Kadel Willborn

Katja Davar

27 Feb - 03 Apr 2010

© Katja Davar
Silence is far from an idle task (filmstill), 2009
animation on DVD, B/W, silent, 4:18 min loop. Format PAL 4:3
KATJA DAVAR
"Reptile Turf & Copper Alloys"

27.02.2010 - 03.04.2010

Das Überlagern und Ineinanderblenden von antagonistischen Bildelementen ist konstitutiv in Katja Davars Bildräumen, in denen die Künstlerin gleichsam ein Moment des Ausblicks und des Zweifels zusammen führt und als utopisch anmutende Landschaft vereint: Mit analytischem wie auch kritischem Blick untersucht Davar die Wechselwirkung von Natur, Technik und gesellschaftlichen Wertesystemen, die sie in ihren Zeichnungen und Animationen in mehrdimensionalen Schichten und Ebenen darstellt. Die Konfrontation von möglichen sowie gegebenen Zuständen und Raumstrukturen ist bei Katja Davars konzeptuell geprägter Bildfindung entscheidend. Hierbei fungiert der Titel ihrer künstlerischen Arbeiten oftmals als Schnittstelle, welche die aus fiktiven und realer Ereignisse entlehnten Bildsituationen zueinander positioniert und in Beziehung setzt.

Für ihre aktuelle Ausstellung Reptile Turf & Copper Alloys hat die Künstlerin zwei großformatige Graphitzeichnungen angefertigt, welchen sie in unserer Galerie eine Rauminstallation – ein vorgefundenes Architekturmodell – gegenüber stellt. Diese im asiatischen Baustil entworfene, einer Palastanlage nachempfundene und aus Steinguss gefertigte Miniatur fand in den 1920er Jahren im Kontext belgischer Landschaftsgärten Anwendung als eine Art „Stadt“ für Schildkröten. Im Ausstellungsraum in der Weise eines Readymades präsentiert, besteht die ihrer Funktion entleerte Miniatur nunmehr als skulpturales Relikt, das modellhaft die Imitation einer idealen gesellschaftlichen Struktur illustriert. Einzelne Bauelemente dieses Stadtmodells bilden hierbei formale Referenzen zu Davars Zeichnungen.

So hat die Künstlerin mitunter die materialen Eigenschaften des Metalls Kupfer – eines der ältesten, kulturell verwendeten Metalle – symbolhaft in ihren Zeichnungen als formgebendes Element integriert: Strahlenförmige, kristallartig in Kreisen ausdifferenzierte Flächen, gewundene Linien (als Sinnbild für die elektrische Leitfähigkeit dieses Metalls) oder ansteigende wie abfallende Balken-Strukturen (angelehnt an Diagramme von Kupferpreisen der letzten einhundert Jahre) sind Bildelemente, aus denen sich hier die Substanz des von Davar generierten Panoramas heraus bildet. Während das Sujet ihrer Zeichnungen einer landschaftlich-architektonischen Darstellung entspricht und so auch den Ausstellungsraum im Bild fortführt, zirkuliert Katja Davars immanente Bildsprache zwischen einem realistischen und abstrakten Formenvokabular, das sich synthetisch im Bild durchdringt.

Die von der Künstlerin verwendeten Formelemente – die sie zum Teil einem (kunst)-historischen Kontext entnimmt – bestehen hierbei als subtiler Spiegel natürlicher, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklungen und Verhältnisse, welche in Katja Davars Formgebung eine Allianz eingehen und dabei den Aufbruch eines technozentristischen Blicks mit sich bringen. So dient ein von dem britischen Industriedesigner und Pflanzenforscher Christopher Dresser entworfenes Ornament als Vorbild für die Gestalt einer Blattstruktur, die das Wurzelwerk eines asiatisch anmutenden Baumes in Katja Davars Zeichnung bekleidet. An anderer Stelle konterkariert die Künstlerin eine fiktiv konstruierte Industrielandschaft mit einer in der Renaissance konzipierten Turmstruktur – ein Bildelement, das in Korrespondenz zu der Bildtafel The Renunciation of Worldy Goods aus Giottos 14-teiligem Fresko in Assisi steht und in diesem Kontext einen Verweis auf die Ablehnung weltlicher Besitztümer bildet.

Katja Davars Animationen führen den in ihren Zeichnungen ausgeführten Gedanken des subtilen gesellschaftlichen Abbildens schließlich im filmischen Bild fort. Die Arbeit Silence is far from an idle task zeigt eine Bildfläche, die zwischen Standbild und bewegtem Bild oszilliert, wobei sich der Bildgegenstand aus der Überlagerung von Worten und geschwungenen Linien herausschält. Während die parallel zueinander verlaufenden und überblendeten Linienstrukturen einem Medienbild von den im Meeresboden hinterlassenen Furchen einer 1978 im Pazifik vorgenommenen Mangangrabung entlehnt sind, zeigen die von Davar ausgewählten Textpassagen Fragmente eines über die Künstlergruppe Art & Language verfassten Essays, welches sich mit der Bedeutung physischer Objekte im Kontext der Kunstproduktion beschäftigt.
Katja Davar zeigt hier, wie auch generell in ihrer künstlerischen Arbeit Resultate menschlicher Entwicklungen, ohne dabei den Menschen als solchen sichtbar zu machen. Es sind allem voran Bruchstücke vergangener und möglicher Handlungen, welche Davar in ihren Bildsituationen und dialektischen Bildtechniken einfängt, und derart gleichsam in traditionell-analogen wie zeitgenössisch-digitalen Medienformaten präsentiert.

Christina Irrgang
 

Tags: Katja Davar, Art & Language, Art & Language