Galerie b2

DER RÜCKEN DER DIRIGENTIN Marion Porten

22 Oct - 19 Nov 2011

Eröffnung Freitag 21.10.2011, 19:30 Uhr






Installation mit 2 Videoprojektionen und 9 Zeichnungen





DER RÜCKEN DER DIRIGENTIN
Video1: Monica Buckland / HDV / 16:9 / Farbe/Ton / 06:50 Min.

„Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht, als die Tätigkeit des Dirigenten.“1

„Ich habe beim Dirigieren eine aufrechte Haltung. In einer Probe während meines Studiums wurde ich von meinem Professor darauf hingewiesen, dass bei meiner Körperstellung mein Busen so hervortreten würde. Ich sollte doch versuchen, eine etwas gebeugtere Haltung einzunehmen.“2

“Von dem Dirigierenden verlangt man Führungsqualitäten, Autorität und neben überragender Musikalität auch die Fähigkeit, formale Zusammenhänge großen Ausmaßes geistig zu bewältigen. Dem Dirigenten, der mit leeren Händen gestaltet, haftet etwas Unkörperliches, Abstrakt-Geistiges an. Diese Eigenschaften sprach man der Frau lange Zeit ab.”3

Die Dirigentin Monica Buckland probt mit dem Universitätsorchester Dresden Le Corsaire von Hector Berlioz. Die sechsminütige Einstellung zeigt die Dirigentin von vorne, die Kamera befindet sich auf Augenhöhe. Im Hintergrund sieht man die Bestuhlung eines Auditoriums mit abgelegten Sachen der Musiker_innen. Das Mikrophon steht dicht bei Monica Buckland, ihre stimmlichen und sprachlichen Äußerungen sind deutlich neben der Musik zu hören.

1 Norman Lebrecht, Der Mythos vom Maestro, 1991
2 Aussage einer Dirigierstudierenden während eines Interviews, Wien, 2011
3 Eva Rieger, Frau, Musik und Männerherrschaft, 1981





DER RÜCKEN DER DIRIGENTIN
Video2: Maria José Villamil-Rodriguez / HDV / 16:9 / Farbe/Ton / 09:43 Min.

„Der Stolz des Stehenden ist, dass er frei ist und sich an nichts lehnt.“

Basis jedes Dirigierens ist die Taktgebung. Dafür steht ein Zeichen-Repertoire bestehend aus einzelnen Schlagfiguren zur Verfügung. Die relativ einfach erlernbaren Taktiertechniken stellen Codes dar, die von den Musiker_innen gelesen und interpretiert werden können. Im Film fährt die Hand der Dirigier-Studentin Maria José Villamil-Rodriguez mit den Fingern die gezeichneten Linien der Schlagfiguren ab. Sie erläutert und kommentiert dabei die Taktiertechniken. Sie bemängelt die veralteten Darstellungen und korrigiert sie, indem sie diese selbst überzeichnet. Dazwischen werden Gesten für Auftakt, Schluss, Phrasierung, Crescendo, etc. vorgestellt. Zwischen den grafischen Gebilden der Dirigierfiguren wird eine Textpassage über das „Stehen“ von Elias Canetti aus seinem Werk Masse und Macht, (1960) vorgelesen. (©1960 Claassen Verlag. Mit freundlicher Genehmigung von Johanna Canetti.)

“[...] Das Stehen macht den Eindruck noch unverbrauchter Energie, weil man es am Anfang aller Fortbewegung sieht: Man steht gewöhnlich, bevor man sich zu gehen oder zu laufen anschickt. Es ist die zentrale Position, aus der man ohne Übergang, sei es in eine andere Position, sei es in irgendeine Form von Bewegung, hinüberwechseln kann. Man neigt also dazu, im Stehenden ein größeres Maß von Spannung anzunehmen, auch in Augenblicken, da seine Absichten ganz andere sein mögen, denn vielleicht wird er sich im nächsten Moment zum Schlafe niederlegen.Immer überschätzt man den Stehenden.“

Canetti spricht in seinem Text über die Bedingungen von Machtverhältnissen innerhalb einer Gemeinschaft. Allein der Wechsel körperlicher Positionen bewirkt Verschiebungen der Macht. Die Entschlüsselungen der Dirigiercodes und die Erläuterungen der aufgeladenen Gestik des Dirigierens, wollen das Publikum anregen, sich zu erheben.