Antje Hanebeck / Lucas Buschfeld
23 Oct - 05 Dec 2010
ANTJE HANEBECK / LUCAS BUSCHFELD
23. Oktober - 05. Dezember 2010
Die Ausstellung ausgewählter Werke von Antje Hanebeck und Lucas Buschfeld versteht sich als Dialog zweier verwandter Positionen der jüngeren Fotoszene. Beide Autoren arbeiten bevorzugt oder ausschließlich mit der Schwarz-Weiß-Fotografie und setzen eigene Strategien der Verfremdung ein, um verborgene und signifikante Strukturen unserer Lebensrealität zu markieren sowie der poetischen Essenz des Realen nachzuspüren und sie im Prozess einer grafisch orientierten Abstraktion zu veranschaulichen.
ANTJE HANEBECK
DOKUMENT UND VISION
Hanebeck fokussiert ihr künstlerisches Augenmerk bevorzugt auf die gebaute Umwelt: das Konstruktive, den mittels technisch-ingenieurwissenschaftlicher Leistungen wie architektonischer Visionen erschaffenen urbanen Lebensraum, den modernen Stadtkörper.
Aus- und Durchblicke auf charakteristische Details, einzelne markante Formelemente und zoomartig herausgelöste Strukturbezüge ausgesuchter Beispiele spektakulärer, international gefeierter Spitzenarchitektur stehen dabei gleichberechtigt neben Weitsichten auf größere architektonische Zusammenhänge und den stadträumlichen Kontext.
Das durch den Filter der (foto-)grafischen Verfremdung aufleuchtende urbane Umfeld zeigt sich hier vor allem von seiner technisch-strukturellen Seite. Straßenfluchten ohne wirkliche Aussicht; Ausblicke auf collagehaft ineinander getürmte Gerüste, Träger, im Prozess der Fertigung befindliche Rohelemente; monumentale Gebäudekomplexe und Schwindel erregend sich windende Konstruktionen, die sich verzahnen, verlaufen, ins Leere führen; Kühnheit und Kälte zur Schau stellende Gebilde mit futuristischem Elan, die piranesische Labyrinthe bilden und in denen sich die hypertroph verströmenden Liniennetze und Volumina ins Ortlose verlieren.
Ist Hanebecks projektbezogene Architekturfotografie von einem kritischen Impuls inspiriert? Wird hier eine aus den Fugen geratene Moderne vorgeführt, die vor allem eines tut: sich selbst in Szene setzen? Dieser Eindruck drängt sich zunächst auf und wird auch von der exaltierten Schönheit der Baukörper, ihrer Virtuosität und Formeleganz nicht neutralisiert. Eine gewisse Orientierungslosigkeit stellt sich angesichts dieser wundersamen, visionären Formenvielfalt ein; das Gefühl des Übermächtigen beschleicht den Betrachter insbesondere beim Anblick menschenleerer Räume, Fluren, Höfe.
Vom Menschen Gemachtes scheint wie von selbst weiter zu wuchern, entfaltet eine seltsam unkontrollierte Eigendynamik, losgelöst von den Vorgaben der Verhältnismäßigkeit und Funktionalität.
Die von Hanebeck eingesetzte „Low-Key“-Lichtführung zugunsten eines den Bildraum aufsaugenden, dominierenden Schwarz lässt die leer stehenden Architekturkörper zum Teil wie Filmkulissen eines Neo-Noir auftreten. Der Mensch, so er denn doch auftaucht, wirkt mitunter vereinzelt oder beiläufig inszeniert im ungeplanten Gewimmel, als Cluster. Unterkühlt betonierte Ambiente lassen anonyme Figuren zum Teil wie Fremdkörper an sich abgleiten; spärliches Restlicht gibt den Blick auf eine Menschengruppe frei, im Hintergrund erheben sich schemenhaft Betonpfeiler; die den Bildausschnitt beherrschende Dunkelheit wird im nächsten Augenblick die bereits zu Chiffren abstrahierten Figurenschatten ausblenden.
