Bawag Contemporary

Florian Hecker

04 - 29 Nov 2009

Florian Hecker
2 x 3 Kanal, Soundarbeit, 2009
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© O.O.
FLORIAN HECKER

November 4, 2009 – November 29, 2009

Eröffnung 4. November 2009, 19 Uhr
tägl. ab 5. bis 29. November 2009, 14-20 Uhr

In dieser letzten Show der Serie Young and Reckless in den Räumen der Bawag Contemporary in der Barnabitengasse treffen Besucherinnen und Besucher auf eine Ausstellung, die antrainierte Vorstellungen von Kunstwahrnehmung über den Haufen wirft.

Für das Tanzcafé - Finale lässt uns Florian Hecker, ein Beutewiener aus Kissing bei München, das scheinbar Immaterielle spüren und erweitert mit seinem Soundpiece ‚2 x 3 Kanal’ das Diskursfeld bildende Kunst um Sound orientierte Paradigmen.

Nun hat seit den 1970er Jahren fast jeder bildende Künstler irgendwann einmal Musik gemacht, haben seit Mitte der 1990er Jahre zahllose Musik-Kunst-Events ein mehr als robustes Crossover etabliert, in dessen Feedbacksound Künstler, Theoretiker und Publikum die Kontextverschiebung feiern.

Durch Florian Hecker’s Verwendung von computergenerierten Klänge ist es nie ganz klar, ob nun der Künstler oder die Maschine den Ton angibt. Die Geräusche und Tonabfolgen entziehen sich dem Beschreibungsmodus der Kunst - aber auch der Musikkritiker.
‚Unbeschreiblich’ nennt Hecker selbst seine prozessierten Sounds. Die Tochter des Künstlers John Miller findet sie gerade einmal ‚annoying’, und Hans Ulrich Obrist, neuerdings die Nr.1 unter ‚art’s 100 most powerful figures’, hat Florian Hecker in Formulas for Now, seiner Perlensammlung kreativer Denker der Gegenwart gelistet.

Hecker’s Werkzeug ist der Computer, den er solo und in Kollaboration mit anderen Künstlern verwendet. Er arbeitet mit Dichte, Klangexpansion, mit Gegensätzen wie Stabilität und Instabilität, mit Beschleunigung und Verzögerung, mit Rauschen und Lärm. Mit von der Partie sind Künstler und Musiker wie Aphex Twin, Russell Haswell, Carsten Höller, Florian Pumhösl, Yasunao Tone oder Cerith Wyn Evans.

In Live Präsentationen und Installationen ermöglichen Hecker’s Sound Arbeiten eine neue Erfahrung des Hörens, die Orientierung und Raumwahrnehmung des Publikums erschüttern, destabilisieren und durcheinander wirbeln.
Als einen wichtigen musikalischen Bezugspunkt nennt Hecker die Arbeiten des griechischen Komponisten und Architekten Iannis Xenakis (1922-2001), der mathematische, geometrische, architektonische oder philosophische Prinzipien in seinen Kompositionen heranzieht. In dem von ihm 1966 begründeten Pariser Studio CEMAMu (Centre d’Etudes de Mathématique et Automatique Musicales) wurde mit dem UPIC (Unité Polyagogique Informatique du CEMAMu) ein Instrument entwickelt, das graphische Kurven und Zeichnungen in Klangabläufe übersetzt.

Zusammen mit Russell Haswell arbeite Hecker 2004 in dem von Xenakis gegründeten Studio CCMIX mit dem Kompositionssystem UPIC, das Album Blackest Ever Black, Electro Acoustic UPIC Recordings (Warner Classics) erschien 2007, sowie UPIC WARP TRACKS (Warp) 2008. In gemeinsame Auftritten - UPIC Diffusion Sessions - kombinieren sie Mehrkanal Lautsprechersysteme, Stroboskoplicht und Laser, eine Homage an Xenakis’ Pavilions wie dem Polytope de Cluny (1972) oder dem Diatope (1978).

Der Raum wird durch den extrem dynamischen, vielschichtigen und nicht rhythmisierten Sound und die blitzartigen Licht und Lasereffekte zur Gänze erfasst und gleichzeitig gesprengt. ‘Die Performance löst buchstäblich die Raumgrenzen auf.’ (Ines Gebetsroither, spike 17)

Florian Hecker’s Soundpieces funktionieren in verschiedenen Kontexten gleichermaßen. In Museen und Galerien, in Clubs und auf Festivals. Zu den besonders bemerkenswerten Ereignissen in einem schier endlosen Strom von Sehen und Hören gehört Spazio Jens Blauert, sein Beitrag für die Manifesta 7 in Rovereto 2008.

Hecker entkoppelte Ursache und Wirkung, indem er die akustischen Spuren der Ausstellungsbesucher in einem Raum aufzeichnete, um sie in einem zweiten leicht verändert und zeitversetzt wiederzugeben. Mit Asynchronous Jitter, Selective Hearing, eine Arbeit, die sich heute in der renommierten Sammlung Thyssen Bornemisza befindet, komponierte Hecker ein Soundequivalent zu Cerith Wyn Evans morsenden Kristalllustern. Für T-B A21 produzierten beide Künstler das Event No night No day, das während der Biennale Venedig im Teatro Goldoni aufgeführt wurde.

Der Planet Hecker kreist im Orbit zwischen Ausstellungen, Live Performances, Audio Präsentationen und Soundstudios. Seine Auftritte sind legendär, seine Discographie ist eindrucksvoll. Die Landung in den Räumen der Bawag Contemporary entspricht der Konzeption des Ausstellungsraums, als Forum für neue Ausdrucksweisen und unkonventionelle Methoden. In der Pressemitteilung von Hecker’s aktueller Veröffentlichung Acid in the Style of David Tudor empfiehlt das Label Editions Mego, das Soundmaterial auf Lautsprechern und in voller Lautstärke zu hören. Headphones werden nicht angeraten. Da es um ein gemeinschaftliches Erlebnis geht.

Florian Hecker geboren 1975 in Augsburg. Zahlreiche internationale Ausstellungsbeteiligungen und Performances, unter anderen: Evento Bordeaux, Transitory Objects, Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien, Fare Mondi, La Biennale di Venezia, Venedig, The Kaleidoscopic Eye, Mori Art Museum, Tokyo, UBS Openings: Saturday Live Characters, Figures and Signs, Tate Modern, London, 2009; Sadie Coles HQ, London, The Morning Line, Biacs3, Seville, Manifesta 7, Trentino / Alto Adige, 2008; Galerie Neu, Berlin, WDR, Köln, Kunsthaus, Graz, 2007; Musée d’Art Moderne de la Ville, Paris, 2006; Casa Da Musica, Porto, 2005; Ars Electronica, Linz, 2003; Centre Pompidou, Paris, 2002;

Veröffentlichungen: ars viva 07/08 - Sound, Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI, Frankfurt, 2007, sowie eine umfangreiche Discographie, unter anderen Haswell & Hecker, Blackest Ever Black, CD, Warner Classics, 2007 und Acid in the Style of David Tudor, CD, Editions Mego 2009.
 

Tags: Cerith Wyn Evans, Florian Hecker, Carsten Höller, John Miller, Hans-Ulrich Obrist, Florian Pumhösl, David Tudor, Iannis Xenakis