Kölnischer Kunstverein

Sean Snyder

No Apocalypse, Not Now

09 Nov - 22 Dec 2013

Sean Snyder, No Apocalypse, Not Now, exhibition view, Kölnischer Kunstverein 2013, photo: Simon Vogel
Sean Snyder
No Apocalypse. Not Now, Kölnischer Kunstverein, 2013
Courtesy: Sean Snyder, Galerie NEU, Berlin; Lisson Gallery, London/Mailand; Galerie Chantal Crousel, Paris; Collection Charles Asprey, London. Foto: Amelie Proché © Kölnischer Kunstverein, 2013.
Sean Snyder wurde 1972 in Virginia Beach in den Vereinigten Staaten von Amerika geboren und studierte an der Rhode Island School of Design in Providence, an der Boston University in Boston sowie an der Städelschule in Frankfurt. Seit Mitte der 1990er Jahre hat Snyder ein Werk entwickelt, das um die Entstehung, Bedeutung und Wahrnehmung von Informationen, Bildern und Codes kreist und in Form von Filmen, Texten und Installationen in Erscheinung tritt.
Im Kölnischen Kunstverein wird das Schaffen Snyders nun erstmals in Deutschland in umfassender Weise vorgestellt. In der Ausstellung No Apocalypse, Not Now, deren Titel sich unmittelbar auf Jacques Derridas gleichnamige Schrift über atomare Endzeitvisionen sowie die Politik der Abschreckung bezieht, wird anhand von dreizehn aufeinander abgestimmten Arbeiten ein tieferer Einblick in die Praxis des Künstlers ermöglicht.

Die Ausstellung erstreckt sich dabei nicht nur auf den zentralen Pavillon des Gebäudes, dessen Fenster eigens für das Projekt mit Wänden ausgestattet wurden, sondern auch auf das Untergeschoss sowie den Kinosaal. Im großen Ausstellungspavillon des Kunstvereins wird der Besucher mit insgesamt zehn filmischen Arbeiten konfrontiert. Diese Werke umfassen nicht nur einen substantiellen Zeitraum von zehn Jahren, sie repräsentieren ebenfalls einen zentralen Teil des künstlerischen Schaffens von Snyder und vermitteln ein grundlegendes Verständnis für dessen Praxis und Herangehensweise.
Snyder nutzt als Basis seiner Arbeit unterschiedlichste Formen von Quellenmaterial, das von Nachrichten- Werbe-, Unterhaltungs- oder Amateurclips über Informationen aus öffentlichen bzw. staatlichen Datenbanken bis hin zu Sequenzen aus privaten Blogs und auch selbst produzierten Bildern reicht. Dieses Material extrahiert und sichtet Snyder, unterzieht es systematischen Untersuchungen und klopft es auf dessen Bedeutung und deren Zustandekommen ab. Auf diese Weise legt der Künstler die Mechanismen der Informations- und Bildproduktion in der heutigen, globalen Medienwelt offen und hinterfragt diese, ohne allerdings eine Wertung vorzunehmen. Die Themenfelder, die er im Zuge seines Schaffens berührt, umfassen zentrale Fragestellungen und Ereignisse der jüngeren Vergangenheit sowie der Gegenwart. Die Beziehung zwischen Bildern und Ideologien sowie gesellschaftliche und politische Systeme bilden das übergeordnete Interessensund Forschungsfeld des Künstlers.

