André Butzer
27 May - 14 Aug 2011
André Butzer, Welt aus Toom 2010
Oil on canvas, 250 x 360 cm
Rafaela and Kaj Forsblom Collection
© André Butzer
Oil on canvas, 250 x 360 cm
Rafaela and Kaj Forsblom Collection
© André Butzer
ANDRÉ BUTZER
Der Wahrscheinlich Beste Abstrakte Maler Der Welt
27 May – 14 August 2011
André Butzer (* 1973, lebt in Brandenburg) zeigt in der kestnergesellschaft unter dem Titel »Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt« neun großformatige, nichtgegenständliche Gemälde der letzten drei Jahre. Dass er tatsächlich der beste abstrakte Maler ist, daran glaubt A. Butzer – so ist die Danksagung des Künstlers im Ausstellungskatalog unterzeichnet – denn würde er es nicht tun, er hätte seinen Beruf verfehlt. Bei diesem bekundeten Selbstbewusstsein verblüfft es, die Formulierung des Titels in der dritten und nicht in der ersten Person vorzufinden. Er habe es geschafft, neben sich zu treten, indem er derart von sich spreche. Es sei nun an der Zeit, nicht nur die Herrschaft der Mittel im Bild, sondern auch die Herrschaft über die Auslegung seiner Arbeiten an sich zu reißen, die bisher das Publikum innehatte. A. Butzer beansprucht damit nichts Geringeres als die absolute Souveränität und entlässt uns, seine Betrachter, aus der Funktion der Interpretierenden.
All das habe ihm das Gemälde »Ich will erst mal ’ne Cola« (2010) offenbart. Es habe ihm deutlich gemacht, dass er ein Anderer als sein eigener Name werden müsse. Dazu schreibt er kurz und schmerzlos: »André, go home!« Die Arbeit »Ich will erst mal ’ne Cola« leitet darüber hinaus eine neue Phase im Schaffen des Künstlers ein. Fortan entstehen minimale Bilder, die Butzer als »N-Bilder « bezeichnet, wie die 2011 entstandene Malerei »Ohne Titel«, die in der Ausstellung zu sehen ist. Sie erscheint hart und silbrig glänzend, hat nichts mehr vom pastosen Malstil früherer bunter Arbeiten. Die »N-Bilder« zieren einzig Linien, die sich zu Rechtecken zusammenschließen und wie Bilder im Bild wirken.
»N« oder »NASAHEIM« ist ein Gedankenkonstrukt von André Butzer, das ihm, wie er sagt, hilft, seine Sache zu machen. Die Wortschöpfung setzt sich aus »Nasa« und »Anaheim« zusammen, dem kalifornischen Ort, an dem das erste Disneyland eröffnet wurde. Butzers »NASAHEIM« aber ist ein unerreichbarer und nicht vorstellbarer Ort. In »NASAHEIM« werden alle Farben aufbewahrt. Dieser Ort wird in frühen Werken als ein Haus mit dem Buchstaben ›N‹ dargestellt, das nicht über eine Tür verfügt und somit nicht betreten werden kann. Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn erläutert Butzer auch, in diesem Haus wohnten einige seiner Lieblingsfiguren wie Edvard Munch oder Henri Matisse. Andere selbst erwählte Schutzheilige sind Walt Disney, Friedrich Hölderlin und Henry Ford. Diese Persönlichkeiten können wir jedoch nicht als Alter Ego des Künstlers auffassen, obwohl es zu Verschmelzungen wie »N-Hölderlin« oder »Henry Matisse« kommt, die Arbeiten betiteln. Für Butzer sind sie wie eine Handbibliothek, die stets mitgeführt, aber in der nicht gelesen wird. Die Auseinandersetzung mit diesen gedanklichen Konstrukten hilft uns, etwas über Butzers künstlerisches Schaffen zu erfahren.
