Georg Kargl

Mark Dion

24 Jan - 10 Mar 2012

MARK DION
Fresh Skulpture (including collaborations with Dana Sherwood)
24 January - 10 March, 2012

Der amerikanische Künstler Mark Dion verwandelt in seiner aktuellen Ausstellung bei Georg Kargl Fine Arts die Räumlichkeiten in eine Kunst- und Wunderkammer, ein ethnographisches Studierzimmer, in ein naturwissenschaftliches Labor. Seit über zwanzig Jahren entstehen aus der Leidenschaft des Sammlers Skulpturen und Installationen, die wie naturkundliche Schauräume anmuten. Die Beschäftigung mit der Natur und ihrer Repräsentation, die er als kulturelle Konstruktion kritisch analysiert, steht im Zentrum seines Interesses. Fasziniert von unterschiedlichen Vorstellungen von Natur und Kultur, knüpft Dion formal und thematisch häufig an jene historische Phase im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert an, in der die subjektive Ordnung der Wunderkammern durch die heute übliche wissenschaftliche Ausrichtung des Museums abgelöst wurde. Bei der Realisierung seiner Werke bedient sich Dion Methoden und Verfahren aus der Wissenschaft und Archäologie: er sammelt, archiviert, ordnet und vergleicht. Jedoch bei aller augenscheinlichen Nähe zum wissenschaftlichen Diskurs sind Mark Dions Installationen und Ensembles von Fundstücken und Präparaten gerade eines nicht: historische Sammlung, sondern sie sind Reflexionen über Ordnungs- und Sammlungssysteme und das System Museum an sich. „To me the museum embodies the ‚official story’ of a particular way of thinking at a particular time for a particular group of people. It is a time capsule.“1 In seiner bisherigen Auseinandersetzung gehörte es unter anderem zu seiner künstlerischen Praxis, bestehende Museumssammlungen in Bezug zu seiner eigenen Arbeit zu setzen. In der ausgestellten Installation A Baker’s Dozen for the Goose Tower, 2012, greift er radikaler in das museale Ordnungssystem ein und geht dazu über, Ausstellungsstücke neu interpretieren zu lassen. Dabei interessiert ihn die Funktionsweise von Völkerkunde- bzw. Heimatmuseen und er initiiert einen kulturellen Austausch über die Grenzen von Kontinenten hinweg. Er wählte zwölf Objekte aus Museen und historischen Archiven der dänischen Kleinstädte Lolland, Falster, MØn und Vordingborg, die er auf Postkarten detailgenau beschrieb, ohne jedoch Auskunft über deren historischen, politischen oder funktionalen Kontext zu geben. Diese Postkarten schickte er an zwölf Künstler in verschiedenen Städten Amerikas mit der Bitte, anhand der Beschreibung, neue Objekte zu schaffen und diese zurück an das Museum in Vordingborg zu schicken. Durch die neu entstandenen Objekte, ihre Beschreibung und den Verweis aufs Original hinterfragt Mark Dion die Kraft des Objekts an sich unabhängig von professioneller Charakterisierung und Einordnung in ein historisches System. Mit dieser Dekontextualisierung stellt Mark Dion einen lebendigen Umgang mit Kulturgut den traditionellen, institutionellen Praktiken zur Erfahrung und Erschließung von Zeitgeschichte gegenüber. Im Kern fragt der Künstler immer danach, wie wir überhaupt eine Idee von Natur oder Kultur entwerfen. Seiner Auffassung nach sagen taxonomische Ordnungen, mit denen wir uns natürliche und kulturelle Prozesse erklärbar machen, eher etwas über gesellschaftliche und politische Ideologien aus als über die Natur oder Kultur selbst. Sein eigentliches Anliegen ist somit weniger ein wissenschaftliches, sondern ein ökologisches, kulturelles und politisches.
Durch das Sammeln, Archivieren und Ordnen als naturwissenschaftliche Methoden, transferiert Mark Dion Artefakte und Naturalien in neue kontextuelle Zusammenhänge, wodurch sie einerseits ihre Funktion im Zusammenhang ihres ursprünglichen Vorkommens verlieren andererseits frei für kritische Reflexionen werden – wie in der Arbeit Octogon Cabinet of Confectionary Wonders, 2012, einer Kollaboration mit der Künstlerin Dana Sherwood, in der die Künstler nicht nur Vorgefundenes in neue Zusammenhänge 1 Miwon Kwon in Conversation with Mark Dion, in: Dion (1997) d., S. 17. bringen, sondern auch neue Objekte schaffen, die mit unserer Assoziationsmaschinerie spielen. Im unteren Bereich einer oktogonalen Museumsvitrine befindet sich der naturhistorische Teil mit gesammelten ausgestopften Tieren und Präparaten. Ihr Kontext gerät jedoch ins Wanken, wenn man die künstliche Konfiserieauslage in den prächtigsten Farben auf der oberen Ebene der Vitrine betrachtet, auf der sich präparierte Insekten und Schmetterlinge, wie in freier Natur niedergelassen haben. Diese erstarrte Überflusslandschaft aus praller Künstlichkeit entspringt dem Vanitas-Gedanken und versinnbildlicht die Ohnmacht im Allmachtsgebahren. Analogien in der Formgebung machen es zum Teil schwierig, in Dions Settings die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu ziehen. In seiner Installation Sealife, 2012, befinden sich in einer Glasvitrine grellbunte, amorphe Formen eingelegt in antike Präparategläser. Die museale Kategorisierung und Konservierung von Lebewesen überträgt er auf humorvolle Weise auf Plastikgegenstände, die zuerst nicht als solche erkennbar sind und sich bei genauerem Hinsehen als Hunde-, Kinder- und Erwachsenenspielzeug entpuppen. Die Ungewissheit über den Inhalt der Gläser fördert ein Unbehagen, ähnlich wie die Vorstellung von Tieren in tiefen Meeresgründen, denen sie nachempfunden sind.
Mit überraschenden thematischen Verknüpfungen und ironisch-allegorischer Reflexionskraft analysiert Mark Dion – an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst – die politischen, wirtschaftlichen und ästhetischen Kräfte hinter der gesellschaftlichen Repräsentation von Natur und Kultur.
 

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