Johannes Wohnseifer
22 Feb - 29 Mar 2014
JOHANNES WOHNSEIFER
The New Studio
22 February - 29 March 2014
In seiner fünften Ausstellung in der Galerie Gisela Capitain zeigt Johannes Wohnseifer unter dem Titel The New Studio eine Bestandsaufnahme seines aktuellen Schaffens. Zu sehen sind dreizehn neue Arbeiten, mit denen Wohnseifer zum Teil an bestehende Werkgruppen anknüpft sowie grundlegende Fragestellungen seines Werks weiterführt.
Begrüßt wird der Besucher durch einen in Lebensgröße gemalten Obama, dessen Statur sich in Rasterpunkten aufzulösen scheint. Seinen Anzug zieren Segmentanzeigen und damit jene digitalen Allroundschablonen, aus denen alle möglichen Worte und Zahlen gebildet werden können, wodurch Obamas Bildnis zu einer Projektionsfläche schlechthin wird.
Das Konterfei des amerikanischen Präsidenten findet sich auch auf drei kleineren Bildern wieder, die nebeneinander, aber verteilt auf die drei Galerieräume installiert sind und diese so wie eine Klammer zusammenhalten. Bei ihnen handelt es sich um vorfabrizierte afrikanische Stoffe mit dem Portrait Obamas, die Wohnseifer als Malgrund eingesetzt hat. Die Bilder werden so zu Ready-Made-Malerei und Obama zum Logo. Wie in seinen Primer Paintings hat Wohnseifer die Stoffe mit grauer Grundierung übermalt und darüber hinaus in den vier Druckfarben CMYK eingefärbt, von denen in der Ausstellung die drei Grundfarben zu sehen sind: Blau (Cyan), Rot (Magenta) und Gelb (Yellow). Gerahmt sind die Stoffbilder mit einem orangefarbenen Aluminiumrahmen, der sich auch an den fünf großen abstrakten Gemälden im Hauptraum wieder findet.
Diese großen abstrakten Leinwände sind mit sogenannten Umtarnfarben gemalt – Farben, die vor ungefähr zehn Jahren zum bestehenden RAL Farbsystem hinzugefügt wurden. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hatte Neue Farben, so der Titel der Bilder, notwendig gemacht, da die Tarnung der Fahrzeuge und des militärischen Equipments den geografischen Bedingungen vor Ort angepasst werden musste. Als direkte Inspirationsquelle für die Werke dienten Wohnseifer dabei Pressefotos des Afghanistan-Einsatzes, die er über Jahre gesammelt hat.
Für Wohnseifer sind die fünf Gemälde wie ein großes Landschaftsbild, das sich ähnlich dem Aufpixeln von Obamas Silhouette, über die Wände des Raumes aufzufächern scheint und diese wie ein Fries umläuft. Die Bilder changieren so zwischen Wandmalerei und Gemälde, bekommen aber auch einen Objektcharakter, der durch den orangefarbenen Aluminiumrahmen noch zusätzlich unterstützt wird. Die Farbe ist nicht zufällig gewählt: Es ist das Orange von Kommunalfahrzeugen, wie z.B. der Straßenreinigung und damit der zivilen Infrastruktur, die dem militärischen Farbsystem gegenübergestellt wird.
Wie wenig sich Wohnseifer auf Gattungen und Medien festlegen lässt, zeigen auch die drei Arbeiten im mittleren Raum. Sie sind Hybride aus Skulptur, Objekt, Collage, Zeichnung und Bild. Ihr Format entspricht der 10fachen Vergrößerung einer Zigrattenschachtel. Die Front ist jeweils mit Kartonage-Umverpackungen von Zigarettenstangen gestaltet, die so auf eine Holzwand collagiert sind, dass das Marlboro Logo nachempfunden wird. Mithilfe eines Lasers ist auf alle Kartonagen ein Siegelzeichen eingraviert, das an Steuer- oder Geldscheinsiegel erinnert und so Fälschungssicherheit und Wahrhaftigkeit suggeriert.
Die Geschichte, vor allem aber der Bedeutungswandel der Marke Marlboro fasziniert Wohnseifer. Ursprünglich herausgebracht als die Filterzigarette für die Frau, wurde sie in den 1970er Jahren einer ‚Geschlechtsumwandlung’ unterzogen und gilt mit dem Marlboro Man bis heute als Inbegriff von Männlichkeit.
