Henrik Olesen
20 Sep - 23 Nov 2013
HENRIK OLESEN
Hysterical Men
20 September - 23 November 2013
Ich teile mit, dass ich eines schönen Vormittags, ich weiß nicht genau um wieviel Uhr, da mich die Lust einen Spaziergang zu machen ankam, den Hut auf den Kopf setzte, das Schreib oder Geisterzimmer verließ, die Treppe hinunterlief, um auf die Straße zu eilen, ...
So fängt Robert Walsers Erzählung Der Spaziergang an und man findet diesen Satz und noch zwei weitere Passagen aus der Erzählung in Henrik Olesens Ausstellung gleich zu Anfang, sozusagen noch im Vorzimmer. Robert Walsers Spaziergänger geht also los, begegnet zunächst einer spanisch aussehenden Dame, und gleich daraufhin Professor Mehli, der aus Spazierstock, Mund, Nase, Augen und Hut besteht. Das alles sind sehr bedeutungsvolle Teile des Professors, die alle ihre eigene Geschichte haben, von denen aus es weiteres zu bedenken gibt, bis etwas Neues, das er sieht, den Spaziergänger aus diesen Gedanken reißt.
Henrik Olesen schickt die Ausstellungsbesucher auch auf einen Spaziergang. – Im Flur also schnell noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Es ist alles da. Dann um die Ecke, dann hier herum und man begegnet ebenfalls gleich einigen Bekannten, Gesichter, die man mit einem Namen verbinden kann, Personen, von denen man etwas weiß. Hier fängt man jetzt an sich selbst diese Geschichten zu erzählen, aber bevor man sich allzuweit in Gedanken verliert, kommt, wie das auf einem Spaziergang so ist, etwas dazwischen. Ein anderes Bild, ein Detail erinnert an etwas anderes, man verbindet es vielleicht mit dem vorigen Bild, geht ein Stück weiter. Man könnte auf dunkle Gedanken kommen, schließlich sind einige der Personen tot oder im Gefängnis, aber genau das ist nicht Henrik Olesens Intention und so schlägt er uns vor, die Bilder zumindest gedanklich aus diesem Gefängnis zu befreien, indem man eine Zeitlang auf dem Kopf weiterläuft. Dominique Strauss-Kahn kippt also um und dreht sich auf den Kopf.
Die Bilder entwickeln sich im Gehen. Henrik Olesen gibt die Richtung vor, wie beim Schreiben lässt er die Linien nach rechts unten fallen. Er zerlegt für den Betrachter die Bilder in Fragmente und setzt sie wieder zusammen. Er macht das mit einer unglaublichen Großzügigkeit, niemand muss irgendwohin denken, und er insistiert auf nichts. Damit der Betrachter nicht traurig wird, bekommt er oder sie einen Kamm geschenkt. Man kann sich aus so einem Kamm einen Schnurrbart machen, indem man ihn sich unter die Nase hält.
Hysterical Men I und II, die beiden Bilder, entstehen aus Bildern, die ja schon da waren, alles eigentlich Realität, aber Henrik Olesen will nicht, dass diese Bilder so geordnet sind, wie wir sie normalerweise präsentiert bekommen und ordnet um, entdeckt Details, zieht sie als Striche, erinnert sich dann wieder an eins, und ordnet es woandershin. Hier die Hände, dort die Füße. Das ist eigentlich alles ganz logisch (sagt er).
Da die Geschichten von Macht, Verrat, sexueller Ordnung und Moral, die wir von den Personen kennen, also einige dieser Bilder, finster genug sind, wird auch Olesens Bild, je weiter die Betrachter auf dem Spaziergang voranschreiten, immer düsterer. Aber auch hier, wie zum Trost, sieht man ganz rechts oben, da wo das Schreiben wieder neu ansetzt, zu Ende der Papierrolle, noch Hanne Darboven, die dort abgebildet ist, weil sie zu Henriks Freude ihre letzten Bilder gemeinsam mit ihrer Ziege Mickey signierte.
Zum Ende des Spaziergangs hat Henrik Olesen eine Passage in einen Wandschrank verwandelt. Vom Flur aus gesehen, ist nun eine der beiden Türen in den großen Ausstellungsraum verschwunden, auf der einen Seite geht es weiter, aber der andere Eingang ist weg. Den Wandschrank betritt man von innen durch eine Tür, die wieder eingehängt wurde, und ursprünglich aus der bürgerlichen Wohnung stammt, die die Galerie einmal war. Anscheinend lässt sich so ein Schrank leicht in so einer Anlage des Bürgertums unterbringen. Er sieht aus, als wäre er da immer schon gewesen, ja eigentlich als wäre er eines ihrer grundlegenden Elemente, und wenn man um diesen Einbau nicht weiß, bleibt er möglicherweise verborgen, da es auf jede Art innen ist, während die T-Shirts Henrik Olesens Beitrag für eine Ausstellung im öffentlichen Raum waren und hiermit möglicherweise der Körper als öffentlicher Raum gedacht wird, jedenfalls aber man mit diesem Körper sie im öffentlichen Raum herumträgt. Auf ihnen gedruckt sind einfache Illustrationen von sechs verschiedenen Kategorien von Sex, wobei auch hier eine Schraube eine Umdrehung weiter angezogen wurde, als dieser Text in gebotener Kürze wiedergeben kann.
