Daniel Buchholz

Automaton

18 Apr - 30 Jun 2012

AUTOMATON
18 April - 30 June 2012

Elie Nadelman
Joseph Cornell
H.C. Westermann
Rodney Quiriconi
Ed Flood
Christina Ramberg
Ron Nagle
Vincent Fecteau
Tomma Abts
Richard Hawkins
Simon Denny
K8 Hardy

Die Gruppenausstellung "Automaton" zeigt historische Arbeiten von Elie Nadelman, Joseph Cornell, H.C. Westermann, Rodney Quiriconi, Ed Flood, Christina Ramberg und Ron Nagle, neue oder speziell für die Ausstellung ausgewählte Arbeiten der Künstler unserer Galerie Tomma Abts, Simon Denny, Vincent Fecteau und Richard Hawkins, sowie eine neue Serie von Arbeiten der New Yorker Performance Künstlerin K8 Hardy. Die Ausstellung wurde im Gespräch mit Vincent Fecteau konzipiert.

Wir möchten uns für ihre großzügige Mitarbeit bei Dempsey vs. Corbett bedanken und bei allen Leihgebern.

Elie Nadelman (1882 Warschau - 1946 Riverdale, NY) zieht nach einer Ausbildung als Zeichner und Bildhauer in Warschau und Krakau zunächst nach München und dann nach Paris, wo er bis 1914 lebt und an zahlreichen Ausstellungen teilnimmt. Dort werden Leo und Getrude Stein auf ihn aufmerksam, die beginnen seine Arbeiten zu sammeln, sowie auch Helena Rubinstein. Ab 1914 lebt Elie Nadelman in Amerika, zunächst in New York und später außerhalb New Yorks in Riverdale. In New York stellt Elie Nadelman in Alfred Stieglitz Gallery of the Photo-Secession aus. Waren Elie Nadelmans letzte Arbeiten der Pariser Zeit vom zeitgenössischen Stil des Kubismus beeinflußt, so wendet er sich nun wieder einer mehr klassizistischen Formensprache zu. Ein wesentlicher Einfluß für Elie Nadelmans Arbeiten der folgenden Jahre wird die American Folk Art sein, der er große Aufmerksamkeit widmet und die er selber beginnt zu sammeln. 1926 eröffnet er in seinem Haus in Riverdale ein Museum für "Folk and Peasant Art" dessen bedeutende Sammlung er aus Geldnöten 1937 an die New York Historical Society verkauft. Neben seinen Zeichnungen arbeitet Nadelman im Wesentlichen an zum Teil auch bemalten Skulpturen in Marmor, Bronze, Keramik, Holz, Gips und Papiermaché, deren Formvokabular, Figuren in Bewegung, häufig Tänzer und Musiker, aber auch Tiere, an die Darstellungen der American Folkart angelehnt sind. Wichtig ist es hierbei, dass die Skulpturen auf einen individuellen Gestus verzichten und vielmehr aussehen wie präzise Hervorbringungen einer seltsamen Manufaktur. Viele seiner Formfindungen stellt er mehrfach in leicht unterschiedlicher Ausstattung her. In unserer Ausstellung zeigen wir neben Zeichnungen auch drei Keramikskulpturen der 30er und 40er Jahre, Figuren die Hybride aus griechischen Götterdarstellungen, Putten aber auch Showgirl-Tänzerinnen zu sein scheinen und die aus heutiger Sicht entfernt an die frühen Zeichnungen Andy Warhols erinnern.

Joseph Cornell (1903 Nyack, NY - 1972 Flushing, Long Island, NY) ist Autodidakt. Nach einem Studium mit Schwerpunkt der Naturwissenschaften und Sprachen arbeitet er zunächst im Textilhandel und später kurzzeitig im Verkauf von Kühlschränken. Joseph Cornell wohnt ab 1929 ausschliesslich in Flushing zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder Robert. Joseph Cornell ist sehr belesen und kenntnisreich in der Kunstgeschichte, führt eine ausgiebige Korrespondenz und ist ein geradezu manischer Sammler der unterschiedlichsten Dinge, vor allem Druckerzeugnisse, Bücher und Zeitschriften, aber auch Pfeifen, Spielzeuge, Folkart und Filmmaterial. Joseph Cornell reist nur sehr wenig abgesehen von Ausflügen nach New York, wo er häufig die Büchereien und Buchhandlungen, das Theaterviertel um die 42. Strasse und den Times Square, die Kunstgalerien und Museen besucht. In der Julien Levy Gallery in New York entdeckt er die Kunst der Surrealisten und beginnt selber Collagen und Assemblagen herzustellen und entwickelt schließlich seine berühmten Boxen. 1932 findet seine erste Einzelausstellung in der Julien Levy Gallery statt und obwohl Cornell auch fortan mehr oder weniger zurückgezogen mit seiner Familie in Flushing lebt, wird er doch Teil der surrealistischen und neo-surrealistischen Kunstszene Amerikas und befreundet sich mit vielen der Künstler, vor allem Marcel Duchamp und Max Ernst, aber auch Marianne Moore, Parker Tyler und Charles Henri Ford.