In der 52 teiligen Arbeit Afghanistan Beef Diary, die im hinteren Galerieraum zu sehen ist, kombiniert Wohnseifer Fotos aus Afghanistan mit Fleischetiketten von argentinischem Rindfleisch, die eine weitere Sammelleidenschaft des Künstlers sind. Die Etiketten mit den aufgeführten Daten fungieren dabei wie eine Zeitleiste.
Alle Werke der Ausstellung spiegeln zentrale Aspekte von Wohnseifers künstlerischem Ansatz wider. In seinen Arbeiten verbindet und bearbeitet er politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen mit allgemeinen kunsthistorischen Fragestellungen. Eine wichtige Rolle spielt dabei immer auch die Beschäftigung mit Transformationsprozessen und dem Bedeutungswandel von Bewertungssystemen sowie die Auseinandersetzung mit uns umgebenden Zeichen – Logos - und ihren Lesbarkeiten. So entsteht aus der heterogenen Zusammenstellung verschiedener Werkgruppen ein homogenes Ganzes.
Die bewusst assoziative Präsentation der Werke gewährleistet dabei die größtmögliche Offenheit in der Lesbarkeit. Sie lässt vielschichtige Verbindungen mit oftmals aktueller Brisanz entstehen und bietet Deutungsebenen an, ohne sie jedoch zu definieren und so zu fixieren. So ergibt sich beispielsweise aus der Kombination der Obama Portraits mit dem Thema Afghanistan direkt eine Lesbarkeit, die geprägt ist aus dem aktuellen politischen Tagesgeschehen. Aber auch die Frage nach der Kunst und ihren Möglichkeiten steht im Raum, schließlich wird durch diese Kombination der Werke das erweiterte und damit transformierte RAL Farbsystem dem Wandel des Wertesystems gegenübergestellt.
Die Offenheit in der Präsentation führt aber auch zu Missverständnissen, die von Wohnseifer zum Teil bewusst einkalkuliert werden, um so die Zeichensetzungen noch einmal mehr zu hinterfragen. Das beste Beispiel ist die Einladungskarte mit der Abbildung von Bianca Jagger, die in Kombination mit dem Titel der Ausstellung The New Studio eher an das legendäre Studio 54 erinnert.
The New Studio
22 February - 29 March 2014
In seiner fünften Ausstellung in der Galerie Gisela Capitain zeigt Johannes Wohnseifer unter dem Titel The New Studio eine Bestandsaufnahme seines aktuellen Schaffens. Zu sehen sind dreizehn neue Arbeiten, mit denen Wohnseifer zum Teil an bestehende Werkgruppen anknüpft sowie grundlegende Fragestellungen seines Werks weiterführt.
Begrüßt wird der Besucher durch einen in Lebensgröße gemalten Obama, dessen Statur sich in Rasterpunkten aufzulösen scheint. Seinen Anzug zieren Segmentanzeigen und damit jene digitalen Allroundschablonen, aus denen alle möglichen Worte und Zahlen gebildet werden können, wodurch Obamas Bildnis zu einer Projektionsfläche schlechthin wird.
Das Konterfei des amerikanischen Präsidenten findet sich auch auf drei kleineren Bildern wieder, die nebeneinander, aber verteilt auf die drei Galerieräume installiert sind und diese so wie eine Klammer zusammenhalten. Bei ihnen handelt es sich um vorfabrizierte afrikanische Stoffe mit dem Portrait Obamas, die Wohnseifer als Malgrund eingesetzt hat. Die Bilder werden so zu Ready-Made-Malerei und Obama zum Logo. Wie in seinen Primer Paintings hat Wohnseifer die Stoffe mit grauer Grundierung übermalt und darüber hinaus in den vier Druckfarben CMYK eingefärbt, von denen in der Ausstellung die drei Grundfarben zu sehen sind: Blau (Cyan), Rot (Magenta) und Gelb (Yellow). Gerahmt sind die Stoffbilder mit einem orangefarbenen Aluminiumrahmen, der sich auch an den fünf großen abstrakten Gemälden im Hauptraum wieder findet.
