Kasseler Kunstverein

Back to Kassel

01 May - 27 Jun 2010

F. C. Gundlach
Op Art-Badeanzug von Sinz. Vouliameni/Griechenland, 1966
BACK TO KASSEL

1. Mai bis 27. Juni 2010
Eröffnung: Freitag, 30. April 2010, 19 Uhr

Jupp Ernst (Kassel 1954-1968)
F. C. Gundlach (Kassel 1947-1949)
Günter Kupetz (Kassel 1962-1974)
Peter Raacke (Kassel 1958-1963)

Kuratoren: Werner Demme mit Jürgen O. Olbrich

Der Kasseler Kunstverein präsentiert in der Ausstellungsreihe "BACK TO KASSEL" Vertreter verschiedener künstlerischer Disziplinen, die in Kassel gelebt, studiert oder gearbeitet, die Stadt aber vor mindestens fünf Jahren verlassen haben. Nachdem 1998 bildende Künstler, 2002 Grafikdesigner und Illustratoren und 2004 Fotografen eingeladen wurden, gibt der Kasseler Kunstverein in seinem 175. Jubiläumsjahr Einblicke in das Werk der drei herausragenden international bekannten Designer Jupp Ernst , Günter Kupetz und Peter Raacke sowie des Fotografen F. C. Gundlach .
Ihnen war die nordhessische Metropole für kurze oder längere Zeit Mittelpunkt ihres Wirkens, Lernens und Lehrens. Neben einem Querschnitt durch das kreative Schaffen werden bei dieser Ausstellung diejenigen Arbeiten in den Fokus gerückt, die im engeren wie weiteren Kontext in der Zeit in Kassel entstanden sind. Dass viele dieser Arbeiten in Kassel entworfen wurden, dass ihr Wirken und ihre Lehrtätigkeit in Kassel, aus Kassel heraus in die ganze Welt ausgestrahlt hat, ist oftmals nicht bewusst. Im Kasseler Kunstverein stehen die von ihnen gestalteten Gegenstände, ihre Entwürfe, ihre gebrauchsgrafischen Arbeiten, Produkte und Fotografien im Zentrum. Es sind Arbeiten, die für ihre gestalterische Qualität, Innovation und zeitlose Form Maßstäbe gesetzt und Design- und Fotografiegeschichte geschrieben haben.

Jupp Ernst wird 1954 als Direktor an die wieder eröffnete Werkkunstschule nach Kassel berufen und entwickelt sie zur Ausbildungsstätte für Industriedesigner weiter - unter Einbeziehung der Visuellen Kommunikation, so dass sie sich mit diesem modernen Programm zu einer führenden Schule auch international profiliert. Er gründet die Zeitschrift "form", ruft das "Institut für Industrieform" ins Leben und richtet 1964 für die documenta III die Sonderschau "Industrial Design und Graphik" aus. Neben seiner intensiven Lehrtätigkeit war Ernst einer der renommiertesten Designer im Deutschland der Nachkriegszeit und einer der typischen Vertreter der "Guten Form". Er vertrat alle Bereiche des Designs, agierte zudem als Fotograf, Werbegrafiker, Architekt und bildender Künstler. Vielfältig sind seine prägnanten Entwürfe für Zeichen und Signets namhafter Firmen. Ernst gestaltete das gesamte Erscheinungsbild der Firma Melitta und entwickelte Strategien zur Produktvermarktung durch Konzepte zur Schaufenstergestaltung. Seine Entwürfe für Kaffee- und Teeservices stehen in ihrer Schlichtheit in Dekor und Farbgestaltung synonymhaft für die Produktgestaltung der 1950er Jahre. Seine Keramiken, entworfen und produziert für die Firma Jasba in den 1960er Jahren, zeigen seinen großen Hang zur japanischen Kultur. Das für die farbige Gestaltung von modernen Küchenoberflächen entwickelte Resopal prägte er ebenso durch seine Werbekonzepte wie das Erscheinungsbild der Tapetenfirma Rasch, deren Produkte er in neuartiger Form auf Messen und einem eigens von ihm gestalteten Raum im Tapetenmuseum Kassel inszenierte.

