Isa Rosenberger
05 Apr - 11 Jun 2011
ISA ROSENBERGER
Espiral
05.04. – 11.06.2011
Espiral ist Isa Rosenbergers künstlerische Auseinandersetzung mit der Zirkulation von Kapitalströmen am Beispiel der Expansion österreichischer Banken in Südosteuropa.
Im Mittelpunkt steht die Annäherung an Kurt Jooss‘ expressionistisches Ballett Der grüne Tisch (1932) — einer tänzerischen Darstellung des Zusammenhangs von Macht, Ökonomie und Krieg im Umfeld der ersten Weltwirtschaftskrise. Das Stück nahm ein klassisches Totentanz-Motiv auf und projizierte es in das (damals) zeitgenössische Umfeld der Weimarer Republik.
In dem zentralen Video der Ausstellung (Mittelraum, schwarze Wand) werden filmische Ausschnitte einer frühen Aufführung des Stückes gezeigt. Der grüne Tisch erscheint darin als eine Art Spiel- und Konferenztisch. Er ist von Männern umringt, die die Welt unter sich aufzuteilen scheinen. Das historische Filmmaterial des Grünen Tisches wird dabei von Rosenberger mit einer neu aufgenommenen Tanzszene konfrontiert, die sie mit der Tänzerin Amanda Piña vor der Österreichischen Nationalbank inszeniert hat: Geschminkt und kostümiert wie die Figur des Todes in Jooss‘ Ballett tanzt Piña diese Figur aus dem Stück nun vor der Nationalbank. Als Untertitel präsentiert Rosenberger dazu Daten und Hintergründe die Präsenz österreichischer Banken in Südosteuropa betreffend — insbesondere während der Zeit der Transformationsprozesse im postsozialistischen Osteuropa. Das Material stammt aus Interviews, die die Künstlerin mit Ökonomen gemacht hat, oder ist Zeitungen entnommen. Aus den Daten ergeben sich unterschiedliche Zusammenhänge zwischen der Öffnung im Osten und den Bilanzen und Gewinnen der Mutterhäuser im Westen. Der Ausstellungsraum wird durch einen Nachbau des Tisches aus dem Stück von Jooss ergänzt, dessen asymmetrische Proportionen auffallen. Bei der Aufführung dienten diese dazu, die sich aus der Lage des Zuschauerraums ergebenden perspektivischen Verzerrungen auszugleichen — ein für Bühnengestaltung gewöhnliches Verfahren. Nicht mehr im Bühnen- sondern im Ausstellungsraum platziert, erscheinen die ungleichen Maße des Tisches jetzt aber wie eine Abstraktion. Rosenberger setzt den Tisch mit dieser Handhabung eher wie eine Skulptur ein.
Für das erste Video in der Ausstellung (erster Raum, Projektion) filmt Rosenberger Piña dabei, wie die Tänzerin die Figur des Todes einstudiert. Sie bewegt sich im Video dabei selbst vor einer Rückprojektion, die als Quelle und Vorbild dient. Rosenberger zeigt das Video in einem von ihr entworfenen, kreisförmigen Bühnenraum, der aus einem Stahlgestell und einem dafür angefertigten Vorhang besteht. Die Musik des Jooss-Stückes bildet dabei den akustischen Kontext. Das dritte Video in Espiral — ebenfalls in einem kreisförmigen Vorhang-Raum aufgeführt — zeigt Rosenberger selbst in der Rolle der Visagistin, die Piña während ihrer Arbeit an deren Maske befragt: Aus dieser Konversation ergibt sich, dass der Titel der Ausstellung auf den Namen der Tanz-Schule Espiral in Santiago de Chile anspielt. Die Schule wurde durch Patricio Bunster — Tänzer, politischer Aktivist und ehemals jüngster Solist in Kurt Jooss‘ Ensemble — mit gegründet. Die Schule war auch ein soziales Projekt, das Jugendlichen aus verarmten Elternhäusern eine Tanzausbildung bot. Die im Stile eines Making-Of gedrehte Szene liefert Hintergründe zum Grünen Tisch und zu Kurt Jooss, der im Zuge seiner Emigration aus Deutschland u.a. auch ein Jahr in Chile lebte. Zugleich spielt der Titel Espiral (dt. Spirale) aber auch auf die Sogwirkungen an, die der finanzkapitalistische Imperativ weltweit für die gesellschaftliche Realität hat.