Diese großen abstrakten Leinwände sind mit sogenannten Umtarnfarben gemalt – Farben, die vor ungefähr zehn Jahren zum bestehenden RAL Farbsystem hinzugefügt wurden. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hatte Neue Farben, so der Titel der Bilder, notwendig gemacht, da die Tarnung der Fahrzeuge und des militärischen Equipments den geografischen Bedingungen vor Ort angepasst werden musste. Als direkte Inspirationsquelle für die Werke dienten Wohnseifer dabei Pressefotos des Afghanistan-Einsatzes, die er über Jahre gesammelt hat.
Für Wohnseifer sind die fünf Gemälde wie ein großes Landschaftsbild, das sich ähnlich dem Aufpixeln von Obamas Silhouette, über die Wände des Raumes aufzufächern scheint und diese wie ein Fries umläuft. Die Bilder changieren so zwischen Wandmalerei und Gemälde, bekommen aber auch einen Objektcharakter, der durch den orangefarbenen Aluminiumrahmen noch zusätzlich unterstützt wird. Die Farbe ist nicht zufällig gewählt: Es ist das Orange von Kommunalfahrzeugen, wie z.B. der Straßenreinigung und damit der zivilen Infrastruktur, die dem militärischen Farbsystem gegenübergestellt wird.
Wie wenig sich Wohnseifer auf Gattungen und Medien festlegen lässt, zeigen auch die drei Arbeiten im mittleren Raum. Sie sind Hybride aus Skulptur, Objekt, Collage, Zeichnung und Bild. Ihr Format entspricht der 10fachen Vergrößerung einer Zigrattenschachtel. Die Front ist jeweils mit Kartonage-Umverpackungen von Zigarettenstangen gestaltet, die so auf eine Holzwand collagiert sind, dass das Marlboro Logo nachempfunden wird. Mithilfe eines Lasers ist auf alle Kartonagen ein Siegelzeichen eingraviert, das an Steuer- oder Geldscheinsiegel erinnert und so Fälschungssicherheit und Wahrhaftigkeit suggeriert.
Die Geschichte, vor allem aber der Bedeutungswandel der Marke Marlboro fasziniert Wohnseifer. Ursprünglich herausgebracht als die Filterzigarette für die Frau, wurde sie in den 1970er Jahren einer ‚Geschlechtsumwandlung’ unterzogen und gilt mit dem Marlboro Man bis heute als Inbegriff von Männlichkeit.
In der 52 teiligen Arbeit Afghanistan Beef Diary, die im hinteren Galerieraum zu sehen ist, kombiniert Wohnseifer Fotos aus Afghanistan mit Fleischetiketten von argentinischem Rindfleisch, die eine weitere Sammelleidenschaft des Künstlers sind. Die Etiketten mit den aufgeführten Daten fungieren dabei wie eine Zeitleiste.
Alle Werke der Ausstellung spiegeln zentrale Aspekte von Wohnseifers künstlerischem Ansatz wider. In seinen Arbeiten verbindet und bearbeitet er politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen mit allgemeinen kunsthistorischen Fragestellungen. Eine wichtige Rolle spielt dabei immer auch die Beschäftigung mit Transformationsprozessen und dem Bedeutungswandel von Bewertungssystemen sowie die Auseinandersetzung mit uns umgebenden Zeichen – Logos - und ihren Lesbarkeiten. So entsteht aus der heterogenen Zusammenstellung verschiedener Werkgruppen ein homogenes Ganzes.
Die bewusst assoziative Präsentation der Werke gewährleistet dabei die größtmögliche Offenheit in der Lesbarkeit. Sie lässt vielschichtige Verbindungen mit oftmals aktueller Brisanz entstehen und bietet Deutungsebenen an, ohne sie jedoch zu definieren und so zu fixieren. So ergibt sich beispielsweise aus der Kombination der Obama Portraits mit dem Thema Afghanistan direkt eine Lesbarkeit, die geprägt ist aus dem aktuellen politischen Tagesgeschehen. Aber auch die Frage nach der Kunst und ihren Möglichkeiten steht im Raum, schließlich wird durch diese Kombination der Werke das erweiterte und damit transformierte RAL Farbsystem dem Wandel des Wertesystems gegenübergestellt.
Die Offenheit in der Präsentation führt aber auch zu Missverständnissen, die von Wohnseifer zum Teil bewusst einkalkuliert werden, um so die Zeichensetzungen noch einmal mehr zu hinterfragen. Das beste Beispiel ist die Einladungskarte mit der Abbildung von Bianca Jagger, die in Kombination mit dem Titel der Ausstellung The New Studio eher an das legendäre Studio 54 erinnert.