H.C. Westermann (1922 Los Angeles, CA - 1981 Brookfield Center, CT) wächst in Los Angeles auf und zeigt früh künstlerisches und handwerkliches Talent. H.C. Westermann beginnt 1940 ein Kunststudium in Los Angeles, bricht dieses aber sofort wieder ab und arbeitet ab 1942 zunächst bei der Eisenbahn um dann in die der Marine der US Army einzutreten. H.C. Westermann fährt die nächsten Jahre mit Unterbrechungen zur See, wird aber 1946 entlassen und bewirbt sich an der Kunstakademie in Chicago, wird abgelehnt und beginnt dann sich sein Geld als Akrobat zu verdienen. Mit einem Partner Wayne Uttley gründet er das Akrobaten Duo "Wayne and Westermann" und zusammen unternehmen sie Tourneen bis nach Japan und China. 1947 heiratet H.C. Westermann Jeanette LaFord, zieht nach Chicago und studiert dort nun an der School of the Art Institute of Chicago Kunst. 1949 trennt er sich von Jeannette LaFord, registriert sich 1950 wieder bei der Armee und wird 1951 in den Koreakrieg eingezogen. 1952 wird H.C. Westermann zunächst nach Japan versetzt um dann im Herbst des gleichen Jahres zurück nach Chicago zu kommen um dort sein Kunststudium fortzusetzen. Ab 1954 hat H.C. Westermann erste Einzelausstellungen mit Malereien und später dann fast ausschliesslich mit Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken. Ab 1956 stellt H.C. Westermann in der Allan Frumkin Gallery aus. 1959 heiratet H.C. Westermann die Künstlerin Joanna Beall. Nach einem Brand, der ihr gemeinsames Apartment zerstört, verlassen Westermann und Beall Chicago um in den Heimatort von Beall, Brookfield Center in Connecticut zu ziehen, wo sie von da an bis zu Westermanns Tod 1981 zusammen leben werden. Neben zahlreichen auch internationalen Ausstellung, baut Westermann in Brookfield Center ein eigenes Haus und ein Atelier für sich und seine Frau. H.C. Westermanns Kunst ist von einer sehr eigenwilligen Formensprache geprägt. Seine Zeit in der Armee besonders bei der Marine spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Tod und Zerstörung, die "Deathships", Zeichnungen und gezeichneten Briefe die an den kruden Duktus von Seemanns-Tattoos erinnern, in denen immer wieder Selbstdarstellungen, als dunkler zwielichtiger Trickster, Taue und Anker, Kojoten und Kakteen vorkommen. Als passionierter und überaus talentierter Handwerker entwickelt H.C. Westermann vor allem in seinen Skulpturen eine ganz eigene Ausprägung der American Folkart. Unterschiedliche edle Hölzer sind dabei sein bevorzugtes Material, deren Oberflächen abgeschliffen und mit Lacken überzogen werden. Seine Skulpturen wirken dabei am Ende häufig wie gefundene Objekte unbekannter Herkunft. H.C. Westermann nannte den Bildhauer Elie Nadelman als wesentlichen Einfluss und widmete ihm 1966 die Skulptur "Homage to American Art (Dedicated to Elie Nadelman)". H.C. Westermanns Arbeiten waren wiederum einflussgebend für eine jüngere Generation von Künstlern der Westküste Amerikas und vor allem auch für die Generation der "Chicago Imagists" der späten 60er Jahre.

Ed Flood (1944-1985) lebt und arbeitet zunächst in Chicago und ab den 70er Jahren in New York. Seine erste Ausstellung findet im Rahmen der Künstlergruppe "Non-Plussed Some" einer Sektion der "Chicago Imagists" 1968 im Hyde Park Art Center, Chicago, statt. Ed Flood beruft sich auf eine Tradition der Vitrine-Kisten-Bauer und Kunsthandwerker. Seine wichtigsten Einflüsse sind Joseph Cornell und H.C. Westermann. Mit H.C. Westermann ist Ed Flood befreundet. In der Ausstellung zeigen wir auch eine Box, die H.C. Westermann an Ed Flood geschickt hat (eine sorgsam weichgeschmirgelte Holzbox ohne Inhalt), sowie gezeichnete Briefe von Westermann an Flood und seine Frau Sarah Canight. Ed Flood führt das Interesse an Kunsthandwerk und Amerikana anfangs im Sinne der Chicago Imagists über zu der grell-farbigen Exotik von Flipperautomaten. In seinen späteren Arbeiten wird Ed Flood dann zunehmend abstrakter. Ab den frühen 70er Jahren arbeitet Flood an seltsam formalisierten Aquarium-Boxen mit See-Anemonen. Diese teilweise verspiegelten Boxen mit ihren verblüffenden visuellen Effekten, erinnern an ins psychedelische gewendete Objekte der Minimal Art.

