Halle für Kunst

Magic Lantern Cycle

04 Dec 2015 - 10 Jan 2016

Exhibition view
MAGIC LANTERN CYCLE
4 Dezember 2015 – 10 Januar 2016

Mit Kenneth Anger, Claude Cahun, Madge Gill, Wenzel August Hablik, Oliver Husain, Ken Jacobs, Kitty Kraus, Pentti Monkkonen, Puppies Puppies und Lily Wittenburg

Die Ausstellung „Magic Lantern Cycle“ stützt sich auf keine These und entwickelt auch keine. Indes zieht sie ausgehend von dem ihr ihren Namen gebenden Zyklus „Magick Lantern Cycle“ des amerikanischen Undergroundfilmers Kenneth Anger lose und assoziative Fäden, mit denen verschiedene Motive aufgerufen werden.
Eines dieser Motive ist Angers Verständnis vom Film als magisches Ritual. Diese nicht ganz unproblematische, aber umso einnehmendere Vorstellung, stößt nicht zuletzt deshalb auf unser Interesse, da sie einen anderen Blick auf filmische Bilder und damit auf kulturelle und künstlerische Produktion vorschlägt, der konträr zu dem scheint, was sich heute als zutiefst zwiespältiges und ebenso fragwürdiges, von wirtschaftlichen- und Machtinteressen durchsetztes Feld der Kunst zeigt. Ein weiteres Motiv ist das des Lichtes, Grundlage jeder filmischen Projektion. Laut Parker Tyler – am Surrealismus geschulter amerikanischer Filmkritiker der 1940er Jahre – koche die Menschheit ihren Geist über dem symbolischen Feuer der Nacht, dem elektrischen Licht, denn dieses stelle das Fundament jeglicher künstlerischen und intellektuellen Arbeit, jedes Konzeptes, jedweder Unabhängigkeit von Tag und Nacht dar. Bei Anger ist Licht hingegen eng mit der mythischen Figur des Lucifer verbunden, der in der römischen Mythologie als Personifikation des Morgensterns – die von den ersten Strahlen der Sonne angeleuchtete Venus – und damit als Bringer des Lichtes galt. Dort durchweg positiv konnotiert, verkörpert er hingegen in der christlichen Tradition den gefallenen Engel und wurde so zur Allegorie des Satans. Als demnach zutiefst widersprüchliche Figur ist ihm eine Doppelgesichtigkeit eingeschrieben, die auch das filmische (Licht)Bild, das Kino Hollywoods charakterisiert. Sei dieses doch, so Anger, ebenso Verführung wie Verblendung, Verderben, Propaganda und damit gleichermaßen schön wie gefährlich. Entsprechend einer solchen Vorstellung erliegt auch in H.P. Lovecrafts aus dem Jahre 1920 stammenden Prosagedicht „Nyarlatothep“ das Publikum wie auch der Erzähler der verderblichen Anziehungskraft filmischer Apparate und elektrischer Experimente, mit denen der an einen Pharao erinnernde propagandistische Showmaster Nyarlatothep eine alptraumartige Vision vom Ende der Welt schafft, die sich nach der Aufführung jedoch nicht verflüchtigt, sondern als entleerte Realität fortbesteht. Und auch Parker Tyler versteht den Kinobesuch als Ritual der Halluzination, als eine besondere Form der Hypnose. Film ist also stets Erzeugung von Illusion durch Projektion. Eine Wirklichkeit im Sinne von Wahrheit – mal die Fragwürdigkeit eines jeden Wirklichkeits- und Wahrheitsbegriffs beiseite gelassen, denn was sollte das sein? – wäre hier also ohnehin nicht zu haben. Sehen bedeutet an dieser Stelle immer dasselbe wie Glauben. Diese Konstruktion ist dem Film seit Beginn an eingeschrieben und wurde im 17. Jahrhundert, in dem er mit der Laterna Magica seinen Ursprung fand, auch offensiv verhandelt.
Neben diesem eher materiellen Verständnis von Projektion als dem Werfen von Licht durch den Raum zur Erzeugung von Bildern ist aber auch die psychoanalytische Bedeutung des Begriffs mit gemeint und überaus willkommen; wie auch die äußerst krude, zwischen Kosmologie, Biologie und Topologie schwirrende Vorstellung Tylers von der Analogie des menschlichen Körpers zum Kino, bei der er diesen während des Schlafes als dunkle Kammer denkt, in der das Gehirn Licht auf das Herz projiziert, welches wiederum Schatten auf die Innenwände des Körpers wirft, die dann als Bilder wahrgenommen werden.
All diese Ideen, Konzepte, Überlegungen und Vorstellungen sowie unser Nachdenken darüber bilden den Ausgangspunkt der Ausstellung, die sich in verschiedene Richtungen ausbreitet, vor allem aber weg vom Film, weg von einer Engführung auf allein filmische Bildlogiken hin zu einer Übertragung dieser übersensibilisierten Modelle von Wahrnehmung auf andere Formen und Darstellungsmöglichkeiten von Kunst und Realität.
Zusammengestellt von Henning Bohl und Stefanie Kleefeld.
 

Tags: Kenneth Anger, Henning Bohl, Claude Cahun, Madge Gill, Oliver Husain, Ken Jacobs, Kitty Kraus, Puppies Puppies