Freymond-Guth

Loredana Sperini

22 Nov - 22 Dec 2007

© Loredana Sperini
"untitled", 2007
wax, branches, mirror
ca. 280 x 280 x 110cm
LOREDANA SPERINI
'tutto a posto'

Das Werk der in Zürich lebenden Künstlerin Loredana Sperini (*1970) zeichnet sich seit jeher durch ihre seltene Langsamkeit und erzählerische Entrücktheit aus und, in einer Hochgeschwindigkeitsgesellschaft der massentauglichen Konsumprodukte rar gewordene, ephemere Kostbarkeit. Bekannt wurde Sperini vor allem mit ihren Zeichnungen, die sie in stundenlanger Handarbeit zu feingliedrigen Stickereien verarbeitete. Minutiös auf hauchdünne Stoffe appliziert, schienen Körper und Seelen in einander zu verschmelzen, Umrisse und Gliedmassen verloren sich in einer Bewegung, die vielmehr einem geistigen Zustand als einer physischen Begebenheit glich.
Wie schon diese diffus- brutalen Erzählungen so gar nicht dem Bild ihrem lieblichhandwerklichen Medium voller traditioneller Konnotationen entsprachen, so hat sich die Künstlerin auch nie darauf, oder gar dem enormen Interesse an ihren Stickereien, beschränken lassen. Sondern hat die Formsprache ihrer Zeichnungen als auch deren mediale Umsetzungen immer weiter entwickelt.
Loredana Sperinis Wachsreliefmalereien, welche in verschiedenen Ausstellungen der letzten zwei Jahre zu sehen waren, erkundeten bereits ihr Interesse, die Zeichnung als solches weiter aus ihrer zweidimensionalen Beschränkung zu lösen. Figuren, Körper und deren Umwelten hoben sich von ihrem Untergrund ab, verstärkt durch die unberechenbaren Eigenschaften des flüssigen Wachses. Sperinis Arbeiten wurden dichter und aggressiver, vermehrt griffen geometrische Formen und dichte Flächen in die auratischen Protagonist-/innen ihrer Werke ein, welche selbst teilweise nur noch als verwirrende Kompositionen von Köpfen und Gliedmassen erkennbar waren.
Die Einzelausstellung bei Freymond-Guth & Co. zeigt nun nebst diesen bekannten Medien der Stickerei, Wachsreliefmalerei und Zeichnung einige bisher weniger bekannte Werkgruppen, sowie eine Serie von Arbeiten die spezifisch auf diese Ausstellung hin entwickelt wurden.
Bereits im Sommer 2007 waren im Kunstraum La Rada in Locarno sowie an der Liste in Basel raumgrosse Spiegelarbeiten von Loredana Sperini zu sehen. Dass vielleicht vordergründig kühl, und aufgrund seiner industriellen Herstellung für Sperini untypisch anmutende Material, entpuppt sich dabei als erstaunliche Möglichkeit die gezeichneten Geschichten weiter im Raum aufzulösen. Während bei ihren anderen Arbeiten, die Betrachtenden stets ausserhalb der erzählten Geschichten standen, finden sie sich nun als zerstückeltes, verzerrtes Spiegelbild ihrer selbst in der Zeichnung wieder, während dem der Raum um sie herum in Einzelteile zu zerfallen scheint.
Einigen wenigen werden auch die Porzellan Arbeiten von Loredana Sperini ein Begriff sein. Die kleinen Skulpturen sind aus zerbrochenen Nippes geschaffen, und erstmals während ihrem Atelier Stipendium der Landis & Gyr Stiftung im Berlin entstanden. Im weitesten Sinne Scherben, stammen sie von „Trümmerbergen“ ausserhalb Berlins, wo nach dem Zweiten Weltkrieg die Unmengen von Bombentrümmern entsorgt wurden. Bis heute gehen Leute dort nach Wertvollem wie etwa Silber oder Schmuck graben. Mit dieser Werkgruppe gelingt Sperini nicht nur eine bemerkenswerte Loslösung von ihren Zeichnungen hin zur Skulptur, sondern sie spannt einen Bogen zwischen abstrahierten Inhalten ihrer Arbeit und der Verwendung eines nicht zuletzt historisch aufgeladenen Materials. Köpfe und Gliedmassen sind in einander verwachsen, manche Gesichter beinahe unerkenntlich, während andere in ihren Gesichtsausdrücken und Farben Zeugen einer längst untergegangenen Welt sind. Mancherorts scheinen sie verbrannt, oder notdürftig zusammen geflickt, aus Kinderund Mädchenköpfen wachsen feine Gliedmassen hervor, deren Arme ins Leere greifen.
Abgetrennte Gliedmassen finden sich als formales Element auch in den neusten skulpturalen Arbeiten von Loredana Sperini wieder. In Wachs gegossene Anordnungen von losen Armen und Händen, in einer Bewegung erstarrt- sind sie menschlich und nicht von dieser Welt zugleich. Während manche Arbeiten wie Moorleichen im Unterholz aus einem Dickicht von ebenfalls mit Wachs bearbeiteten Ästen wachsen, scheinen andere von seltsamen Pilzen befallen: die sich auf den zweiten Blick als dichte Ansammlungen einzelner Schmetterlingsflügel erweisen. Die Hand, deren zerbrechliche Finger sich nach etwas Unerreichbarem auszustrecken scheinen, wundersam verfärbt und losgelöst vom Körper, bleibt in ihrer Geste gefangen.
Es sind die vielleicht bisher morbidesten Arbeiten der eigensinnigen Künstlerin, und zeugen von Sperinis über die Jahre stets unnachgiebig weiter entwickelten Balanceakt zwischen Grauen und Schönheit, Beklemmnis und Vergeistigung, zwischen menschlichem Verlust und geistiger Verbundenheit. Sie beherrscht es Heute, diversen Medien in nicht weniger unterschiedlichen geprägter Abstraktion ihre Geschichten erzählen zu lassen, souverän verschiedene Nuancen zu betonen, ohne sie jemals zur enträtseln, im Gegenteil: immer wieder aufs Neue eine verborgene Türe in ihrem Schaffen zu öffnen.
 

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