Eva Winkeler

Karl Orton, Matthias Meyer

31 Aug - 05 Oct 2007

Installation view - Karl Orton
Installation view - Matthias Meyer
Matthias Meyer - Dust and sugar drawings
Karl Orton - Chair
Matthias Meyer - Saved from fire (2)
Matthias Meyers Filme bauen auf die visuelle Kraft kinematografischer Bilder, die vertraut scheinen, selbst wenn das Narrative eliminiert worden ist, das Fragment für das Ganze steht und die Gewissheit sich verliert. „Ghost“ zeigt die berühmte Villa Malaparte im Golf von Neapel; ein Haus, das vor allem durch Jean-Luc Godards Film „Die Verachtung“ zu Berühmtheit gelangt ist. Matthias Meyer montiert jene Szenen aus Godards Film, die allein das rote Haus mit seiner eindrucksvollen Treppe porträtieren. Eine in Bildern verdichtete Atmosphäre stößt auf die Hermetik des Gebäudes, das, als Selbstporträt von Curzio Malaparte gebaut, selbst verwaist und derangiert, die Psyche seiner abwesenden Bewohner repräsentiert – non plus d’histoire(s) ...
Auch die von Meyer produzierte Schallplatte „The Whirl“ evoziert in wenigen Zitaten die komplexe Atmosphäre eines Textes, der seinerseits von Leerstellen lebt. Edgar Allen Poes „A Descent Into The Maelstrom“ („Sturz in den Malstrom“) kreist um einen Mann auf der Suche nach seiner Identität, dem geraten wird, in seinen wiederkehrenden Alpträumen den Schlüssel zu seinem verlorenen Gedächtnis zu suchen. Er flieht auf ein Schiff, auf der Suche nach einem neuen Leben, und gerät in seinen wahren Alptraum, den Malstrom, der alles, was ihm begegnet, in die Tiefe zieht. In Meyers Aufnahme zählt eine männliche Stimme die Dinge auf, die in den fatalen Strudel geraten sind: „the man ........ the boat ........ the trunk ........the pieces of house furniture ........ the barrel ........“. Wörter und Dinge wiederholen sich, bilden eine um sich selbst kreisende Aufzählung, die in der sich drehenden Schallplatte ihr unheimliches Echo findet, ein Loop, der ins Leere zielt.


Karl Orton hingegen beschäftigt sich mit lokalen Geschichten, die bestimmten Dingen imprägniert sind, ihrer symbolischen Aufladung und (populär-) kulturellen Bedeutung. Im Zentrum seiner Installation steht ein Designklassiker von Arne Jacobsen, der Stuhl 3107, in den sich die lokal differierenden Konnotationen des modernistischen Möbelstücks eingeschrieben haben. Der Stuhl von Jacobsen gilt in England als Symbol für den Profumo-Skandal um Christine Keeler, die 1963 auf einem berühmten Foto von Lewis Morley nackt auf einem Nachbau dieses Stuhls posiert. Der britische Skandalautor Joe Orton hat sich 1965 in gleicher Pose ebenfalls von Morley auf dem Stuhl ablichten lassen. In England trägt der Jacobsen-Klassiker deshalb auch den Namen „Orton Chair“. Karl Orton präsentiert einen originalen Stuhl, das Tagebuch von Joe Orton sowie eine Schriftzug mit dem Adjektiv „ortonesque“ – ein aus dem Namen des Dramatikers gebildeter Neologismus, der dessen aus dem eigenen Working Class Hintergrund entstandene anti-bourgeoise Dissidenz aus makabrem Witz zum Ausdruck bringt. Die Formwerdung einer geistigen Haltung ist hier ebenso angesprochen wie die Ikonisierung des als Gebrauchsgegenstand konzipierten Objekts, das eine dem Design so nie eingeschriebene gesellschaftspolitische Aufwertung erfährt. Auch eine suggestiv autobiografische Ebene spielt in die Konstellation der Objekte hinein: Sie sind, was sie sind, und doch aufgeladen mit der lokal-kulturell geprägten Historie ihres Gebrauchs und der Entfremdung von ihren eigentlichen Kontext.
 

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