Johnen + Schöttle

Jan Merta

21 Jun - 24 Aug 2008

© Jan Merta
Pestuj s odvahou.
Züchte mit Mut.
Grow plants with courage, 2008
Öl & Acryl auf Leinwand
/ oil & acrylic on canvas
2-teilig / 2 parts
45 × 55,5 cm / 17.7 × 21.9 inch
Eröffnung:
Samstag 21. Juni 2008, 15 – 18 Uhr
bis 24. August 2008

Dienstag-Freitag 10-13, 14-18 Uhr
Samstag 11-15 Uhr

Die 2008 fertig gestellte Bildserie „11 Moralities“ ist eine weitere Spur, die der in Prag lebende Maler Jan Merta auf seinem künstlerischen Weg hinterlässt. 11 kleine Bildpaare, oben ein Motiv, unten ein Spruch in tschechischer Sprache, sorgfältig mit schwarzer Farbe auf weißen Grund gemalt. In der gleichnamigen Ausstellung bei Johnen + Schöttle kommen noch zwei Einzelbilder und ein Bildpaar aus demselben Zeitraum hinzu.
Jan Merta, 1952 geboren, gehört zu den bekanntesten tschechischen Künstlern seiner Generation. Er prägte ähnlich wie Jiri Kovanda im wesentlichen die konzeptuellen Ansätze der künstlerischen Auseinandersetzung in der vormaligen CSSR, der heutigen Tschechischen Republik. Gemeinsam mit Jiri Kovanda hatte Jan Merta zuletzt 2007 eine Ausstellung in der Johnen Galerie, Berlin, und nahm 2003 an einer Malereiausstellung bei Johnen + Schöttle teil.
Zuvor entstanden waren bereits die „11 Allegories“ von 1998 und zwischen ihnen und den „Moralities“ liegt eine Phase von fast 10 Jahren, in der sich Merta an aktuellen Fragen der Malerei mit Ausdauer abarbeitet, an der Wahl zwischen Abstraktion und Figuration. Merta teilte das Schicksal vieler Maler, die Anfang der 90er Jahre das Bedürfnis verspürten zu malen. Zwar ist durch die Pinsel schwingenden Maler der 80er Jahre das Tabu gebrochen, nicht malen zu dürfen, doch ihr immer offensichtlicher werdendes Scheitern lässt Barnett Newmans Stigmatisierung des Figurativen wie auch die radikale Absage an den mühsamen Prozess der Bearbeitung des Materials durch Joseph Kosuth, den Vater der Concept Art, wiederauftauchen. Ist Malen noch ein adäquates technisches Verfahren und, wenn ja, in welch em Verhältnis steht das gemalte Bild nicht nur zu seinem Urbild, sondern auch zum reproduzierten Bild?
Auch Merta weiß, obwohl in Prag lebend, also in einer Stadt, die damals als Teil des
Sowjetischen Imperiums mit Informationen über das aktuelle Kunstgeschehen nicht gerade überhäuft wurde, von dieser Geste, die das Malen, Zeichnen, einfach das handwerkliche Tun für unmöglich, da obsolet erklärte. Dennoch beginnt er 1992 auf Papier mit flüssigem Kaffee Spuren zu ziehen. Dünne Striche, vom oberen Rand des Blattes nach unten gezogen, einige weitere kurze Striche und der Stiel einer Pflanze ist da. „Japonerie“ nennt Merta diese Zeichnung.
Damit beginnt Merta eine ganze Reihe von Zeichnungen und Bildern, die immer aus zwei gleichwertigen Elementen bestehen: dem Gezeichneten und dem Titel. Mertas Vorgehen verschiebt die absolute Identität eines Kosuth in den Bereich des Möglichen und geht so dem Spiel von Identität und gleichzeitiger Differenz nach. Denn es gibt sie, diese Differenz, nicht zufällig ist Derridas Begriff „la différance“ ein Schlagwort geworden. Und obwohl, wie Badiou in seinem Buch „Das Jahrhundert“ glaubt, die Kunst überwiegend der Passion des Realen im Sinne von Kosuth nachhing, und damit dem Zerstörerischen, gab es doch eine Ausnahme: das „Weiße Quadrat auf weißem Grund“ von Malewitsch. „Es gibt eine andere Passion fürs Reale“, schreibt Badiou, „ eine differentielle und differenzierende, die sich die Aufgabe stellt, die minimale Differenz zu konstruieren, ihre Axiomatik anzugeben. Das Weiße Quadrat auf weißem Grund ist eine gedankliche Präposition, die die minimale Differenz der maximalen Zerstörung entgegenstellt, weil man das Reale statt als Identität von vornherein als Kluft betrachtet.“ 1)
Folgte bei Merta der Wahl des Motivs zunächst eine eher illustrative Umsetzung wie noch in den „11 Allegories“, so tritt mit den „11 Moralities“ mehr und mehr der Prozess der Bearbeitung des Materials, der eigentliche Prozess des Malens in den Vordergrund. Die Entstehung seiner Bilder zieht sich über Monate, manchmal über Jahre hin. Immer wieder neue Entscheidungen trifft er vor der Leinwand. Zu den Entscheidungen kommt nun jedoch auch etwas Außersubjektives hinzu, etwas, was sich aus der Eigengesetzlichkeit des malerischen Prozesses ergibt, eine eigene Form von Rationalität, die in ihrer Differenziertheit Einblick in die Kluft des Nichtidentischen gewährt.
Aber das ist nur eine Ebene des Bildes: das Malerische, die Energie der Pinselstriche. Merta konfrontiert sie mit einem weiteren Bild, das aus einer Schrift auf weißem Untergrund besteht, jedoch in seiner Vielschichtigkeit in nichts dem Motivbild nachsteht. Nicht um eine Allegorie, schon gar nicht um eine Identitätsbeziehung zwischen dem Motiv und den Worten geht es hier. Manchmal bedingen die Motive die Sprüche, aber wie Merta sagt, kann es auch der Spruch sein, der Einfluss auf das Bild nimmt. Die Beziehungen zwischen dem Dargestellten und dem geschriebenen Satz sind fließend, wechselseitig und offen. Sie öffnen eine Kluft, die mit Bedeutungen gefüllt werden kann. Das Reale als eine Kluft, wie es Malewitsch mit seinem „Weißen Quadrat auf weißem Grund“ demonstrierte, steht für ein Verhältnis zur Wirklichkeit, das, wenn wir Badiou folgen, vor dem fatalen Hang zum Zerstörerischen halt macht. Handelt es sich hier um ein Paradox? Mit einer List führt Merta uns zu Widersprüchen, die aber nicht Ratlosigkeit, sondern nachdenkliche Heiterkeit auslösen, die Spuren hinterlässt.
 

Tags: Joseph Kosuth, Jirí Kovanda, Jan Merta