Kasseler Kunstverein

Monitoring

Ausstellung für Medieninstallationen - beim 34. Kasseler DokfestAnnkathrin Kluss

15 - 19 Nov 2017

Annkathrin Kluss - Hyperreal Camouflage
Marlene Maier - Food only exists on pictures
Marlene Maier - Food only exists on pictures
Maximilian Schmoetzer - Preliminary Material for 2022
Maximilian Schmoetzer - Preliminary Material for 2022
Ralph Schulz - Testimonials
Tilman Hornig - Glassphones
Tilman Hornig - Glassphones
Tilman Hornig - Glassphones
MONITORING
Ausstellung für Medieninstallationen - beim 34. Kasseler DokfestAnnkathrin Kluss
15 - 19 November 2017

Die Ausstellung Monitoring des 34. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofestes präsentiert 15 Medieninstallationen von internationalen Künstler/innen. Mit Monitoring erweitert sich der kinematografische Raum des Festivals um Arbeiten, die über die herkömmliche Präsentationsform der Kinoleinwand hinausgehen.
Ausstellungsorte sind der Kasseler Kunstverein, KAZimKUBA, der Südflügel, das Stellwerk und das Medienprojektzentrum Offener Kanal im KulturBahnhof Kassel.

Do we need fiction to create reality?

Kann durch Fiktion eine neue Realität geschaffen werden? Können Bilder Geschichte nicht nur dokumentieren, sondern auch hervorbringen? Der Philosoph Armen Avanessian gibt darauf eine eindeutige Antwort, indem er Science Fiction als „den besseren, wenn nicht sogar einzig möglichen Realismus“ bezeichnet, mit dem die Zukunft zurückgewonnen werden könne. In diesem Sinne präsentiert Monitoring Medieninstallationen, die einen spekulativen Blick in die Zukunft werfen und damit zeitgleich die Gegenwart reflektieren.

In Pinar Yoldas Videoinstallation herrscht die künstliche Intelligenz „Kitty AI“ über die Welt, da die Politiker/innen den Herausforderungen einer globalisierten Welt nicht mehr gewachsen waren. Das Scheitern der Politik spielt auch in der virtuellen Realität von „Journey to Mars“ von Halil Altindere eine maßgebliche Rolle, indem die „Flüchtlingsfrage“ provokant mit der Übersiedlung der Schutzsuchenden auf einen anderen Planeten beantwortet wird.

Mit dem Verschwimmen klarer Grenzen zwischen Mensch und Technik werden Besucher/innen von Echo Can Luo konfrontiert: In Luos Installation können diese bei Tee und Keksen mit der digitale Assistentin „Alexa“, sowie zwei Avataren plaudern. Auch die performative Arbeit „Gazing Figures“ von Topicbird (Jasper Meiners und Isabel Paehr) beschäftigt sich mit der Symbiose von Mensch und Technik. Mit vier Kameras an Armen und Knien sowie einem vierteiligen Splitscreen versuchen sie, die Vieläugigkeit der Sprungspinne Phidippus Regius nachzuahmen.

Daneben geben Tilman Hornigs „GlassBooks“, in ihrem radikalen Minimalismus sowie durch ihre völlige Transparenz eine Idee davon, wie sich der Dematerialisierungsprozess von Smart-Devices in der Zukunft fortsetzen könnte.

Doch nicht nur Technik wird unsichtbarer. „Wie verschwinden Menschen in einem Zeitalter totaler Sichtbarkeit?“, fragt eine Stimme aus dem Off in Marlene Maiers fiktionaler Drei-Kanal-Videoinstallation. Warum ist der Mensch, der Algorithmen das Sehen beibringt, selbst nicht zu sehen? Einen anderen Verlust von Körperlichkeit thematisiert Annkathrin Kluss' raumgreifende Installation „Hyperreal Camouflage“ - das Verschwinden realer Körper durch die Optimierung mit digitaler Bildbearbeitung. Die kapitalismuskritische Videoinstallation von Maximilian Schmoetzer zeichnet in computergenerierten Bildwelten das düstere Bild einer Zukunft, in der technischer Fortschritt vollkommen in der Macht globaler Konzerne liegt. Ralph Schulz' Videoloop „Testimonials&ldquo befasst sich auf anderer Ebene mit den absurden Blüten, die der Kapitalismus treibt. Die Arbeit zeigt vom Künstler selbst in Auftrag gegebene Videobewertungen zu einem fiktionalen Kunstwerk, die in ihrer Präsentation selbst zum Kunstwerk werden.

Joseph Namy richtet den Blick in die Vergangenheit und untersucht den Umgang mit Geschichte. In „Purple, Bodies in Translation“ versucht er die Komplexität des Krieges in Syrien und im Irak über verschiedene Nuancen der Farbe Violett nachvollziehbar zu machen. Lam Yi-Ling behandelt, ausgehend von ihrer Annahme, dass „körperliche Gewalt ein tief gespeichertes Klangerlebnis“ ist, häusliche Gewalt in China. Dokumentarischer arbeitet Katrin Winkler, die in „towards memory“ deutsche und namibische Geschichte verknüpft und sich mit den (Un-)Sichtbarkeiten von Kolonialismus, Genozid, Vertreibung und Apartheid beschäftigt. Mayan Printz thematisiert den Holocaust und erzählt in „Displaced“ von „Eltern, die vergessen wollen, und Kindern, die sich erinnern müssen.“ Ein Bezug auf die jüngere Geschichte Kassels entsteht durch „SPOTS". Die kurzen audiovisuellen Interventionen kommentieren den NSU-Komplex und erzählen auch die Geschichte von Halit Yozgat, der am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde.

Die diesjährigen Arbeiten von Monitoring machen deutlich, dass der Blick in die Vergangenheit mindestens genauso wichtig wie der spekulative Blick in die Zukunft ist, um unsere Gegenwart besser begreifen und verantwortungsvoll gestalten zu können.

Text: Judith Waldmann
 

Tags: Halil Altindere, Tilman Hornig, Katrin Winkler