Front Row
22 Feb - 26 Apr 2014
FRONT ROW
Ein Pop-Up Store von Contemporary Fine Arts
22 February - 26 April 2014
Die Galerie Contemporary Fine Arts existiert seit zwanzig Jahren und kann dabei auf mehr als 150 Ausstellungen zurückblicken. Beinahe die Hälfte der Zeit wurde ohne Internet und elektronische Medien gearbeitet, die im digitalen Zeitalter mittlerweile nicht mehr wegzudenken sind.
Umso spannender ist es, einen Blick zurückzuwerfen auf die analogen Jahre und die ersten Ausstellungskataloge, Poster, Karten etc. aus dem Archiv von CFA.
Diese Dokumente waren darauf ausgerichtet, dauerhaft Bestand zu haben und stehen damit im Gegensatz zu dem kurzlebigen Modus der digitalen Posts in der heutigen multimedialen Welt. Während es in diesen vor allem darum geht, schnell zu sein und als erster Neuigkeiten zu verkünden, waren die damaligen Druckerzeugnisse bis ins Detail durchdacht und sollten vor allem final, definitiv und unabänderlich sein. Der Spaß, den die Galerie und die Künstler bei der Produktion hatten, setzt sich fort im Objekt: Einen Katalog in den Händen zu halten, ein kleines Stück der Ausstellung mit nach Hause zu nehmen und sich auch nach Jahren immer wieder daran erfreuen zu können.
Der Titel „Front Row“ spielt auf die Vorreiterrolle der Galerie an, die oftmals als eine der ersten Institutionen Publikationen zu den einzelnen Ausstellungen herausgegeben hat. Diese wurden in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern gestaltet. Sei es Damien Hirsts „Making Beautiful Drawings“ von 1994, Peter Doigs „Blotter“ von 1995, Daniel Richters „17 Jahre Nasenbluten“ aus dem Jahr 1997, Jonathan Meeses umfangreicher Katalog „Mama Johnny“ aus den Hamburger Deichtorhallen oder der große Ausstellungskatalog zu Dash Snow, beide von 2007, sowie Tal R‘s „Adieu Interessant“ von 2008. Auch Raritäten wie Raymond Pettibons Fanzines aus den 80er Jahren, Sigmar Polkes Katalog „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ von 1993 und Original-Skizzenbücher von Norbert Schwontkowski werden zu sehen sein.
Die Ausstellung zeigt Künstlerbücher, Ausstellungskataloge, Poster, DVDs, Vinyl sowie Paraphernalien. Diese Materialien wurden über die letzten zwanzig Jahre hinweg gesammelt und werden nun im Rahmen des temporären Shops „Front Row“ gezeigt. Der Shop wird vom 22. Februar bis 26. April 2014 geöffnet und im Erdgeschoss der Galerie CFA zu finden sein. Darüber hinaus werden Holzschnitte, Bilder, Photos, Graphiken und Skulpturen zu sehen sein.
Begleitet wird die Ausstellung von einem Vortragsprogramm.
Sarah Lucas
bekannt geworden. Nach ihrem Studium am Londoner Goldsmith College war es eines ihrer Hauptkriterien, dass ihr Material günstig zu beschaffen und in Fülle vorhanden war. Außerdem sollte es nicht nur sie selbst ansprechen, sondern auch jeden anderen. Daher fing sie an, Ausschnitte aus der Boulevardpresse zu verwenden,
vor allem Berichte mit provokant sexuellen Abbildungen und plakativen Titeln.
Die ersten Werke aus dieser Reihe heißen beispielsweise „Penis Nailed to a Board“ oder „Fat, Forty and Fabulous“ und zeigen nackte Tatsachen im Großformat.
Sie bezog auch Gebrauchsgegenstände wie Tische oder Stühle in ihre Werke ein. Eine der bekanntesten und heute ikonischen Arbeiten aus den frühen neunziger Jahren trägt den Titel „Two Fried Eggs and a Kebab“. Lucas arrangierte dafür zwei Spiegeleier und einen Döner Kebab auf einem Holztisch. Die Platzierung der Objekte ließ an einen weiblichen Körper denken. Ein daneben aufgestelltes Foto der Komposition in Nahsicht ließ dies ebenfalls vermuten. Ein anderes Mal steckte sie zwei Melonen in eine Matratze, legte einen Eimer darunter und ließ daneben eine Gurke hinter zwei Orangen hervorragen.
Natürlich denkt man sofort an ein Bett, auf dem eine Frau und ein Mann liegen.
Mit rüpelhafter Selbstverständlichkeit arrangiert Lucas Gemüse, Fast Food oder Möbelstücke zu Geschlechter-Slapsticks – ihre Kunst schockiert, irritiert und reizt zum Lachen.
