Naneci Yurdagül
Sweaite
23 Apr - 21 Jun 2015
Susanne Weiß: Herr Yurdagül.
Naneci Yurdagül: Frau Weiß.
S. W.: Ihre Ausstellung im Foyer des Kunstvereins heißt ›Sweaite‹. Wofür steht diese Wortschöpfung?
N. Y.: ›Sweaite‹ habe ich aus den englischen Wörtern ›swear‹ und ›wait‹ gebildet, die im Kern meine zweiteilige Arbeit beschreiben. Die Doppeldeutigkeit des Begriffs ›swear‹, der sowohl mit ›schwören‹ als auch mit ›fluchen‹ übersetzt werden kann, sowie die Übersetzung von ›wait‹ als ›warten‹ mit ›Warte!‹ oder ›Augenblick!‹ fordern den Betrachter direkt auf. Die Installation ist eine Komposition – eine ›Suite‹ von Stecknadeln.
S. W.: ›Sweaite‹ ist eine zweiteilige Arbeit, die aus Wandbildern mit Texten und einer Vitrine besteht. Hauptbestandteil der Installation sind Glaskopf-Stecknadeln mit bunten Köpfen, die den Rahmen für die Bilder abstecken. Warum haben Sie sich für Stecknadeln mit Glasköpfen entschieden?
N. Y.: Die Glaskopf-Stecknadeln sind für mich bildhauerisches Material. Da diese den Rahmen für meine Bilder und Werke abstecken, war es für mich wichtig, dass sie auf den ersten Blick zunächst nur durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten sichtbar werden. Ich möchte den Betrachter neugierig machen und an die Wand locken: Durch die Zurückgenommenheit der Wandbilder rückt der Text der Werke in den Mittelpunkt und die sichtbare Leere kann individuell ausgefüllt werden.
S. W.: Die Texte – die gleichzeitig die Titel der Bilder sind – beschreiben kurze Episoden aus dem Leben des Propheten Mohammed. Damit überführen Sie eine weiße Fläche in die aktuelle Debatte um das Bilderverbot und zeigen, dass ein Bilderverbot praktisch unmöglich ist, weil sich jeder sein eigenes Bild von dem macht, was er sieht, auch wenn der Bildinhalt abstrakt ist. Wie politisch ist damit das private Bild – das Nichts?
N. Y.: Wie politisch Bilder geworden sind, zeigt sich u. a. in der Mediendebatte um die Videos von ISIS. Soll man diese ausstrahlen oder nicht? Auch wenn sich viele Nachrichtensender dazu entscheiden, diese unmenschlichen Bilder nicht zu zeigen oder zu verpixeln, regen diese – so schrecklich es klingt – die Fantasie des Betrachters an. Dadurch entsteht eine neue Realität, die von jedem unterschiedlich konstruiert erscheint. Meine Arbeit reflektiert demnach eine Verdichtung von Realität, deren Bausteine die kurzen Episoden bilden und das Nichts der weißen Wand ausfüllen. Nicht nur das Bild ist politisch, sondern ebenso das Nichts.
S. W.: Gleichzeitig gibt es kunst- und religionshistorische Vorläufer, die sich mit dem leeren Bild als Gegenstand auseinandersetzten und etliche Zeugnisse des Bilderverbots. Dockt Ihre Arbeit in der Aufklärung an?
N. Y.: Meine Arbeit legt mehrere Zugänge, die historische Vorläufer ebenso miteinschließen wie aktuelle politische Debatten. Egal wie leer ein Bild sein mag: In den Augen der Betrachter kann jede Leere ausgefüllt werden und zur Reflexion anregen; vom Bilderverbot über Kasimir Malewitschs schwarzes Quadrat oder die monochromen Gemälde von Yves Klein. In diesem Sinne versuche ich zu wirken und den Betrachter nicht nur mit dieser Situation zu konfrontieren, sondern darauf aufmerksam zu machen, wie das Nichts rezipiert werden kann. Durch das Zusammenspiel mit dem Text wird der Betrachter ›vorbelastet‹ und kann somit die vermeintliche Leere füllen. Das kann ich bieten – aufklären müssen sich die Betrachter dann selbst.
Naneci Yurdagül (*1979 in Frankfurt am Main) studierte bis zu seinem Abschluss als Meisterschüler im Jahr 2011 freie Kunst und Performance in Paris sowie Bildhauerei an der HfBK Städelschule in Ffm. Seine Arbeiten waren u. a. in Einzelausstellungen im Nassauischen Kunstverein, Wiesbaden, und den Opelvillen, Rüsselsheim, sowie in Gruppenausstellungen in der Staatlichen Kunsthalle, Baden-Baden; Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin; Museum für Moderne Kunst, Ffm; Wilhelm Hack Museum, Ludwigshafen; Museum of Art, Tel Aviv; Portikus, Ffm, zu sehen. Yurdagül ist aktuell Preisträger im Stipendienprogramm der Hessischen Kulturstiftung 2015 / 2016 sowie Förderstipendiat des Else-Heiliger-Fonds der Konrad-Adenauer-Stiftung und wird am 23. April 2015 in Frankfurt am Main mit dem Künstlerpreis der Cranach-Stiftung ausgezeichnet.