Die Beschäftigung mit Disney etwa steht gleichsam für eine Auseinandersetzung mit unserer Populär- und Unterhaltungskultur ein. Auch der Titel »Ich will erst mal ’ne Cola« verweist mit seiner lapidaren Formulierung darauf. Es gibt in Butzers bisherigem Werk viele solcher sprachlichen Wendungen: »Phantom von der Firma Langnese«, »Tom und Jerry«, »Donald Duck«, »Dornröschen von der Firma Hubba-Bubba«, »Aladin und die Wunderlampe«, »Max von den Muppets« heißen Arbeiten der letzten drei Jahre (sie alle sind im Ausstellungskatalog abgebildet), die auch auf die Welt der Kindheit verweisen. Allerdings werden diese Titel auf motivischer Ebene nicht eingelöst. Und auch nicht auf formaler: André Butzer will nicht so malen, als hätten Kinder seine Bilder gemalt. Er selbst bezeichnet seine Malerei als langsam, schön und elegant. Verunsichernd wirkt in diesem Zusammenhang die Aussage des Künstlers, er freue sich, dass »Mutterbild« (2011)aussehe, als habe es ein Hooligan gemalt. Also doch eine rohe, gewaltvolle Malerei? Oder schließt diese Bemerkung die Anwesenheit von etwas Zartem in den Bildern nicht aus? Butzers Aussagen sind oft widersprüchlich. »Ich versuche, alle meine Bilder so oft wie möglich und so gut wie möglich zu wiederholen, um sie weniger schlimm zu machen, so wie Warhol oder Pablo Picasso das schon vor mir gemacht haben, ich mache also Massenkultur, mein größtes Vorbild ist Tizian und desweiteren Henry Matisse aus den USA, der aber nur in meiner Vorstellung existiert.«
Wie können wir die Ölmalerei als anspruchsvolle Technik, die Meisterschaft abverlangt, mit einer gleichförmigen Massenproduktion in Einklang bringen? Das Arbeiten in Serie, wie Henry Ford es entwickelt hat, steht im Widerspruch zu dem Gedanken des singulären Meisterwerks wie wir es anhand des Titels »Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt« vermuten können. Butzer vereint solche Gegensätze bzw. sind es für ihn keine. Er gründet im Jahr 2000 gar eine Firma, die »FRIEDENS-SIEMSENSE CO.«, deren einziger Mitarbeiter er ist und deren Aufgabe es ist, »sich der künstlerischen Abstraktion als allzeit übergeordnetem Prinzip zu widmen«. Seine hohe Kunst der Ölmalerei unterwirft er Regeln, die nicht viel mit artistischem Einfallsreichtum zu tun zu haben scheinen: Butzer malt mit im Handel erhältlichen Ölfarben, meist trägt er die industrielle, vorfabrizierte Farbe ungemischt auf die Leinwand auf – Ready Mades aus der Tube. Und auch seine Pinsel haben nichts vom edlen Werkzeug eines Malers. Im Baumarkt kauft er sie, nicht im Kunstfachhandel. Butzer malt so lange mit ihnen, bis sie eingetrocknet sind. Dann werden sie schlicht in den Müll geworfen. Kein würdevoller Umgang mit dem eigenen Material. André Butzer sagt, er male nur aus Stoff, aus Material. Ideen könne man in Malerei nicht umsetzen. »Welt aus Toom« (2010) heißt ein Gemälde, das diese Sicht manifestiert: ›Toom‹ ist der Name einer Baumarktkette.
In André Butzers Werk tauchen viele Themen auf: Industrialisierung, Konsum, Popkultur, die Geschichte der USA und Deutschlands. Die Beschäftigung mit ihnen dient, folgen wir dem Künstler, dennoch nicht dem Formulieren von Kritik. Sie entstehe aus purer Begeisterung und Abstoßung zugleich. Die Kunst als ein Ort, an dem ein Aufgehen in Widersprüchen möglich ist, das ist wahrscheinlich die beste Formel, um sich der Malerei von A. Butzer zu nähern. Mittendrin im Widerspruch. Das, was krank macht, ist gleichzeitig toll: die industrielle Welt, Cola trinken, Chips essen. Wie das Verschwinden in der Aufforderung »André, go home!« und die Setzung »Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt« einander eigentlich ausschließen und es doch nicht tun.