Neben Strategien der abstrahierenden Verfremdung und Isolierung, sowie der desorientierenden Lichtdramaturgie lässt sich in Hanebecks Werken noch ein weiterer Kunstgriff beobachten: ein im fototechnischen Herstellungsprozess produzierter Filtereffekt, der sich in Form eines Flimmerns, einer Art fleckenhaften All-Over über die Bildfläche legt und dem Betrachter den direkten „Zugang“ zum Geschehen verweigert. Die Szenerien Hanebecks tauchen dadurch noch einmal mehr in eine entrückte Atmosphäre ein, die rätselhaft und verschleiert wirken kann und das Konkrete, Reale an den Grenzen der Abstraktion aufzulösen wagt. Sonderbar traumhaft wirken solche Interieurs, Treppenfluchten, Gänge, Innenhöfe, deren spannungsvolle, melancholische Poesie den Betrachter in ihren Bann zieht.
Es sind solche geradezu malerischen Impressionen, in denen sich Hanebecks künstlerische Sensibilität und Ausdruckskraft offenbaren. Sie verleihen der in den Blick genommenen räumlichen Situation in all der spürbaren Verlassenheit eine poetische Intensität, eine Magie, die jenseits jeder dokumentarischen Schärfe und kritischen Bestandsaufnahme zum Tragen kommt und das Gesehene als geschaut attestiert. Die tiefe Schönheit und atmosphärische Dichte eines spezifischen Ortes wird nicht nur erahnt, sondern seine Identität geradezu aus der Taufe gehoben.
Somit stellt sich Hanebecks künstlerischer Ansatz als eine komplexe Form des Raum- Porträts dar. Worum geht es? Um das Dokument oder um die das Faktische auflösende Vision? Bei genauer Betrachtung scheint sich dieser scheinbare Gegensatz jedoch aufzulösen.
Immer wieder wird der Charakter einer architektonischen Idee anhand wesentlicher Details ins Blickfeld gerückt. Der die Bildmotive ins Surreale wendende Abstraktionsgrad stellt dies zunächst in den Hintergrund. Erst bei näherem Hinschauen eröffnet sich die Einsicht, dass es jenseits aller Phantastik um die Suche nach der ursprünglichen Essenz, dem eigentlichen Wesen des Bauprojekts geht.
Emblematisch wird diese Strategie in der Aufnahme des Nakagin Capsule Towers von Kisho Kurokawa vorgeführt. Eines der berühmtesten Werke des japanischen Metabolismus wird innerhalb einer scheinbar spielerischen Abstraktion zur malerischen Folie. Der ultramoderne Baukörper verwandelt sich in ein kinetisches Lichtobjekt. Doch gerade diese Entkoppelung vom rein Faktischen gibt den Blick frei auf das im architektonischen Konzept angelegte skulpturale Zusammenspiel frei schwebender Module und ihrer grafisch-minimalistischen Formensprache.
Die in dieser Art der visionären Schau erfolgende Interpretation definiert das architektonisch-räumliche Porträt neu: gleichsam als Röntgenbild inhärenter Strukturprinzipien. Dokument und Vision gelangen zur Einheit.
LUCAS BUSCHFELD
DAS STILLE EIGENLEBEN DER DINGE
Die Schwarz-Weiß-Arbeiten von Lucas Buschfeld scheinen zunächst in eine Richtung zu weisen, die den Werken Hanebecks nahe kommt. Der dort spürbare dynamische Elan der Bildaussage findet sich auch in seinem kompositorischen Ansatz wieder: Eine zum Monumentalen tendierende und Präsentationsformen des Neuen Sehens zitierende Bildstrategie isoliert einfache, klare Strukturen aus dem Realitätsbezug und lässt diese bevorzugt als bewegungsorientierte Diagonalen und steile Fluchten in Auf- und Untersicht in den Bildraum vorstoßen und von diesem Besitz ergreifen. Geometrische Grundfiguren bauen Spannungsfelder auf und markieren gleichzeitig eine in meist menschenleeren Szenerien spürbare kühle Distanz. Einige wenige Kompositionselemente dialogisieren innerhalb eines subtilen Berührungssystems aus feinen Linien, Strukturen und Mustern.
