Photographers in Conflict
07 Jun - 12 Jul 2009
PHOTOGRAPHERS IN CONFLICT
7.Juni - 12. Juli 2009
Eröffnung: 6. Juni 2009, 16.00 Uhr
In ihrer konzeptuell angelegten Arbeit „Photographers in Conflict“ befragen die beiden Künstler Gian-Reto Gredig und Goran Galić diejenigen Protagonisten, deren Bilder aus Konflikt- und Katastrophengebieten täglich um die Welt gehen. Um das asymmetrische (Macht-)Verhältnis zwischen Bildproduzent und Abgebildetem der Analyse zu unterziehen, wurden die Fotojournalisten im Stile aristokratischer Porträtdarstellungen von Machthabern in Szene gesetzt und fotografiert sowie nach einem festgelegten Fragenkatalog vor der Kamera interviewt. Galić und Gredig untersuchen mit dieser 2006 während des Fotojournalismus-Festivals „Visa pour l’Image“ in Perpignan entstandenen Arbeit das Problem der Wirklichkeitskonstruktion mithilfe von Fotografie und Video.
„Das Festival ‚Visa pour l’Image’ gleicht mehr einem Spektakel denn einer kritischen Auseinan-dersetzung mit der Wirklichkeit, die es mit den ausgestellten Fotografien zu beschreiben versucht. Neben den zumeist in sakralen Gebäuden ausgestellten Fotoreportagen findet auch eine allabendliche Projektion im Campo Santo (sic!) statt – ein Jahresrückblick auf die Großereignisse und ausgewählte Reportagen auf einer riesigen Leinwand, untermalt mit pathetischer Musik und vom Publikum mit Applaus bedacht, welches den Fotografen dafür Beifall spendet, das Leiden anderer bezeugt zu haben. Agenturen treffen auf Fotografen und tauschen sich untereinander aus, und eine eigene Podiumsreihe fragte nach der Zukunft des Fotojournalismus.
Uns interessierte es, im Rahmen des Festivals die Leute, die die „stories“ in den Konflikt- und Katastrophenregionen „covern“, vor die Kamera zu bringen. Die asymmetrische (Macht)-Beziehung zwischen Bildproduzent und Abgebildeten sollte für einmal umgekehrt werden. Wo stehen die Fotojournalisten heute mit ihrem Versuch, die Wirklichkeit zu beschreiben? Sind sie an einem Punkt angelangt, an dem ihre Behauptung ad absurdum geführt wird, die Welt mit fotografischen Mitteln ausreichend beschreiben oder gar durch ihre Arbeit verändern zu können? Gehört diese Gilde von Fotografen bald der Vergangenheit an – eine einst privilegierte Kaste, die in die Welt hinausreiste, um Bilder nach Hause zu bringen, welche aber letztlich nur noch das Leid anderer bezeugen und nichts mehr? In diesem Sinne beabsichtigte Goran, die Pressefotografen fotografisch in einem Licht zu erfassen, das an klassische Gemälde von Adligen gemahnt. Er stellt mit seinen Portraits die Frage nach der „Krise des Fotojournalismus“ die in Perpignan immer wieder zu vernehmen war.
Die Videointerviews von Gian-Reto mit den Fotografen lassen die Weltgeschichte der letzten Jahre Revue passieren und lassen erfahren, welche Deutungsmacht die Fotografen und ihre Agenturen über diese Ereignisse haben. Mit der breiten Veröffentlichung von „privaten“ Handyfotos von Opfern/Augenzeugen vom Tsunami und den Bombenanschlägen in London wird aber gerade deutlich, welche Macht sie nun auch zu verlieren haben.“
Goran Galić und Gian-Reto Gredig
Goran Galić (*1977) studierte Fotografie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich, Gian-Reto Gredig (*1976) studierte Ethnologie an der Universität Zürich; beide leben und arbeiten in Zürich.