Naneci Yurdagül: Frau Weiß.
S. W.: Ihre Ausstellung im Foyer des Kunstvereins heißt ›Sweaite‹. Wofür steht diese Wortschöpfung?
N. Y.: ›Sweaite‹ habe ich aus den englischen Wörtern ›swear‹ und ›wait‹ gebildet, die im Kern meine zweiteilige Arbeit beschreiben. Die Doppeldeutigkeit des Begriffs ›swear‹, der sowohl mit ›schwören‹ als auch mit ›fluchen‹ übersetzt werden kann, sowie die Übersetzung von ›wait‹ als ›warten‹ mit ›Warte!‹ oder ›Augenblick!‹ fordern den Betrachter direkt auf. Die Installation ist eine Komposition – eine ›Suite‹ von Stecknadeln.
S. W.: ›Sweaite‹ ist eine zweiteilige Arbeit, die aus Wandbildern mit Texten und einer Vitrine besteht. Hauptbestandteil der Installation sind Glaskopf-Stecknadeln mit bunten Köpfen, die den Rahmen für die Bilder abstecken. Warum haben Sie sich für Stecknadeln mit Glasköpfen entschieden?
N. Y.: Die Glaskopf-Stecknadeln sind für mich bildhauerisches Material. Da diese den Rahmen für meine Bilder und Werke abstecken, war es für mich wichtig, dass sie auf den ersten Blick zunächst nur durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten sichtbar werden. Ich möchte den Betrachter neugierig machen und an die Wand locken: Durch die Zurückgenommenheit der Wandbilder rückt der Text der Werke in den Mittelpunkt und die sichtbare Leere kann individuell ausgefüllt werden.
S. W.: Die Texte – die gleichzeitig die Titel der Bilder sind – beschreiben kurze Episoden aus dem Leben des Propheten Mohammed. Damit überführen Sie eine weiße Fläche in die aktuelle Debatte um das Bilderverbot und zeigen, dass ein Bilderverbot praktisch unmöglich ist, weil sich jeder sein eigenes Bild von dem macht, was er sieht, auch wenn der Bildinhalt abstrakt ist. Wie politisch ist damit das private Bild – das Nichts?
N. Y.: Wie politisch Bilder geworden sind, zeigt sich u. a. in der Mediendebatte um die Videos von ISIS. Soll man diese ausstrahlen oder nicht? Auch wenn sich viele Nachrichtensender dazu entscheiden, diese unmenschlichen Bilder nicht zu zeigen oder zu verpixeln, regen diese – so schrecklich es klingt – die Fantasie des Betrachters an. Dadurch entsteht eine neue Realität, die von jedem unterschiedlich konstruiert erscheint. Meine Arbeit reflektiert demnach eine Verdichtung von Realität, deren Bausteine die kurzen Episoden bilden und das Nichts der weißen Wand ausfüllen. Nicht nur das Bild ist politisch, sondern ebenso das Nichts.
S. W.: Gleichzeitig gibt es kunst- und religionshistorische Vorläufer, die sich mit dem leeren Bild als Gegenstand auseinandersetzten und etliche Zeugnisse des Bilderverbots. Dockt Ihre Arbeit in der Aufklärung an?
N. Y.: Meine Arbeit legt mehrere Zugänge, die historische Vorläufer ebenso miteinschließen wie aktuelle politische Debatten. Egal wie leer ein Bild sein mag: In den Augen der Betrachter kann jede Leere ausgefüllt werden und zur Reflexion anregen; vom Bilderverbot über Kasimir Malewitschs schwarzes Quadrat oder die monochromen Gemälde von Yves Klein. In diesem Sinne versuche ich zu wirken und den Betrachter nicht nur mit dieser Situation zu konfrontieren, sondern darauf aufmerksam zu machen, wie das Nichts rezipiert werden kann. Durch das Zusammenspiel mit dem Text wird der Betrachter ›vorbelastet‹ und kann somit die vermeintliche Leere füllen. Das kann ich bieten – aufklären müssen sich die Betrachter dann selbst.
Naneci Yurdagül (*1979 in Frankfurt am Main) studierte bis zu seinem Abschluss als Meisterschüler im Jahr 2011 freie Kunst und Performance in Paris sowie Bildhauerei an der HfBK Städelschule in Ffm. Seine Arbeiten waren u. a. in Einzelausstellungen im Nassauischen Kunstverein, Wiesbaden, und den Opelvillen, Rüsselsheim, sowie in Gruppenausstellungen in der Staatlichen Kunsthalle, Baden-Baden; Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin; Museum für Moderne Kunst, Ffm; Wilhelm Hack Museum, Ludwigshafen; Museum of Art, Tel Aviv; Portikus, Ffm, zu sehen. Yurdagül ist aktuell Preisträger im Stipendienprogramm der Hessischen Kulturstiftung 2015 / 2016 sowie Förderstipendiat des Else-Heiliger-Fonds der Konrad-Adenauer-Stiftung und wird am 23. April 2015 in Frankfurt am Main mit dem Künstlerpreis der Cranach-Stiftung ausgezeichnet.