Doch wo Hanebeck uns in ein komplexes Vexierspiel entführt, konfrontiert uns Buschfeld mit an Härte grenzender Kargheit. Das Moment des Rätselhaft-Verschlüsselten resultiert nun nicht mehr aus der Komplexität der bildnerischen Konstruktion, sondern aus dem forcierten Einsatz kompositorischer Strategien wie Isolierung, Reduktion und Leere. Die ins Blickfeld gerückten Dinge scheinen auch hier ein seltsames Eigenleben zu führen. Weit entfernt allerdings von der unkontrollierten Hypertrophie der Architekturkulissen Hanebecks befinden sich Buschfelds vereinzelte Sujets an unspektakulären Orten und in Situationen, die von Anonymität und Abseitigkeit geprägt sind. Erst der selektive Fokus und der sensible Blick auf das Übersehene kehren dabei versteckte Bezüge und Kommunikationslinien des Realen hervor.
Gegen die Verführungskraft des Epischen setzt Buschfeld die Schlagkraft des Telegramms. Buschfelds künstlerisches Gespür wird an diesem Punkt spürbar. In der kompromisslosen Hinwendung zu einem lapidaren Erzählstil und zur Leere gelingt es ihm, die Gefahr der Monotonie abzuwenden. Seine Bilderfindungen sind spannungsgeladen und von geradezu hypnotischer Anziehungskraft. Zunächst belanglos erscheinende Fragmente unserer Lebenswirklichkeit erhalten eine ins Surreale gesteigerte Intensität des Ausdrucks.
Dem kontextuellen Gefüge und dem übergeordneten Strukturbezug entzogen, wird hier der Blick möglich auf Mikrostrukturen und Details und deren leise Interaktion mit dem Umraum. Vereinzelte Spuren wirken hier wie vom Menschen gesetzte Zeichen, die sich in noch unerschlossene Leerzonen einschreiben, Raum erschließen und prägen. Je nach Abstraktionsgrad wird ein genereller Natur- oder Realitätsbezug erkennbar oder ausgeklammert. Objekthaftes kann sich auflösen, Volumen können in schwer definierbaren Raumbezügen zu Flächenkompositionen mutieren. Das Natürliche droht mitunter einer klinischen Künstlichkeit zu weichen, die die Frage nach Abbild und Konstruktion immer wieder neu stellt. Materielles wird entweder in der groben Textur des Lithprint-Fotoabzuges akzentuiert oder bisweilen im überspitzten Hell-Dunkel-Kontrast unterschlagen.
Aus diesem changierenden Umgang mit der Darstellung und Inszenierung von Realität scheint die Gestalt des Menschen ausgeklammert. Dennoch lassen viele von Buschfelds Aufnahmen dessen Präsenz erahnen. Der Blick auf das Gemachte, Konstruierte, den urbanen Kontext, lässt die lakonischen Orte als Leerstellen stehen, welche Abwesenheit signalisieren: Im nächsten Moment werden diese wieder besetzt sein. Es entsteht eine bühnenhafte Spannung der Erwartung, des Temporären.
Die geheimnisvolle Stille dieser kraftvollen wie subtilen Fotografia metafisica ist nur bedingt mit derjenigen ähnlicher Werke Hanebecks vergleichbar. Die bei beiden Autoren zu beobachtenden Abstraktions- und Verfremdungseffekte lassen ihre Arbeiten trotz vielfacher Berührungspunkte eher auseinanderdriften.
Zu kristallklar, hart und präzise kalkuliert erscheinen Buschfelds Werke gegenüber den traumhaft-phantastischen Interpretationen Hanebecks. Ihrer Suche nach dem poetischen Geist der Untersuchungsobjekte setzt Buschfeld seine Analyse verborgener Strukturbezüge entgegen, das Ausloten einer stummen Grauzone zwischen Abbild und Bild.
Zwei verwandte, originäre Charaktere sind hier eigenen Bahnen folgend auf der Suche nach einem Prinzip, dem Essentiellen unserer Erscheinungswelt und der Herausforderung seiner konsequenten bildnerischen Artikulation.
