Heidelberger Kunstverein

Tilman Wendland

13 Mar - 16 May 2010

Tilman Wendland
untitled, 2010
fiberboard, timber, bollard light from the garden
dimensions variable
Heidelberger Kunstverein
photo: Tilman Wendland
Haben Räume eine ideologische Bedeutung? Aus einfachen Materialien hergestellt, Pappe, Holzleisten, Papier, scheinen die raumgreifenden Installationen des Berliner Künstlers Tilman Wendland diese komplexe Frage nicht zu beantworten, sondern aufzuwerfen.

Wie auch für seine Ausstellung im Heidelberger Kunstverein nimmt Wendland fast immer Bezug auf den tatsächlichen sowie den ideellen Ausstellungsraum. Architektonische Elemente, sei es Fenster- sprossen des Oberlichtes oder die Form einer Außenbeleuchtung, werden mit- und ineinander verschränkt. Die innere Gliederung einer jeweiligen Installation entwickelt sich aus einer vorsichtigen und zeitaufwendigen Annäherung an der konkreten, vorgegebenen Situation. Wie die meisten Ausstellungsräume, in denen die Installationen zu sehen sind, sind auch diese selbst überwiegend weiß. Es ist, als ob sie wie eine Fortsetzung, eine Weiterentwicklung des Raumes erst Stück für Stück entstehen können.

Fast genau so viel Zeit wie für ihre Entstehung verlangen sie auch vom Betrachter, um entschlüsselt zu werden. Man sucht das architektonische Maß eines Elements der Installation in der sie umgebenden Architektur, man findet ein mit feinfühligem Humor gespiegeltes, verkleinertes oder verflachtes Architekturdetail wieder. Und plötzlich schaut man sich nicht nur das Werk von Tilman Wendland an, sondern den Raum selbst. Die zuvor womöglich als nebensächlich eingestufte Architektur des Raumes wird selbst sichtbar, ja sie drängt sich geradezu auf. Der Blick streift hinaus über weiteren Details in den angrenzenden Räumen, bis man gar nicht die ausgestellte Kunst vor lauter räumlichen Details mehr sehen kann.

Im Zuge dieser Erweiterung der eigenen räumlichen Wahrnehmung verschiebt sich zugleich der gedanklichen Kontext von Tilman Wendlands Arbeiten. Die Installation, vor der man steht, mag tatsächlich aus kleinen architektonischen Zitaten bestehen, zugleich scheint die spezifische Kombination der Elemente sich aber auf den übergeordneten Typus des weißen Ausstellungsraumes zu beziehen. 1976 beschrieb der amerikanischen Künstler Patrick Ireland in einer unter dem Pseudonym Brian O‘Doherty veröffentlichen Reihe von Essays, wie rahmenlose Kunstwerke den bis heute gültigen „white cube“ Ausstellungsraum zu sein universalen Durchbruch verholfen hat. Wenn das Kunstwerk nicht mehr seinen eigenen Abschluss visuell oder inhaltlich definiert, sondern darüber hinaus wächst, wird plötzlich auch der Raum, in dem das Kunstwerk betrachtet wird, zunehmend wichtig. Der Raum selbst umrahmt das Kunstwerk. In einer Tradition von Künstlern, die in den letzten vier Jahrzehnten sich nicht nur damit abgefunden haben, rahmenlose Werke zu schaffen, sondern gleich den Raum selbst und seine Redefinition zum eigentlichen Inhalt zu machen, hat Tilman Wend- land ein bemerkenswertes, eigenständiges und feinfühliges Werk geschaffen. Auf das letzte Glied dieser Kette, die Installation für den Heidelberger Kunstverein, können wir alle gespannt sein.
 

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