zerfällt die Figur in ein abstraktes Muster. Die Teilnehmer werden zu Teilhabern des Zerfalls der organischen Einheit.
Zellähnliche Strukturen sind typisch für Neagus Werke der frühen 1970er Jahre, wie die ergänzend zum Reenactment in der Ausstellung zu findenden Zeichnungen zeigen. Neagus Philosophie, die in engem Zusammenhang steht mit der symbolischen Anthropologie Gilbert Durands, betont die gleichzeitige Unterscheidbarkeit und Vernetzung von allem, vom molekularen Teil bis zum universalen Ganzen, während Geta Bratescu hier durch Schichtung und das Zusammenfügen von Fragmenten ihren eigenen Kosmos kreiert.
Die Ausstellung wurde in Kooperation mit der Ivan Gallery Bukarest realisiert, der wir herzlich danken.
Doerte Achilles
Geta Bratescu (geb. 1926 in Ploiesti) erregt seit einigen Jahren durch Beteiligungen an wichtigen internationalen Ausstellungen große Aufmerksamkeit. Ihre Arbeiten waren u.a. zu sehen im New Museum, New York, der Tate Modern, London, der Istanbul Modern Biennale und der Triennale Paris. Das Oeuvre Bratescus zeichnet die Komplexität der Materialien und Medien des Ausdrucks aus. Es umfasst Objektkunst, Performance, Film, Zeichnung, Grafik, Collage, Fotografie und Textilkunst.
Ihre künstlerische Praxis nimmt ihren Ausgang in den 1940er Jahren. Sie nutzt eine Reihe künstlerischer Verfahren aus dem visuellen und theoretischen Repertoire der Moderne, entwickelt sie weiter und schafft neue Ausdrucksweisen und Konzepte. Informationsquelle für internationale Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst waren in den Jahrzehnten der weitestgehenden Isolation unter der Herrschaft Ceausescus überwiegend Bücher, Kataloge, wenige Ausstellungen und Reisen. Politische, gesellschaftliche und kulturelle Umbrüche, die die Künstlerin miterlebte, sind wichtig für das Verständnis ihres Werkes. Die über fünf Meter lange siebenteilige Collage Memory – state of mind without a title (1990/91) ist ein Erinnerungsstück. Entstanden ist sie in gänzlichem Rückzug kurz nach der Wende und zeigt die für Bratescus Werk typische erweiterte Bildsprache: Figuren, Medaillons, Schrift, Schriftstücke und Briefe. Die Elemente eröffnen eine Reihe von Assoziationen und Referenzen auf ihr eigenes Werk, Kunst- und Kulturgeschichte sowie die Bedeutung von Literatur und Schreiben für die Künstlerin und wirken in ihrer Abstraktion, Aneinanderreihung und Schichtung gleichzeitig geradezu enzyklopädisch.
Im Gegensatz zu Bratescu, die über Jahrzehnte innerhalb des Systems arbeitete, immigrierte Paul Neagu (1938–2004) in den 1970er Jahren nach Großbritannien und konnte mit Ausstellungen im British Museum, der Tate Britain und dem Victoria & Albert Museum frühe Erfolge feiern und beeinflusste seine Schüler, u.a. Antony Gormley, Anish Kapoor, Tony Cragg, Rachel Whiteread und Langlands & Bell.
Die in die Ausstellung wieder aufgenommene Performance The Cake Man wurde am 10. Mai 1971 in der Sigi Krauss Gallery in London uraufgeführt. Das Reenactment greift einen wichtigen Aspekt in Neagus künstlerischer Praxis auf – die Entstehung eines Prozesses der aktiven, kollektiven Erinnerung, die Neagus Auffassung, Kunst verfüge über eine unbegrenzte Freiheit der Kommunikation in Raum und Zeit, widerspiegelt.
Neagu schuf hier eine Situation, in der das Publikum durch den Verzehr der Waffeln an der Performance partizipiert. Wenn die Zellen aus ihrem Verbund gelöst werden, zerfällt die Figur in ein abstraktes Muster. Die Teilnehmer werden zu Teilhabern des Zerfalls der organischen Einheit.
Zellähnliche Strukturen sind typisch für Neagus Werke der frühen 1970er Jahre, wie die ergänzend zum Reenactment in der Ausstellung zu findenden Zeichnungen zeigen. Neagus Philosophie, die in engem Zusammenhang steht mit der symbolischen Anthropologie Gilbert Durands, betont die gleichzeitige Unterscheidbarkeit und Vernetzung von allem, vom molekularen Teil bis zum universalen Ganzen, während Geta Bratescu hier durch Schichtung und das Zusammenfügen von Fragmenten ihren eigenen Kosmos kreiert.
Die Ausstellung wurde in Kooperation mit der Ivan Gallery Bukarest realisiert, der wir herzlich danken.
Doerte Achilles