23. Oktober - 05. Dezember 2010
Die Ausstellung ausgewählter Werke von Antje Hanebeck und Lucas Buschfeld versteht sich als Dialog zweier verwandter Positionen der jüngeren Fotoszene. Beide Autoren arbeiten bevorzugt oder ausschließlich mit der Schwarz-Weiß-Fotografie und setzen eigene Strategien der Verfremdung ein, um verborgene und signifikante Strukturen unserer Lebensrealität zu markieren sowie der poetischen Essenz des Realen nachzuspüren und sie im Prozess einer grafisch orientierten Abstraktion zu veranschaulichen.
ANTJE HANEBECK
DOKUMENT UND VISION
Hanebeck fokussiert ihr künstlerisches Augenmerk bevorzugt auf die gebaute Umwelt: das Konstruktive, den mittels technisch-ingenieurwissenschaftlicher Leistungen wie architektonischer Visionen erschaffenen urbanen Lebensraum, den modernen Stadtkörper.
Aus- und Durchblicke auf charakteristische Details, einzelne markante Formelemente und zoomartig herausgelöste Strukturbezüge ausgesuchter Beispiele spektakulärer, international gefeierter Spitzenarchitektur stehen dabei gleichberechtigt neben Weitsichten auf größere architektonische Zusammenhänge und den stadträumlichen Kontext.
Das durch den Filter der (foto-)grafischen Verfremdung aufleuchtende urbane Umfeld zeigt sich hier vor allem von seiner technisch-strukturellen Seite. Straßenfluchten ohne wirkliche Aussicht; Ausblicke auf collagehaft ineinander getürmte Gerüste, Träger, im Prozess der Fertigung befindliche Rohelemente; monumentale Gebäudekomplexe und Schwindel erregend sich windende Konstruktionen, die sich verzahnen, verlaufen, ins Leere führen; Kühnheit und Kälte zur Schau stellende Gebilde mit futuristischem Elan, die piranesische Labyrinthe bilden und in denen sich die hypertroph verströmenden Liniennetze und Volumina ins Ortlose verlieren.
Ist Hanebecks projektbezogene Architekturfotografie von einem kritischen Impuls inspiriert? Wird hier eine aus den Fugen geratene Moderne vorgeführt, die vor allem eines tut: sich selbst in Szene setzen? Dieser Eindruck drängt sich zunächst auf und wird auch von der exaltierten Schönheit der Baukörper, ihrer Virtuosität und Formeleganz nicht neutralisiert. Eine gewisse Orientierungslosigkeit stellt sich angesichts dieser wundersamen, visionären Formenvielfalt ein; das Gefühl des Übermächtigen beschleicht den Betrachter insbesondere beim Anblick menschenleerer Räume, Fluren, Höfe.
Vom Menschen Gemachtes scheint wie von selbst weiter zu wuchern, entfaltet eine seltsam unkontrollierte Eigendynamik, losgelöst von den Vorgaben der Verhältnismäßigkeit und Funktionalität.
Die von Hanebeck eingesetzte „Low-Key“-Lichtführung zugunsten eines den Bildraum aufsaugenden, dominierenden Schwarz lässt die leer stehenden Architekturkörper zum Teil wie Filmkulissen eines Neo-Noir auftreten. Der Mensch, so er denn doch auftaucht, wirkt mitunter vereinzelt oder beiläufig inszeniert im ungeplanten Gewimmel, als Cluster. Unterkühlt betonierte Ambiente lassen anonyme Figuren zum Teil wie Fremdkörper an sich abgleiten; spärliches Restlicht gibt den Blick auf eine Menschengruppe frei, im Hintergrund erheben sich schemenhaft Betonpfeiler; die den Bildausschnitt beherrschende Dunkelheit wird im nächsten Augenblick die bereits zu Chiffren abstrahierten Figurenschatten ausblenden.