Ariane Müller
Hysterical Men
20 September - 23 November 2013
Ich teile mit, dass ich eines schönen Vormittags, ich weiß nicht genau um wieviel Uhr, da mich die Lust einen Spaziergang zu machen ankam, den Hut auf den Kopf setzte, das Schreib oder Geisterzimmer verließ, die Treppe hinunterlief, um auf die Straße zu eilen, ...
So fängt Robert Walsers Erzählung Der Spaziergang an und man findet diesen Satz und noch zwei weitere Passagen aus der Erzählung in Henrik Olesens Ausstellung gleich zu Anfang, sozusagen noch im Vorzimmer. Robert Walsers Spaziergänger geht also los, begegnet zunächst einer spanisch aussehenden Dame, und gleich daraufhin Professor Mehli, der aus Spazierstock, Mund, Nase, Augen und Hut besteht. Das alles sind sehr bedeutungsvolle Teile des Professors, die alle ihre eigene Geschichte haben, von denen aus es weiteres zu bedenken gibt, bis etwas Neues, das er sieht, den Spaziergänger aus diesen Gedanken reißt.
Henrik Olesen schickt die Ausstellungsbesucher auch auf einen Spaziergang. – Im Flur also schnell noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Es ist alles da. Dann um die Ecke, dann hier herum und man begegnet ebenfalls gleich einigen Bekannten, Gesichter, die man mit einem Namen verbinden kann, Personen, von denen man etwas weiß. Hier fängt man jetzt an sich selbst diese Geschichten zu erzählen, aber bevor man sich allzuweit in Gedanken verliert, kommt, wie das auf einem Spaziergang so ist, etwas dazwischen. Ein anderes Bild, ein Detail erinnert an etwas anderes, man verbindet es vielleicht mit dem vorigen Bild, geht ein Stück weiter. Man könnte auf dunkle Gedanken kommen, schließlich sind einige der Personen tot oder im Gefängnis, aber genau das ist nicht Henrik Olesens Intention und so schlägt er uns vor, die Bilder zumindest gedanklich aus diesem Gefängnis zu befreien, indem man eine Zeitlang auf dem Kopf weiterläuft. Dominique Strauss-Kahn kippt also um und dreht sich auf den Kopf.
Die Bilder entwickeln sich im Gehen. Henrik Olesen gibt die Richtung vor, wie beim Schreiben lässt er die Linien nach rechts unten fallen. Er zerlegt für den Betrachter die Bilder in Fragmente und setzt sie wieder zusammen. Er macht das mit einer unglaublichen Großzügigkeit, niemand muss irgendwohin denken, und er insistiert auf nichts. Damit der Betrachter nicht traurig wird, bekommt er oder sie einen Kamm geschenkt. Man kann sich aus so einem Kamm einen Schnurrbart machen, indem man ihn sich unter die Nase hält.
Hysterical Men I und II, die beiden Bilder, entstehen aus Bildern, die ja schon da waren, alles eigentlich Realität, aber Henrik Olesen will nicht, dass diese Bilder so geordnet sind, wie wir sie normalerweise präsentiert bekommen und ordnet um, entdeckt Details, zieht sie als Striche, erinnert sich dann wieder an eins, und ordnet es woandershin. Hier die Hände, dort die Füße. Das ist eigentlich alles ganz logisch (sagt er).
Da die Geschichten von Macht, Verrat, sexueller Ordnung und Moral, die wir von den Personen kennen, also einige dieser Bilder, finster genug sind, wird auch Olesens Bild, je weiter die Betrachter auf dem Spaziergang voranschreiten, immer düsterer. Aber auch hier, wie zum Trost, sieht man ganz rechts oben, da wo das Schreiben wieder neu ansetzt, zu Ende der Papierrolle, noch Hanne Darboven, die dort abgebildet ist, weil sie zu Henriks Freude ihre letzten Bilder gemeinsam mit ihrer Ziege Mickey signierte.
Zum Ende des Spaziergangs hat Henrik Olesen eine Passage in einen Wandschrank verwandelt. Vom Flur aus gesehen, ist nun eine der beiden Türen in den großen Ausstellungsraum verschwunden, auf der einen Seite geht es weiter, aber der andere Eingang ist weg. Den Wandschrank betritt man von innen durch eine Tür, die wieder eingehängt wurde, und ursprünglich aus der bürgerlichen Wohnung stammt, die die Galerie einmal war. Anscheinend lässt sich so ein Schrank leicht in so einer Anlage des Bürgertums unterbringen. Er sieht aus, als wäre er da immer schon gewesen, ja eigentlich als wäre er eines ihrer grundlegenden Elemente, und wenn man um diesen Einbau nicht weiß, bleibt er möglicherweise verborgen, da es auf jede Art innen ist, während die T-Shirts Henrik Olesens Beitrag für eine Ausstellung im öffentlichen Raum waren und hiermit möglicherweise der Körper als öffentlicher Raum gedacht wird, jedenfalls aber man mit diesem Körper sie im öffentlichen Raum herumträgt. Auf ihnen gedruckt sind einfache Illustrationen von sechs verschiedenen Kategorien von Sex, wobei auch hier eine Schraube eine Umdrehung weiter angezogen wurde, als dieser Text in gebotener Kürze wiedergeben kann.
Ariane Müller