Die Collagen, die die Ausstellung verstreut ergänzen, basieren auf sogenannten Labanotationen. Es handelt sich dabei um ein System der Aufzeichnung und Analyse menschlicher Bewegungen des ungarischen Tänzers und Choreographen Rudolf von Laban. Jooss, einst Assistent Labans, verwendete dessen Technik um eine Notation für die Choreographie des Grünen Tisches zu schreiben.
Im letzten Raum hängen zwei Poster in einem Fenster und verweisen schon durch den Ort ihrer Hängung auf die außerhalb des Kunstraums und seinen Gesetzlichkeiten liegende Wirklichkeit. Die Poster zeigen von Rosenberger gemachte Aufnahmen eines Brunnens in Bratislava. Während Recherchen im Stadtteil Ružinov fiel Rosenberger dieser Brunnen auf, den sie als „... eine vergessene Bühne aus sozialistischen Zeiten“ beschreibt. Die den Fotos zugeordneten verschiedenen Textsequenzen sind Ausschnitte aus Gesprächen, die die Künstlerin mit PassantInnen in Bezug auf deren unterschiedliche Wahrnehmungen des Brunnens geführt hat.
Espiral ist die faszinierende künstlerische Umsetzung einer komplexen Recherche, die Zusammenhänge zwischen den osteuropäischen Transformationsprozessen und ökonomischen Interessen herstellt. Die Arbeit fragt auch nach den Möglichkeiten künstlerischer Intervention innerhalb der Zusammenhänge von Macht, Geld und Geschichte. Dabei stellt sie mit dem Bezug auf Jooss' Grünen Tisch zugleich die Zeitlosigkeit wie auch die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung dar.
Kurator / curator
Søren Grammel
Espiral
05.04. – 11.06.2011
Espiral ist Isa Rosenbergers künstlerische Auseinandersetzung mit der Zirkulation von Kapitalströmen am Beispiel der Expansion österreichischer Banken in Südosteuropa.
Im Mittelpunkt steht die Annäherung an Kurt Jooss‘ expressionistisches Ballett Der grüne Tisch (1932) — einer tänzerischen Darstellung des Zusammenhangs von Macht, Ökonomie und Krieg im Umfeld der ersten Weltwirtschaftskrise. Das Stück nahm ein klassisches Totentanz-Motiv auf und projizierte es in das (damals) zeitgenössische Umfeld der Weimarer Republik.
In dem zentralen Video der Ausstellung (Mittelraum, schwarze Wand) werden filmische Ausschnitte einer frühen Aufführung des Stückes gezeigt. Der grüne Tisch erscheint darin als eine Art Spiel- und Konferenztisch. Er ist von Männern umringt, die die Welt unter sich aufzuteilen scheinen. Das historische Filmmaterial des Grünen Tisches wird dabei von Rosenberger mit einer neu aufgenommenen Tanzszene konfrontiert, die sie mit der Tänzerin Amanda Piña vor der Österreichischen Nationalbank inszeniert hat: Geschminkt und kostümiert wie die Figur des Todes in Jooss‘ Ballett tanzt Piña diese Figur aus dem Stück nun vor der Nationalbank. Als Untertitel präsentiert Rosenberger dazu Daten und Hintergründe die Präsenz österreichischer Banken in Südosteuropa betreffend — insbesondere während der Zeit der Transformationsprozesse im postsozialistischen Osteuropa. Das Material stammt aus Interviews, die die Künstlerin mit Ökonomen gemacht hat, oder ist Zeitungen entnommen. Aus den Daten ergeben sich unterschiedliche Zusammenhänge zwischen der Öffnung im Osten und den Bilanzen und Gewinnen der Mutterhäuser im Westen. Der Ausstellungsraum wird durch einen Nachbau des Tisches aus dem Stück von Jooss ergänzt, dessen asymmetrische Proportionen auffallen. Bei der Aufführung dienten diese dazu, die sich aus der Lage des Zuschauerraums ergebenden perspektivischen Verzerrungen auszugleichen — ein für Bühnengestaltung gewöhnliches Verfahren. Nicht mehr im Bühnen- sondern im Ausstellungsraum platziert, erscheinen die ungleichen Maße des Tisches jetzt aber wie eine Abstraktion. Rosenberger setzt den Tisch mit dieser Handhabung eher wie eine Skulptur ein.