Weitere wichtige Materialien für Lucas waren Zigaretten und Strumpfhosen, die sie mit Watte ausstopfte und in lasziver Pose auf Stühlen drapierte. Zigaretten hatte sie stets verfügbar und baute daraus kompakte Skulpturen wie Särge, Staubsauger oder Penisse. Sie ordnete sie auch linear auf Papierbögen an, um daraus Porträts zu formen. Ein besonderer Fokus lag auf dem Selbstporträt, das sie von Anfang an in ihrer Kunst einsetzte. Sie zeigte sich auf Fotos in maskulin starken Posen und fügte diese in Collagen ein, übermalte sie oder tapezierte ganze Wände damit. Ihre Schuhe, meistens schwere Treter, wurden in Beton verewigt und als Skulpturen aufgestellt. Sie goss auch ihre Körperteile in Beton ab oder bildete sie in Wachs nach, präsentierte ihren ausgestreckten Mittelfinger oder ihren Mund mit einer Zigarette zwischen den Zähnen. Auch hier geht es um die Gender- oder Identitätsfrage. Laut Lucas sind „all diese angeblichen Identitäten ... lediglich – außerordentlich fragile – Konstrukte. Sie könnten doch genauso gut völlig anders beschaffen sein. ... Warum sollen beispielsweise Frauen nicht aggressiv sein – oder breitbeinig im Bus hocken und zwei Plätze okkupieren? Oder warum sollen Männer keine Kleider tragen? Warum sollte es nicht ganz normal sein, dass beide Geschlechter bisexuell sind?“
Zurück zum immer wiederkehrenden Motiv in Lucas‘ Werk: Toiletten. Sie fotografierte sie dreckbesudelt, setzte sich für Selbstporträts halb nackt darauf, stellte sie als Readymade-artige Skulpturen auf (und lässt sofort an Duchamp denken), ließ Abgüsse aus transparentem Kunststoff erstellen und baute sie mit Zigaretten nach. Unter dem Titel „Is Suicide Genetic?“ widmete sie der Toilette fast eine komplette Ausstellung, die Contemporary Fine Arts 1996 zur Einweihung ihrer neuen Räume in Berlin-Mitte zeigte und damit einer der Protagonistinnen der „Young British Artists“ einen fulminanten Auftritt in Deutschland bescherte. Auch das Titelblatt dieser Beilage ist ein Werk aus dieser Serie. Mit seiner drastischen Wortwahl und abstoßenden Ästhetik verstört es damals wie heute gleichermaßen.
„Wie ich anderen meine Kunst erklären würde? Na ja, sie handelt vom Leben, von all den Dingen, die uns bewegen.“ Von Sex, Angst, Tod.
Ein Pop-Up Store von Contemporary Fine Arts
22 February - 26 April 2014
Die Galerie Contemporary Fine Arts existiert seit zwanzig Jahren und kann dabei auf mehr als 150 Ausstellungen zurückblicken. Beinahe die Hälfte der Zeit wurde ohne Internet und elektronische Medien gearbeitet, die im digitalen Zeitalter mittlerweile nicht mehr wegzudenken sind.
Umso spannender ist es, einen Blick zurückzuwerfen auf die analogen Jahre und die ersten Ausstellungskataloge, Poster, Karten etc. aus dem Archiv von CFA.
Diese Dokumente waren darauf ausgerichtet, dauerhaft Bestand zu haben und stehen damit im Gegensatz zu dem kurzlebigen Modus der digitalen Posts in der heutigen multimedialen Welt. Während es in diesen vor allem darum geht, schnell zu sein und als erster Neuigkeiten zu verkünden, waren die damaligen Druckerzeugnisse bis ins Detail durchdacht und sollten vor allem final, definitiv und unabänderlich sein. Der Spaß, den die Galerie und die Künstler bei der Produktion hatten, setzt sich fort im Objekt: Einen Katalog in den Händen zu halten, ein kleines Stück der Ausstellung mit nach Hause zu nehmen und sich auch nach Jahren immer wieder daran erfreuen zu können.
Der Titel „Front Row“ spielt auf die Vorreiterrolle der Galerie an, die oftmals als eine der ersten Institutionen Publikationen zu den einzelnen Ausstellungen herausgegeben hat. Diese wurden in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern gestaltet. Sei es Damien Hirsts „Making Beautiful Drawings“ von 1994, Peter Doigs „Blotter“ von 1995, Daniel Richters „17 Jahre Nasenbluten“ aus dem Jahr 1997, Jonathan Meeses umfangreicher Katalog „Mama Johnny“ aus den Hamburger Deichtorhallen oder der große Ausstellungskatalog zu Dash Snow, beide von 2007, sowie Tal R‘s „Adieu Interessant“ von 2008. Auch Raritäten wie Raymond Pettibons Fanzines aus den 80er Jahren, Sigmar Polkes Katalog „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost“ von 1993 und Original-Skizzenbücher von Norbert Schwontkowski werden zu sehen sein.