Rodney Quiriconi (1933 in Chicago, lebt in Wisconsin) arbeitet in den 50er Jahren zunächst als Fotograf für die US Army. 1960 beginnt er ein Kunststudium in der School of the Art Institute of Chicago. Er lernt dort Jim Nutt und andere Künstler der "Chicago Imagists" kennen, in deren Kontext er später ausstellen wird. Auch Rodney Quiriconi nennt H.C. Westermann, in dessen Nachbarschaft er in Chicago lebt und mit dem er sich anfreundet, und Joseph Cornell als seine wichtigsten künstlerischen Einflüsse. Im Gegensatz zu den anderen Chicago Künstlern seiner Umgebung entwickelt Rodney Quiriconi aber ein vornehmlich minimalistisches Formenvokabular. Anfängliche collagierte, surreale Elemente seiner meist kleinformatigen Boxen wandeln sich bereits früh in fast ausschliesslich abstrakte räumliche Konstruktionen, für die er gefundene Materialien wie Zigarrenboxen überarbeitet, aber auch Edelhölzer, Spiegel und Metall.

Christina Ramberg (1946 -1995) lebt und arbeitet als Künstlerin seit den 60er Jahren in Chicago und gehört zu den "Chicago Imagists". Nach ihrem Kunststudium an der School of the Art Institute of Chicago findet ihre erste Ausstellung 1968 im Rahmen der Chicagoer Künstlergruppe "False Image" im Hyde Park Art Center, Chicago, statt. Ihre Bildfindungen, häufig merkwürdig objektifizierte Bondageszenen oder auch Frisuren und Kleidungsstücke, werden dominiert durch serielle Aufgliederungen, als lägen ihren Bildern Edward Muybridges frühe fotografische Bewegungsstudien zugrunde. Weniger sexuell als vielmehr ein Alphabet von Formen. John Corbett verweist in einem Essay über die Künstlerin darauf, dass in ihren Zeichnungen häufig Auflistungen von Begriffen und Namen zu finden sind. So notiert sie beispielsweise in einer Zeichnung unter anderem "...-Jim Nutt-political satire-...-Westermann's letters-...-Hairy Who Comic Books-Oldenburg-..."

Ron Nagle (1939) lebt und arbeitet als Künstler und Musiker in San Francisco. Bereits in den späten 50er Jahren begeistert er sich für die Keramikkunst der Westküste und wird 1961 Peter Voulkos Assistent. Bei Aufenthalten in Los Angeles besucht er die Ferus Gallery und nennt Giorgio Morandi, Josef Albers, Joseph Cornell, H.C. Westermann und Ken Price als wesentliche Einflüsse. Mit Ken Price verbindet Ron Nagle eine lebenslange Freundschaft. Obwohl Ron Nagle schon seit den frühen 60er Jahren in Überblicksausstellung zur Westküsten Keramikkunst vertreten war, wie beispielsweise der berühmten Ausstellung "Abstract Expressionist Ceramics" 1966 in der UC Art Gallery, Irvine und im San Francisco Museum, hat er erst Ende der 60er Jahre Einzelausstellungen. Ron Nagle entscheidet sich bereits sehr früh für sehr kleinformatige Arbeiten. Anfangs sind seine Formen noch an Gebrauchsgegenständen, wie Tassen und Gefäßen, orientiert, werden aber zunehmend freier. Besonders die Farbwirkung und Glasierung seiner Skulpturen perfektioniert Nagle mit den Jahren und die Arbeiten entfernen sich so von einem handgemachten Charakter und ihre Oberflächen erinnern mehr an aufwendige Autolackierungen oder die illusionistischen Sprühlackierungen der kalifornischen Surfkultur. Als Musiker veröffentlicht Ron Nagle unter dem Titel "Bad Rice" sein erstes Solo-Album 1970 bei Warner Brothers. Als Sounddesigner ist er an den Filmsoundtracks von "The Exorcist", "Sorcerer" und "Cat People" beteiligt. Wir zeigen 3 Skulpturen von Ron Nagle die er speziell für diese Ausstellung zusammen mit Vincent Fecteau ausgewählt hat.

 

Tags: Tomma Abts, Josef Albers, Joseph Cornell, Simon Denny, Marcel Duchamp, Max Ernst, Vincent Fecteau, K8 Hardy, Richard Hawkins, Giorgio Morandi, Ron Nagle, Jim Nutt, Ken Price, Christina Ramberg, Peter Voulkos