Für das erste Video in der Ausstellung (erster Raum, Projektion) filmt Rosenberger Piña dabei, wie die Tänzerin die Figur des Todes einstudiert. Sie bewegt sich im Video dabei selbst vor einer Rückprojektion, die als Quelle und Vorbild dient. Rosenberger zeigt das Video in einem von ihr entworfenen, kreisförmigen Bühnenraum, der aus einem Stahlgestell und einem dafür angefertigten Vorhang besteht. Die Musik des Jooss-Stückes bildet dabei den akustischen Kontext. Das dritte Video in Espiral — ebenfalls in einem kreisförmigen Vorhang-Raum aufgeführt — zeigt Rosenberger selbst in der Rolle der Visagistin, die Piña während ihrer Arbeit an deren Maske befragt: Aus dieser Konversation ergibt sich, dass der Titel der Ausstellung auf den Namen der Tanz-Schule Espiral in Santiago de Chile anspielt. Die Schule wurde durch Patricio Bunster — Tänzer, politischer Aktivist und ehemals jüngster Solist in Kurt Jooss‘ Ensemble — mit gegründet. Die Schule war auch ein soziales Projekt, das Jugendlichen aus verarmten Elternhäusern eine Tanzausbildung bot. Die im Stile eines Making-Of gedrehte Szene liefert Hintergründe zum Grünen Tisch und zu Kurt Jooss, der im Zuge seiner Emigration aus Deutschland u.a. auch ein Jahr in Chile lebte. Zugleich spielt der Titel Espiral (dt. Spirale) aber auch auf die Sogwirkungen an, die der finanzkapitalistische Imperativ weltweit für die gesellschaftliche Realität hat.
Die Collagen, die die Ausstellung verstreut ergänzen, basieren auf sogenannten Labanotationen. Es handelt sich dabei um ein System der Aufzeichnung und Analyse menschlicher Bewegungen des ungarischen Tänzers und Choreographen Rudolf von Laban. Jooss, einst Assistent Labans, verwendete dessen Technik um eine Notation für die Choreographie des Grünen Tisches zu schreiben.
Im letzten Raum hängen zwei Poster in einem Fenster und verweisen schon durch den Ort ihrer Hängung auf die außerhalb des Kunstraums und seinen Gesetzlichkeiten liegende Wirklichkeit. Die Poster zeigen von Rosenberger gemachte Aufnahmen eines Brunnens in Bratislava. Während Recherchen im Stadtteil Ružinov fiel Rosenberger dieser Brunnen auf, den sie als „... eine vergessene Bühne aus sozialistischen Zeiten“ beschreibt. Die den Fotos zugeordneten verschiedenen Textsequenzen sind Ausschnitte aus Gesprächen, die die Künstlerin mit PassantInnen in Bezug auf deren unterschiedliche Wahrnehmungen des Brunnens geführt hat.
Espiral ist die faszinierende künstlerische Umsetzung einer komplexen Recherche, die Zusammenhänge zwischen den osteuropäischen Transformationsprozessen und ökonomischen Interessen herstellt. Die Arbeit fragt auch nach den Möglichkeiten künstlerischer Intervention innerhalb der Zusammenhänge von Macht, Geld und Geschichte. Dabei stellt sie mit dem Bezug auf Jooss' Grünen Tisch zugleich die Zeitlosigkeit wie auch die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung dar.
Kurator / curator
Søren Grammel