Neben Strategien der abstrahierenden Verfremdung und Isolierung, sowie der desorientierenden Lichtdramaturgie lässt sich in Hanebecks Werken noch ein weiterer Kunstgriff beobachten: ein im fototechnischen Herstellungsprozess produzierter Filtereffekt, der sich in Form eines Flimmerns, einer Art fleckenhaften All-Over über die Bildfläche legt und dem Betrachter den direkten „Zugang“ zum Geschehen verweigert. Die Szenerien Hanebecks tauchen dadurch noch einmal mehr in eine entrückte Atmosphäre ein, die rätselhaft und verschleiert wirken kann und das Konkrete, Reale an den Grenzen der Abstraktion aufzulösen wagt. Sonderbar traumhaft wirken solche Interieurs, Treppenfluchten, Gänge, Innenhöfe, deren spannungsvolle, melancholische Poesie den Betrachter in ihren Bann zieht.
Es sind solche geradezu malerischen Impressionen, in denen sich Hanebecks künstlerische Sensibilität und Ausdruckskraft offenbaren. Sie verleihen der in den Blick genommenen räumlichen Situation in all der spürbaren Verlassenheit eine poetische Intensität, eine Magie, die jenseits jeder dokumentarischen Schärfe und kritischen Bestandsaufnahme zum Tragen kommt und das Gesehene als geschaut attestiert. Die tiefe Schönheit und atmosphärische Dichte eines spezifischen Ortes wird nicht nur erahnt, sondern seine Identität geradezu aus der Taufe gehoben.
Somit stellt sich Hanebecks künstlerischer Ansatz als eine komplexe Form des Raum- Porträts dar. Worum geht es? Um das Dokument oder um die das Faktische auflösende Vision? Bei genauer Betrachtung scheint sich dieser scheinbare Gegensatz jedoch aufzulösen.
Immer wieder wird der Charakter einer architektonischen Idee anhand wesentlicher Details ins Blickfeld gerückt. Der die Bildmotive ins Surreale wendende Abstraktionsgrad stellt dies zunächst in den Hintergrund. Erst bei näherem Hinschauen eröffnet sich die Einsicht, dass es jenseits aller Phantastik um die Suche nach der ursprünglichen Essenz, dem eigentlichen Wesen des Bauprojekts geht.
Emblematisch wird diese Strategie in der Aufnahme des Nakagin Capsule Towers von Kisho Kurokawa vorgeführt. Eines der berühmtesten Werke des japanischen Metabolismus wird innerhalb einer scheinbar spielerischen Abstraktion zur malerischen Folie. Der ultramoderne Baukörper verwandelt sich in ein kinetisches Lichtobjekt. Doch gerade diese Entkoppelung vom rein Faktischen gibt den Blick frei auf das im architektonischen Konzept angelegte skulpturale Zusammenspiel frei schwebender Module und ihrer grafisch-minimalistischen Formensprache.
Die in dieser Art der visionären Schau erfolgende Interpretation definiert das architektonisch-räumliche Porträt neu: gleichsam als Röntgenbild inhärenter Strukturprinzipien. Dokument und Vision gelangen zur Einheit.
LUCAS BUSCHFELD
DAS STILLE EIGENLEBEN DER DINGE
Die Schwarz-Weiß-Arbeiten von Lucas Buschfeld scheinen zunächst in eine Richtung zu weisen, die den Werken Hanebecks nahe kommt. Der dort spürbare dynamische Elan der Bildaussage findet sich auch in seinem kompositorischen Ansatz wieder: Eine zum Monumentalen tendierende und Präsentationsformen des Neuen Sehens zitierende Bildstrategie isoliert einfache, klare Strukturen aus dem Realitätsbezug und lässt diese bevorzugt als bewegungsorientierte Diagonalen und steile Fluchten in Auf- und Untersicht in den Bildraum vorstoßen und von diesem Besitz ergreifen. Geometrische Grundfiguren bauen Spannungsfelder auf und markieren gleichzeitig eine in meist menschenleeren Szenerien spürbare kühle Distanz. Einige wenige Kompositionselemente dialogisieren innerhalb eines subtilen Berührungssystems aus feinen Linien, Strukturen und Mustern.