Der Wahrscheinlich Beste Abstrakte Maler Der Welt
27 May – 14 August 2011
André Butzer (* 1973, lebt in Brandenburg) zeigt in der kestnergesellschaft unter dem Titel »Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt« neun großformatige, nichtgegenständliche Gemälde der letzten drei Jahre. Dass er tatsächlich der beste abstrakte Maler ist, daran glaubt A. Butzer – so ist die Danksagung des Künstlers im Ausstellungskatalog unterzeichnet – denn würde er es nicht tun, er hätte seinen Beruf verfehlt. Bei diesem bekundeten Selbstbewusstsein verblüfft es, die Formulierung des Titels in der dritten und nicht in der ersten Person vorzufinden. Er habe es geschafft, neben sich zu treten, indem er derart von sich spreche. Es sei nun an der Zeit, nicht nur die Herrschaft der Mittel im Bild, sondern auch die Herrschaft über die Auslegung seiner Arbeiten an sich zu reißen, die bisher das Publikum innehatte. A. Butzer beansprucht damit nichts Geringeres als die absolute Souveränität und entlässt uns, seine Betrachter, aus der Funktion der Interpretierenden.
All das habe ihm das Gemälde »Ich will erst mal ’ne Cola« (2010) offenbart. Es habe ihm deutlich gemacht, dass er ein Anderer als sein eigener Name werden müsse. Dazu schreibt er kurz und schmerzlos: »André, go home!« Die Arbeit »Ich will erst mal ’ne Cola« leitet darüber hinaus eine neue Phase im Schaffen des Künstlers ein. Fortan entstehen minimale Bilder, die Butzer als »N-Bilder « bezeichnet, wie die 2011 entstandene Malerei »Ohne Titel«, die in der Ausstellung zu sehen ist. Sie erscheint hart und silbrig glänzend, hat nichts mehr vom pastosen Malstil früherer bunter Arbeiten. Die »N-Bilder« zieren einzig Linien, die sich zu Rechtecken zusammenschließen und wie Bilder im Bild wirken.
»N« oder »NASAHEIM« ist ein Gedankenkonstrukt von André Butzer, das ihm, wie er sagt, hilft, seine Sache zu machen. Die Wortschöpfung setzt sich aus »Nasa« und »Anaheim« zusammen, dem kalifornischen Ort, an dem das erste Disneyland eröffnet wurde. Butzers »NASAHEIM« aber ist ein unerreichbarer und nicht vorstellbarer Ort. In »NASAHEIM« werden alle Farben aufbewahrt. Dieser Ort wird in frühen Werken als ein Haus mit dem Buchstaben ›N‹ dargestellt, das nicht über eine Tür verfügt und somit nicht betreten werden kann. Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn erläutert Butzer auch, in diesem Haus wohnten einige seiner Lieblingsfiguren wie Edvard Munch oder Henri Matisse. Andere selbst erwählte Schutzheilige sind Walt Disney, Friedrich Hölderlin und Henry Ford. Diese Persönlichkeiten können wir jedoch nicht als Alter Ego des Künstlers auffassen, obwohl es zu Verschmelzungen wie »N-Hölderlin« oder »Henry Matisse« kommt, die Arbeiten betiteln. Für Butzer sind sie wie eine Handbibliothek, die stets mitgeführt, aber in der nicht gelesen wird. Die Auseinandersetzung mit diesen gedanklichen Konstrukten hilft uns, etwas über Butzers künstlerisches Schaffen zu erfahren.
