Jacky Strenz

Emanuel Seitz

28 May - 18 Jul 2010

"Ich setze Malerei nicht als Selbstzweck ein, sondern um eine Idee zu verwirklichen. Früher war mein Konzept, Landschaft zu empfinden. Jetzt ist es eine eher abstrakte Ausstellung mit Farbfeldern. Dadurch formt sich auch eine Art Landschaft. Oder Tiefe. Oder Räumlichkeit."

Eine Farbe ist durchsichtig oder deckend, heller oder dunkler, rein oder gebrochen, ex- oder introvertiert. Zu diesen messbaren Qualitäten kommen die davon veranlassten Empfindungen hinzu, die auf individuellen Assoziationen beruhen. Die Faktoren, die diese Eigenschaften steuern, beruhen auf dem Zusammenspiel von Material und Struktur der Bildträger und Malmittel, von Größe, Format und Position im Raum, von Gemeintem und Nicht-Gemeintem.

Die Wahrnehmung dieser Wechselwirkungen von Farbe mit äußeren und inneren Gegebenheiten bedarf nur einer einzigen Anstrengung: Konzentration. Denn der Unterschied zwischen bloßer Empfindung und bewusster Wahrnehmung der Farbe erfordert eine Adaption des Sehsinnes an Nuancen, wie es bei der Anpassung des Auges an Dunkelheit geschieht. Diese nicht zu beschleunigende Umstellung bedeutet ein zugleich passives wie aktives Gewahrsein, nämlich ergebenes Warten auf das allmähliche Hervortreten von Formen, verbunden mit einem willentlichen Erkenntnisinteresse.

Diese gleichermaßen rezeptive und eindringliche Aufmerksamkeit hat Emanuel Seitz im Rahmen der eingangs erwähnten dunklen Gemälde entwickelt, als er die Skala dessen, was mangels begrifflicherAlternativen unter „Schwarz“ subsumiert wird, mittels unterschiedlicher Malmittel und -gründe aufgefächert hatte. Ob kreidige Pinselzüge auf grober Leinwand oder aber pastose Texturen, die weniger als Oberflächen denn als Flachreliefs zu bezeichnen sind – Seitz demonstrierte das Potential der Dunkelheit in einem Umfang, der jegliche Buntfarben so schmerzlich vermissenließ wie eine Trillerpfeife beim Hören gregorianischer Gesänge.

Diese auf der Skala zwischen Hellgrau undTiefschwarz entwickelte Sensibilität kommt bei seinen aktuellen Arbeiten zum Tragen, bei denen die dunkle Palette nun vereinzelte farbige Zonen umfängt. Anders als gewollte Effekte, treten die aus reinem Pigment gewonnenen Formen nicht als Figur vor einen Grund, sondern sind dank ihrer lebhaften Struktur mitdem nicht minder profilierten Umfeld verwoben.

Und hier liegt das Besondere an Seitz'traditionsreicher Beschäftigung mit der Beziehung von Farbe, Form und materieller Beschaffenheit. Die Bildarchitektur der großen wiekleinformatigen Arbeiten besteht aus miteinander verklammerten Elementen, denen die prekäre Balance zwischen geometrischem und organischem Umriss gelingt. Geometrische Grundformen - Rechteck, Dreieck, Kegelstumpf, Halbkreis und Stufen - sind horizontal und vertikal positioniert und wahren so eine Stabilität der Form innerhalb eines stellenweise regelrechten Aufruhrs der Farbe. Ungeachtetder expressiven Konturen der pigmentierten Zonen dominiert die Vertikale, und zwar mit aufsteigender Tendenz. Die horizontalen Bereiche hingegen bilden ein Gravitationszentrum, das die Komposition am Auseinanderdriften hindert.

Während Seitz durch komplexe Prozeduren das leuchtende Pigment in sandigen, perlenden, wolkigen und von temperamentvollen Streifen gegliederten Feldern verteilt und so jede Binnenform individuell belebt, bleibt durch den weitgehenden Verzicht auf diagonale Flächen und freie Linien eine Ruhe erhalten, in der vielfältige Erscheinungsformen der jeweiligen Farbe zutage treten. Nach dem Prinzip des kontrollierten Zufalls führt Seitzunberechenbare Prozesse herbei, um beispielsweise Cadmium-Gelb und Grünspan zu nicht-klassifizierbaren Reaktionen zu veranlassen. Anders als manche Arten gestischer Malerei aber arten die sich somit verselbständigen Areale keinen Tumult aus, sondern werden durch die Disziplin der hieratisch wirkenden Formen gebremst.