Die filmischen Arbeiten im Ausstellungspavillon werden auf sogenannten Hantarex-Monitoren gezeigt, die entsprechend der künstlerischen Konzeption von Snyder auf Sockeln im Raum platziert und damit in gewisser Weise zu einem installativen Arrangement zusammengeschlossen sind. Die Aufstellung der Monitore ist hierbei nicht hierarchisch und folgt der Chronologie der Werke, wobei die Ältesten am Anfang und die Jüngsten am Ende der Halle aufgestellt sind. Die Tonspuren, welche die filmischen Sequenzen einiger Arbeiten begleiten, sind dabei nicht aufeinander abgestimmt, so dass sie sich teilweise überlappen.
Die Filme des Künstlers werden von Fotos und Drucken ergänzt, die an jeweils an den Stirnwänden der Halle installiert sind. Diese Arbeiten gehören zu Snyders Index, bei dem es sich um ein 2008 begonnenes Projekt handelt, das die systematische Erfassung seines, über die Jahre für die Produktion der Filme angesammelten Bild- und Datenarchivs umfasst. Ziel dieses Unterfangens ist es, sämtliche seiner Materialien im Internet öffentlich nutzbar zu machen, während die physischen Quellen in Folge der Transformationsprozesse zerstört werden. Im Kontext der andauernden Beschäftigung von Sean Snyder mit der Entstehung und dem Transfer von Informationen und Bildern, kann der mit der Erstellung von Index verbundene Prozess gewissermaßen als logische Konsequenz seiner Arbeit angesehen werden. Die in der Ausstellung präsentierten Filme verhalten sich zu dem in Index inkorporierten Archiv von Bildern und Informationen wie Essenzen, die nicht unbedingt einen höheren Wert, sondern eher eine andere Erscheinungsform markieren.
Demgegenüber stellen die gezeigten Fotos und Drucke physische Produkte der Beschäftigung Snyders mit dem Index dar, der in diesem Zusammenhang zum Ausgangspunkt gänzlich neuer Werke wurde. Diese zeigen beispielsweise Speichermedien, die der Künstler für das Archiv nutzte und die in der Manier sachlicher Dokumentationsfotos festgehalten sind. Andere Resultate des Index zeigen wiederum Nahaufnahmen und Details von Gegenständen aus dem Archiv, die nicht mehr dechiffrierbar sind und daher recht abstrakt anmuten.

Während die im Ausstellungspavillon präsentierten Werke in direkter oder indirekter Beziehung zu Index stehen, sind die Arbeiten im Untergeschoss und Kino unabhängig von diesem Projekt zu betrachten. Diese Filme, bei denen es sich um Exhibition (2008) und Afghanistan, circa 1985 (2008 – 09) handelt, entstanden als Snyder bereits mit den Arbeiten an Index begonnen hatte und wurden aus diesem Grund von den Werken im Pavillon separiert. Der im Untergeschoss ausgestellte Film Exhibition basiert auf einer sowjetischen Dokumentation aus den 1960er Jahren und zeigt eine Ausstellung von Reproduktionen unterschiedlicher Kunstwerke in einem ukrainischen Dorf. Die Arbeit thematisiert einerseits den ideologischen Gehalt des für den Film genutzten Quellenmaterials und liefert andererseits eine Reflexion über den institutionellen Charakter von Museen. Im Gegensatz dazu führt Afghanistan, circa 1985 dem Betrachter eine Begegnung zwischen einheimischen Afghanen und sowjetischen Truppen vor Augen. Die Grundlage des Werks bildet dabei Filmmaterial, das in den 1970er und 1980er Jahren während der sowjetischen Besetzung des Landes entstand. Zunächst wird eine Sequenz ohne Unterbrechung und Veränderung wiedergegeben, um dann erneut in verlangsamter Form, gewissermaßen Bild für Bild, rekapituliert zu werden. Auf diese Weise gelingt es Sean Snyder nicht nur die Formeln und Konventionen der Machtrepräsentation beider Kulturkreise nachvollziehbar zu machen, sondern zudem noch einmal die Funktion und Wirkung von Bildern im Medienzeitalter darzustellen. Die thematische Relevanz wie auch die Akribie und Präzision, die sich mit Afghanistan, circa 1985 – und ebenso mit den sonstigen Arbeiten – verbinden, können dabei wohl als eines der wesentlichen Charakteristika der künstlerischen Praxis von Sean Snyder angesehen werden und tragen maßgeblich dazu bei, dass dessen Werke einen lang anhaltenden Nachklang aufweisen.
 

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