Die Ausstellung zeigt Künstlerbücher, Ausstellungskataloge, Poster, DVDs, Vinyl sowie Paraphernalien. Diese Materialien wurden über die letzten zwanzig Jahre hinweg gesammelt und werden nun im Rahmen des temporären Shops „Front Row“ gezeigt. Der Shop wird vom 22. Februar bis 26. April 2014 geöffnet und im Erdgeschoss der Galerie CFA zu finden sein. Darüber hinaus werden Holzschnitte, Bilder, Photos, Graphiken und Skulpturen zu sehen sein.
Begleitet wird die Ausstellung von einem Vortragsprogramm.
Sarah Lucas
bekannt geworden. Nach ihrem Studium am Londoner Goldsmith College war es eines ihrer Hauptkriterien, dass ihr Material günstig zu beschaffen und in Fülle vorhanden war. Außerdem sollte es nicht nur sie selbst ansprechen, sondern auch jeden anderen. Daher fing sie an, Ausschnitte aus der Boulevardpresse zu verwenden,
vor allem Berichte mit provokant sexuellen Abbildungen und plakativen Titeln.
Die ersten Werke aus dieser Reihe heißen beispielsweise „Penis Nailed to a Board“ oder „Fat, Forty and Fabulous“ und zeigen nackte Tatsachen im Großformat.
Sie bezog auch Gebrauchsgegenstände wie Tische oder Stühle in ihre Werke ein. Eine der bekanntesten und heute ikonischen Arbeiten aus den frühen neunziger Jahren trägt den Titel „Two Fried Eggs and a Kebab“. Lucas arrangierte dafür zwei Spiegeleier und einen Döner Kebab auf einem Holztisch. Die Platzierung der Objekte ließ an einen weiblichen Körper denken. Ein daneben aufgestelltes Foto der Komposition in Nahsicht ließ dies ebenfalls vermuten. Ein anderes Mal steckte sie zwei Melonen in eine Matratze, legte einen Eimer darunter und ließ daneben eine Gurke hinter zwei Orangen hervorragen.
Natürlich denkt man sofort an ein Bett, auf dem eine Frau und ein Mann liegen.
Mit rüpelhafter Selbstverständlichkeit arrangiert Lucas Gemüse, Fast Food oder Möbelstücke zu Geschlechter-Slapsticks – ihre Kunst schockiert, irritiert und reizt zum Lachen.
Weitere wichtige Materialien für Lucas waren Zigaretten und Strumpfhosen, die sie mit Watte ausstopfte und in lasziver Pose auf Stühlen drapierte. Zigaretten hatte sie stets verfügbar und baute daraus kompakte Skulpturen wie Särge, Staubsauger oder Penisse. Sie ordnete sie auch linear auf Papierbögen an, um daraus Porträts zu formen. Ein besonderer Fokus lag auf dem Selbstporträt, das sie von Anfang an in ihrer Kunst einsetzte. Sie zeigte sich auf Fotos in maskulin starken Posen und fügte diese in Collagen ein, übermalte sie oder tapezierte ganze Wände damit. Ihre Schuhe, meistens schwere Treter, wurden in Beton verewigt und als Skulpturen aufgestellt. Sie goss auch ihre Körperteile in Beton ab oder bildete sie in Wachs nach, präsentierte ihren ausgestreckten Mittelfinger oder ihren Mund mit einer Zigarette zwischen den Zähnen. Auch hier geht es um die Gender- oder Identitätsfrage. Laut Lucas sind „all diese angeblichen Identitäten ... lediglich – außerordentlich fragile – Konstrukte. Sie könnten doch genauso gut völlig anders beschaffen sein. ... Warum sollen beispielsweise Frauen nicht aggressiv sein – oder breitbeinig im Bus hocken und zwei Plätze okkupieren? Oder warum sollen Männer keine Kleider tragen? Warum sollte es nicht ganz normal sein, dass beide Geschlechter bisexuell sind?“
Zurück zum immer wiederkehrenden Motiv in Lucas‘ Werk: Toiletten. Sie fotografierte sie dreckbesudelt, setzte sich für Selbstporträts halb nackt darauf, stellte sie als Readymade-artige Skulpturen auf (und lässt sofort an Duchamp denken), ließ Abgüsse aus transparentem Kunststoff erstellen und baute sie mit Zigaretten nach. Unter dem Titel „Is Suicide Genetic?“ widmete sie der Toilette fast eine komplette Ausstellung, die Contemporary Fine Arts 1996 zur Einweihung ihrer neuen Räume in Berlin-Mitte zeigte und damit einer der Protagonistinnen der „Young British Artists“ einen fulminanten Auftritt in Deutschland bescherte. Auch das Titelblatt dieser Beilage ist ein Werk aus dieser Serie. Mit seiner drastischen Wortwahl und abstoßenden Ästhetik verstört es damals wie heute gleichermaßen.
„Wie ich anderen meine Kunst erklären würde? Na ja, sie handelt vom Leben, von all den Dingen, die uns bewegen.“ Von Sex, Angst, Tod.