Doch wo Hanebeck uns in ein komplexes Vexierspiel entführt, konfrontiert uns Buschfeld mit an Härte grenzender Kargheit. Das Moment des Rätselhaft-Verschlüsselten resultiert nun nicht mehr aus der Komplexität der bildnerischen Konstruktion, sondern aus dem forcierten Einsatz kompositorischer Strategien wie Isolierung, Reduktion und Leere. Die ins Blickfeld gerückten Dinge scheinen auch hier ein seltsames Eigenleben zu führen. Weit entfernt allerdings von der unkontrollierten Hypertrophie der Architekturkulissen Hanebecks befinden sich Buschfelds vereinzelte Sujets an unspektakulären Orten und in Situationen, die von Anonymität und Abseitigkeit geprägt sind. Erst der selektive Fokus und der sensible Blick auf das Übersehene kehren dabei versteckte Bezüge und Kommunikationslinien des Realen hervor.
Gegen die Verführungskraft des Epischen setzt Buschfeld die Schlagkraft des Telegramms. Buschfelds künstlerisches Gespür wird an diesem Punkt spürbar. In der kompromisslosen Hinwendung zu einem lapidaren Erzählstil und zur Leere gelingt es ihm, die Gefahr der Monotonie abzuwenden. Seine Bilderfindungen sind spannungsgeladen und von geradezu hypnotischer Anziehungskraft. Zunächst belanglos erscheinende Fragmente unserer Lebenswirklichkeit erhalten eine ins Surreale gesteigerte Intensität des Ausdrucks.
Dem kontextuellen Gefüge und dem übergeordneten Strukturbezug entzogen, wird hier der Blick möglich auf Mikrostrukturen und Details und deren leise Interaktion mit dem Umraum. Vereinzelte Spuren wirken hier wie vom Menschen gesetzte Zeichen, die sich in noch unerschlossene Leerzonen einschreiben, Raum erschließen und prägen. Je nach Abstraktionsgrad wird ein genereller Natur- oder Realitätsbezug erkennbar oder ausgeklammert. Objekthaftes kann sich auflösen, Volumen können in schwer definierbaren Raumbezügen zu Flächenkompositionen mutieren. Das Natürliche droht mitunter einer klinischen Künstlichkeit zu weichen, die die Frage nach Abbild und Konstruktion immer wieder neu stellt. Materielles wird entweder in der groben Textur des Lithprint-Fotoabzuges akzentuiert oder bisweilen im überspitzten Hell-Dunkel-Kontrast unterschlagen.
Aus diesem changierenden Umgang mit der Darstellung und Inszenierung von Realität scheint die Gestalt des Menschen ausgeklammert. Dennoch lassen viele von Buschfelds Aufnahmen dessen Präsenz erahnen. Der Blick auf das Gemachte, Konstruierte, den urbanen Kontext, lässt die lakonischen Orte als Leerstellen stehen, welche Abwesenheit signalisieren: Im nächsten Moment werden diese wieder besetzt sein. Es entsteht eine bühnenhafte Spannung der Erwartung, des Temporären.
Die geheimnisvolle Stille dieser kraftvollen wie subtilen Fotografia metafisica ist nur bedingt mit derjenigen ähnlicher Werke Hanebecks vergleichbar. Die bei beiden Autoren zu beobachtenden Abstraktions- und Verfremdungseffekte lassen ihre Arbeiten trotz vielfacher Berührungspunkte eher auseinanderdriften.
Zu kristallklar, hart und präzise kalkuliert erscheinen Buschfelds Werke gegenüber den traumhaft-phantastischen Interpretationen Hanebecks. Ihrer Suche nach dem poetischen Geist der Untersuchungsobjekte setzt Buschfeld seine Analyse verborgener Strukturbezüge entgegen, das Ausloten einer stummen Grauzone zwischen Abbild und Bild.
Zwei verwandte, originäre Charaktere sind hier eigenen Bahnen folgend auf der Suche nach einem Prinzip, dem Essentiellen unserer Erscheinungswelt und der Herausforderung seiner konsequenten bildnerischen Artikulation.