„(...) die wahren helden der medienwelt
Die Fotoreporter haben vor laufender Kamera standardisierte Fragen beantwortet. Der besseren Vergleichbarkeit halber sind sie Stichworten zugeordnet wie «Publish or Perish», «The Man on the Street», «Cameras down», «Hours in the Darkroom». Damit sind zentrale Themen angesprochen, die mit der beruflichen Identität und Selbstreflexion der Reporter zu tun haben: Wie stark etwa geht man Kompromisse ein, um als «Lieferant», wie einer der Fotografen seine Tätigkeit betont distanziert nennt, die Abnehmer – Agenturen oder Bildredaktoren – zu befriedigen? Wie stark wird man manipuliert – von Regierungen, aber auch von Auftraggebern?
«Wir werden letztlich alle manipuliert», meint Bruno Stevens lakonisch dazu. Welche Rolle spielt der «Bürgerjournalismus», die Tatsache, dass wichtige oder die ersten Bilder von Ereignissen immer häufiger von Laien mit Handys oder Digitalkameras gemacht werden – siehe Abu Ghraib, siehe die Londoner Attentate?
Psychogramme eines Berufsstandes (...)
Der Fragenkatalog ist spürbar in Auseinandersetzung mit den wichtigen Diskussionsbeiträgen der letzten Jahre – Susan Sontags Essays zum Thema oder Christian Freis viel beachtetem Film «War Photographer» über James Nachtwey – entstanden. Die sechs rund halbstündigen Videos sind nicht nur auf der Ebene der direkten Antworten höchst spannend. Mit der Zeit ergibt sich das Psychogramm eines Berufsstandes. So fällt auf, dass Schlüsselbegriffe wie «Respekt», «Verantwortung», «Mission», «Ethos» immer wieder fallen; dies im Gegensatz zu der Tatsache, dass es sich um ein Business mit knallharten Spielregeln handelt.“
Aus: Sie schaffen das kollektive Bildarchiv unserer Epoche
Barbara Basting, Tages-Anzeiger, 21.7.2007
7.Juni - 12. Juli 2009
Eröffnung: 6. Juni 2009, 16.00 Uhr
In ihrer konzeptuell angelegten Arbeit „Photographers in Conflict“ befragen die beiden Künstler Gian-Reto Gredig und Goran Galić diejenigen Protagonisten, deren Bilder aus Konflikt- und Katastrophengebieten täglich um die Welt gehen. Um das asymmetrische (Macht-)Verhältnis zwischen Bildproduzent und Abgebildetem der Analyse zu unterziehen, wurden die Fotojournalisten im Stile aristokratischer Porträtdarstellungen von Machthabern in Szene gesetzt und fotografiert sowie nach einem festgelegten Fragenkatalog vor der Kamera interviewt. Galić und Gredig untersuchen mit dieser 2006 während des Fotojournalismus-Festivals „Visa pour l’Image“ in Perpignan entstandenen Arbeit das Problem der Wirklichkeitskonstruktion mithilfe von Fotografie und Video.
„Das Festival ‚Visa pour l’Image’ gleicht mehr einem Spektakel denn einer kritischen Auseinan-dersetzung mit der Wirklichkeit, die es mit den ausgestellten Fotografien zu beschreiben versucht. Neben den zumeist in sakralen Gebäuden ausgestellten Fotoreportagen findet auch eine allabendliche Projektion im Campo Santo (sic!) statt – ein Jahresrückblick auf die Großereignisse und ausgewählte Reportagen auf einer riesigen Leinwand, untermalt mit pathetischer Musik und vom Publikum mit Applaus bedacht, welches den Fotografen dafür Beifall spendet, das Leiden anderer bezeugt zu haben. Agenturen treffen auf Fotografen und tauschen sich untereinander aus, und eine eigene Podiumsreihe fragte nach der Zukunft des Fotojournalismus.