Trotz sich unweigerlich einstellender musikalischer Assoziationen verfügen die mal separat angeordneten, mal sich überlagernden Klänge über eine eigenartige Stille, die an Menhire erinnert. Die monumentale Strenge, die - unabhängig vom physischen Format – von sämtlichen der Figuren ausgeht, hat Seitz ins Dreidimensionale übersetzt und in Gestalt eines flachen anthrazit-farbenen Kubus inmitten des Ausstellungsgeschehens platziert. Die in der stelenartigen Plastik verkörperte Fläche bündelt und verdeutlicht das auf den Gemälden wiederkehrende Motiv des aufwärts Gerichteten und gliedert die beiden Räume in eine Vielzahl von Blickachsen auf die sich bei wechselndem Licht dramatisch wandelnden Gemälde.


english

"I do not employ painting as an end in itself, but as the means to realize an idea. My concept used to be to sense landscape. Now it is more an abstract exhibition with colour fields. This also forms a sort of landscape."

A colour is transparent or opaque, lighter or darker, pure or broken, ex or introverted. To these measurable qualities come the sensations that they cause, which are affected by individual associations. The factors which affect these qualities allude to the interplay of material and structure, of size, format and position in space, of what is meant and not meant.

The perception of the reciprocal effects of colours with external and internal circumstances requires only one exhersion: concentration. For the difference between simple sensation and conscious perception of colour requires an adaptation of the sense of sight towards nuances, as happens in the adjustment of the eye to darkness. This adjustment, which cannot be accelerated, calls for both passive and active mindfulness; the devoted waiting for the gradual emergence of forms, together with the will for knowledge.

Emanuel Seitz developed this awareness, as receptive as it is insistent, in the dark painting mentioned at the beginning, as he expanded the scale of what, for a lack of terminological alternatives, is subsumed as ‘black’ using various paints and grounds. Whether chalky brush strokes on rough canvas, or pasteous textures, which were not so much surfaces as shallow reliefs – Seitz demonstrated the potential of darkness to an extent which felt the lack of other colours like Gregorian chants did the whistle. This sensibility, developed on a scale between light grey and deep black, comes to bare in his current works, in which now the dark palette surrounds few coloured zones. Distinct from contrived effects, the forms created from pure pigment emerge not as figures upon a ground, but thanks to their lively structure are melded with their no less profiled environment.

And here is what is special about Seitz’s tradition-rich preoccupation with the relationship between form, colour and materiality. The image-architecture of both the large and small-format works consists of interlocking elements, which successfully manage the precarious balance of geometric and organic outlines. Geometric base forms – rectangle, triangle, frustum, semicircle and steps – are positioned horizontally and vertically and so maintain a stability of form within sometimes quite a riot of colour. Regardless of the expressive contours of the zones of pigment, the verticals dominate with an ascending tendency. In contrast, the horizontal areas build a centre of gravity which prevents the composition from drifting apart.

While Seitz uses complex procedures to distribute the bright pigments into sandy, sparkling and cloudy fields and temperamentally structured strips, and so enlivens every inner form; the general absence of diagonal fields and free lines preserves a calm in which manifestations of each colour come to light. With the principle of controlledaccidents, Seitz brings about unpredictable processes in order to cause non-classified reactions, for example between cadmium yellow and the green spectrum. In contrast to some types of gesture painting, the areas that form independently do not result in turmoil, rather are controlled by the discipline of thehieratic looking forms.

Despite the unavoidable musical associations, the sometimes separate, sometimes arranged tones hold a particular silence, which recalls Menhire. The monumental strands, which emanate from all the forms, regardless of their physical format, has been translated into the three-dimensional by Seitz and placed in the centre of the exhibition in the form of an anthracite-coloured cube. The plane embodied in the stele-like sculpture ties and emphasizes the paintings’ recurring motif of ascension and separates the two spaces into a multitude of viewpoints onto the paintings which dramatically change in shifting light.
 

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