Die Beschäftigung mit Disney etwa steht gleichsam für eine Auseinandersetzung mit unserer Populär- und Unterhaltungskultur ein. Auch der Titel »Ich will erst mal ’ne Cola« verweist mit seiner lapidaren Formulierung darauf. Es gibt in Butzers bisherigem Werk viele solcher sprachlichen Wendungen: »Phantom von der Firma Langnese«, »Tom und Jerry«, »Donald Duck«, »Dornröschen von der Firma Hubba-Bubba«, »Aladin und die Wunderlampe«, »Max von den Muppets« heißen Arbeiten der letzten drei Jahre (sie alle sind im Ausstellungskatalog abgebildet), die auch auf die Welt der Kindheit verweisen. Allerdings werden diese Titel auf motivischer Ebene nicht eingelöst. Und auch nicht auf formaler: André Butzer will nicht so malen, als hätten Kinder seine Bilder gemalt. Er selbst bezeichnet seine Malerei als langsam, schön und elegant. Verunsichernd wirkt in diesem Zusammenhang die Aussage des Künstlers, er freue sich, dass »Mutterbild« (2011)aussehe, als habe es ein Hooligan gemalt. Also doch eine rohe, gewaltvolle Malerei? Oder schließt diese Bemerkung die Anwesenheit von etwas Zartem in den Bildern nicht aus? Butzers Aussagen sind oft widersprüchlich. »Ich versuche, alle meine Bilder so oft wie möglich und so gut wie möglich zu wiederholen, um sie weniger schlimm zu machen, so wie Warhol oder Pablo Picasso das schon vor mir gemacht haben, ich mache also Massenkultur, mein größtes Vorbild ist Tizian und desweiteren Henry Matisse aus den USA, der aber nur in meiner Vorstellung existiert.«
Wie können wir die Ölmalerei als anspruchsvolle Technik, die Meisterschaft abverlangt, mit einer gleichförmigen Massenproduktion in Einklang bringen? Das Arbeiten in Serie, wie Henry Ford es entwickelt hat, steht im Widerspruch zu dem Gedanken des singulären Meisterwerks wie wir es anhand des Titels »Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt« vermuten können. Butzer vereint solche Gegensätze bzw. sind es für ihn keine. Er gründet im Jahr 2000 gar eine Firma, die »FRIEDENS-SIEMSENSE CO.«, deren einziger Mitarbeiter er ist und deren Aufgabe es ist, »sich der künstlerischen Abstraktion als allzeit übergeordnetem Prinzip zu widmen«. Seine hohe Kunst der Ölmalerei unterwirft er Regeln, die nicht viel mit artistischem Einfallsreichtum zu tun zu haben scheinen: Butzer malt mit im Handel erhältlichen Ölfarben, meist trägt er die industrielle, vorfabrizierte Farbe ungemischt auf die Leinwand auf – Ready Mades aus der Tube. Und auch seine Pinsel haben nichts vom edlen Werkzeug eines Malers. Im Baumarkt kauft er sie, nicht im Kunstfachhandel. Butzer malt so lange mit ihnen, bis sie eingetrocknet sind. Dann werden sie schlicht in den Müll geworfen. Kein würdevoller Umgang mit dem eigenen Material. André Butzer sagt, er male nur aus Stoff, aus Material. Ideen könne man in Malerei nicht umsetzen. »Welt aus Toom« (2010) heißt ein Gemälde, das diese Sicht manifestiert: ›Toom‹ ist der Name einer Baumarktkette.
In André Butzers Werk tauchen viele Themen auf: Industrialisierung, Konsum, Popkultur, die Geschichte der USA und Deutschlands. Die Beschäftigung mit ihnen dient, folgen wir dem Künstler, dennoch nicht dem Formulieren von Kritik. Sie entstehe aus purer Begeisterung und Abstoßung zugleich. Die Kunst als ein Ort, an dem ein Aufgehen in Widersprüchen möglich ist, das ist wahrscheinlich die beste Formel, um sich der Malerei von A. Butzer zu nähern. Mittendrin im Widerspruch. Das, was krank macht, ist gleichzeitig toll: die industrielle Welt, Cola trinken, Chips essen. Wie das Verschwinden in der Aufforderung »André, go home!« und die Setzung »Der wahrscheinlich beste abstrakte Maler der Welt« einander eigentlich ausschließen und es doch nicht tun.