Uns interessierte es, im Rahmen des Festivals die Leute, die die „stories“ in den Konflikt- und Katastrophenregionen „covern“, vor die Kamera zu bringen. Die asymmetrische (Macht)-Beziehung zwischen Bildproduzent und Abgebildeten sollte für einmal umgekehrt werden. Wo stehen die Fotojournalisten heute mit ihrem Versuch, die Wirklichkeit zu beschreiben? Sind sie an einem Punkt angelangt, an dem ihre Behauptung ad absurdum geführt wird, die Welt mit fotografischen Mitteln ausreichend beschreiben oder gar durch ihre Arbeit verändern zu können? Gehört diese Gilde von Fotografen bald der Vergangenheit an – eine einst privilegierte Kaste, die in die Welt hinausreiste, um Bilder nach Hause zu bringen, welche aber letztlich nur noch das Leid anderer bezeugen und nichts mehr? In diesem Sinne beabsichtigte Goran, die Pressefotografen fotografisch in einem Licht zu erfassen, das an klassische Gemälde von Adligen gemahnt. Er stellt mit seinen Portraits die Frage nach der „Krise des Fotojournalismus“ die in Perpignan immer wieder zu vernehmen war.
Die Videointerviews von Gian-Reto mit den Fotografen lassen die Weltgeschichte der letzten Jahre Revue passieren und lassen erfahren, welche Deutungsmacht die Fotografen und ihre Agenturen über diese Ereignisse haben. Mit der breiten Veröffentlichung von „privaten“ Handyfotos von Opfern/Augenzeugen vom Tsunami und den Bombenanschlägen in London wird aber gerade deutlich, welche Macht sie nun auch zu verlieren haben.“
Goran Galić und Gian-Reto Gredig
Goran Galić (*1977) studierte Fotografie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich, Gian-Reto Gredig (*1976) studierte Ethnologie an der Universität Zürich; beide leben und arbeiten in Zürich.
„(...) die wahren helden der medienwelt
Die Fotoreporter haben vor laufender Kamera standardisierte Fragen beantwortet. Der besseren Vergleichbarkeit halber sind sie Stichworten zugeordnet wie «Publish or Perish», «The Man on the Street», «Cameras down», «Hours in the Darkroom». Damit sind zentrale Themen angesprochen, die mit der beruflichen Identität und Selbstreflexion der Reporter zu tun haben: Wie stark etwa geht man Kompromisse ein, um als «Lieferant», wie einer der Fotografen seine Tätigkeit betont distanziert nennt, die Abnehmer – Agenturen oder Bildredaktoren – zu befriedigen? Wie stark wird man manipuliert – von Regierungen, aber auch von Auftraggebern?
«Wir werden letztlich alle manipuliert», meint Bruno Stevens lakonisch dazu. Welche Rolle spielt der «Bürgerjournalismus», die Tatsache, dass wichtige oder die ersten Bilder von Ereignissen immer häufiger von Laien mit Handys oder Digitalkameras gemacht werden – siehe Abu Ghraib, siehe die Londoner Attentate?
Psychogramme eines Berufsstandes (...)
Der Fragenkatalog ist spürbar in Auseinandersetzung mit den wichtigen Diskussionsbeiträgen der letzten Jahre – Susan Sontags Essays zum Thema oder Christian Freis viel beachtetem Film «War Photographer» über James Nachtwey – entstanden. Die sechs rund halbstündigen Videos sind nicht nur auf der Ebene der direkten Antworten höchst spannend. Mit der Zeit ergibt sich das Psychogramm eines Berufsstandes. So fällt auf, dass Schlüsselbegriffe wie «Respekt», «Verantwortung», «Mission», «Ethos» immer wieder fallen; dies im Gegensatz zu der Tatsache, dass es sich um ein Business mit knallharten Spielregeln handelt.“
Aus: Sie schaffen das kollektive Bildarchiv unserer Epoche
Barbara Basting, Tages-Anzeiger, 21.7.2007