Daniel Buchholz

Cerith Wyn Evans

13 Mar - 25 Apr 2009

© Cerith Wyn Evans
“Audio Column (frequency shifting
paradigms in streaming audio)”, 2009
Audio spotlight system/amplifier
45,5 cm diameter

"Permit yourself..."
Installation view, Galerie Daniel Buchholz,
Elisenstarße 4-6, 2009
CERITH WYN EVANS
"Permit yourself..."

March 13th 2009 - April 25th 2009
Opening reception on Thursday, March 12, 7:00 - 9:00 pm

Permit yourself to drift from what you are reading at this very moment into another situation, another way of acting within the historical and psychic geographies in which the event of your own reading is here and now taking place; here, and now taking the place of other ways of making passionate and energetic connections between us. Imagine a situation that, in all likelihood, you’ve never been in.

13. März – 25. April 2009
Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag, dem 12. März, von 19 – 21 Uhr.


In seiner vierten Einzelausstellung in der Galerie Daniel Buchholz zeigt der in London lebende walisische Künstler Cerith Wyn Evans eine Installation neuer Arbeiten, die sich über beide Kölner Adressen der Galerie, Neven-DuMont-Straße und Elisenstraße, erstreckt. In der Elisenstraße wird eine Raum umfassende Neon-Text-Arbeit, ein Zitat des amerikanischen Dichters James Merrill, ein Auszug aus seinem Gedichtepos “The Changing Light at Sandover” von 1982, einer Soundinstallation mit Geräuschen aus dem All gegenübergestellt. Beschreibt der Text von James Merrill in poetischer Sprache das Betrachten eines Spiegels, oder das, was von der anderen Seite (aus dem Jenseits?) her von einem Sich-Spiegelnden zu erkennen wäre, so handelt es sich bei den Geräuschen der Soundinstallation um ein Internet Radio Programm des Kollektivs Radioqualia, das unter dem Titel “Radio Astronomie” live Geräusche aus dem All, wie sie über Satelliten aufgenommen werden, überträgt.
In der Neven-DuMont-Straße präsentiert der Künstler eine Serie perforierter Papierarbeiten, die Bezug nehmen auf das berühmte Werk “Un coup de dés jamais n'abolira le hasard” des symbolistischen Dichters Stéphane Mallarmé in einer Ausgabe des Gallimard Verlags aus dem Jahr 1912. Stéphane Mallarmé hatte bekannterweise die Literatur mit der exzentrischen all-over Platzierung der Worte dieses Gedichtes über die Seiten des Buches revolutioniert und die Buchseiten damit in einen ideellen Raum verwandelt. 1969 reagierte der belgische Konzeptkünstler Marcel Broodthaers auf dieses Werk und dessen Publikation in der selben Ausgabe und überdeckt dessen Zeilen mit schwarzen Balken. Hatte Marcel Broodthaers so die räumliche Setzung durch die Eliminierung der einzelnen Worte noch weiter in den Vordergrund gerückt und das ganze Werk damit in eine abstrakte Komposition verwandelt, so löst Cerith Wyn Evans nun die Balken aus den einzelnen Seiten dieses Buches heraus und macht jede Seite an sich zu durchsichtigen/durchscheinenden Objekten.
Cerith Wyn Evans stellt dem so modifizierten gesamten Gedicht Mallarmés eine Installation skulpturaler Arbeiten gegenüber, die dem japanischen Kunsthand werk entstammen. “Towards the representation of a community united by nothing” (2009) – eine Gruppe sogenannter Kokeshi Puppen, Holzfiguren die ursprünglich im Norden Japans hergestellt wurden und die traditionell in ihrer schematischen Abstraktheit Geister verstorbener Kinder repräsentieren, werden auf einem Spiegelsockel arrangiert, so dass keine dieser Figuren Blickkontakt zu einer anderen aufnimmt.
“Interlude” (2009) – eine Vase aus gebogenem/geformtem Bambusholz trägt ein Blumenbouquet. Die aufwendige Formung von Bambusholz verleiht der einfachen Form dieser japanischen Vase etwas repressives beinahe Bondage-haftes. Das Bouquet greift eines der Themen von Cerith Wyn Evans’ Ausstellung “The sky is thin as paper here...” (Galerie Daniel Buchholz, Köln 2004) auf: das japanische Ritual des Frühlingsanfangs.

Kein Wort über die Arbeit
Gibt es eine andere Art und Weise Erfahrungen zu erfahren, Sprache zu sprechen und Wissen zu wissen, als jene, die die Welt vorgibt? In seiner Kunst führt Cerith Wyn Evans einen spekulativen Diskurs über die Bedingungen und Potenziale der Veränderungen des Verhältnisses zur Erfahrung, zur Sprache nd zum Wissen. Seine installativen Arbeiten sind Schauplätze, an denen eine solche Veränderung stattfinden könnte. Jede Arbeit schafft ein Szenarium, das eine andere mögliche Einstellung zur Welt herausfordert. Diese Szenarien entwirft Cerith Wyn Evans mit Gesten, die Akte präzise durchdachter Willkür sind: der Entscheidung, bestimmte Objekte, Texte oder Bilder mit Bezug zu bestimmten historischen Personen, Ereignissen und Diskursen an einem Ort für eine Zeit zusammen auf die Bühne zu bringen und zu sehen, wie sie miteinander unter Einbeziehung eines Publikums reagieren. Statt von Szenarien könnte man auch von Zeremonien sprechen: Das Gefühl, sich auf eine Arbeit von Cerith Wyn Evans einzulassen, gleicht dem Gefühl, an einer Zeremonie teilzunehmen, deren Protokoll durch die Elemente und Rahmenbedingungen der Arbeit definiert ist, deren Ausgang aber offen bleibt. Von ihrem zeremoniellen Charakter her entspricht der Aufbau seiner Arbeiten in vielerlei Hinsicht der Struktur einer Séance: Der Ablauf der Séance ist durch Protokolle geregelt, formalisierte Techniken werden zur Anwendung gebracht, bestimmte Geister werden angerufen – nur ob diese Geister oder vielleicht andere an ihrer Stelle erscheinen und was sie mitzuteilen haben, lässt sich im Vorhinein nicht sagen. (...)*

*Jan Verwoert ‘At Night they talk to each other on the Radio’, in: Cerith Wyn Evans, Sternberg Press, 2004, p. 41/63 (extract)
 

Tags: Marcel Broodthaers, Cerith Wyn Evans