F. C. Gundlach hat als Fotograf über Jahrzehnte die Mode begleitet, sie dokumentiert und inszeniert sowie durch seine Art der Darstellung und ihre Verbreitung durch die Printmedien auch die Menschen selbst, ihre Wünsche und Sehnsüchte und ihr Umfeld maßgeblich beeinflusst. Er hat schließlich selbst ein Stück Designgeschichte geschrieben. Seine Arbeiten spiegeln den Wandel der Mode von der Haute Couture bis zum Prêt-à-porter und zeigen den Wechsel von Schönheitsidealen. Perfektion im Handwerk, kreative Inszenierung und Wahl eines außergewöhnlichen Ambientes zeichnen die Fotografien von Gundlach aus. Sie sind auf das Notwendigste reduziert und grafisch klar strukturiert, zeigen trotz ihrer kühlen Strenge oft eine emotional sinnliche Komponente. Kassel als Stadt der Kinos und des Films in den 1950er Jahren zollt der Kasseler Kunstverein Anerkennung durch eine Auswahl von Portraits damaliger Stars und Sternchen, aufgenommen für die Zeitschriften "Film und Frau" und "Gala".

Günter Kupetz' Werk steht stellvertretend für den Beginn des Industriedesigns in Deutschland. Mit Berufskollegen wie Peter Raacke gründet er den "Verband Deutscher Industrie Designer", führt die Berufsbezeichnung Industriedesigner ein und etabliert die Ausbildung in Kassel und anderen Hochschulen für Gestaltung.
Seine vielfältigen Entwürfe für Cromargan-Teile haben das einzigartige Erscheinungsbild der Firma WMF in den1960er Jahren maßgeblich geprägt, beeinflussten die Wertschätzung eines Alltagsgegenstandes und sind bis heute Teil der Tischkultur geblieben. Die Herausforderung, mit dem neuen Material Kunststoff den Produkten die adäquate Form zukommen zu lassen, zeigt sich in seinen Entwürfen für Haushaltswaren der Firma Schumm. Als innovativ und visionär sind die Entwürfe für Telefongeräte der Firma Telefunken zu bezeichnen. Ganz eindeutig ist sein Name mit der sogenannten "Perlenflasche" verbunden. Ausgezeichnet mit dem Bundespreis "Gute Form" wird sie seit 40 Jahren unverändert von der Genossenschaft Deutscher Brunnen hergestellt und vertrieben. Als das meist produzierteste Designobjekt der Welt ist ihre Popularität konkurrenzlos.

Mit dem Namen Peter Raacke verbindet man das zum Designklassiker gewordene Besteck "mono-a", das er 1959 in seiner Kasseler Zeit entwickelte und von der Firma Hessische Metallwerke Gebr. Seibel in Ziegenhain auf den Markt gebracht wurde. Es ist der konsequente Gegenentwurf zur Formensprache der 1950er Jahre mit seinen Nierentischen und Tütenlampen: sachlich, reduzierte Form, konsequent funktional. Immer wieder wurde das Besteck von Raacke analog zum Zeitgeschmack variiert oder ergänzt: "mono-clip", "mono-e" und "mono-ring" . Bis heute hat es an Modernität, Aktualität und Zeitlosigkeit nichts verloren. Den Puls der 1960er Jahre trafen und prägten seine Möbel aus Wellpappe: Möbel für junge Leute in der Ära des Aufbruchs und der Mobilität, preiswert, minimalistisch in der Form, objekthaft und bereits dem Recyclinggedanken verhaftet und ökologisch visionär - Möbel für progressive Intellektuelle und Studenten. Wie auch der sogenannte "Revoluzzerkoffer", ursprünglich konzipiert als kostengünstig zu produzierender Kunststoffbehälter für Werkzeug, avanciert er Mitte der 1970er Jahre zum Kultkoffer für Designer und andere Kreative, Understatement signalisierend im Gegensatz zum repräsentativen Managerkoffer.
 

Tags: F.C. Gundlach, Das Institut