Künstlerhaus Stuttgart

Come in, friends, the house is yours!

30 Apr - 21 Jun 2009

Dani Gal, The Record Archive, fortlaufend
COME IN, FRIENDS, THE HOUSE IS YOURS!
30. April 2009 - 21. Juni 2009

“Come in, friends, the house is yours” ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Badischen Kunstverein, der Kinemathek Karlsruhe, und dem Künstlerhaus Stuttgart. Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und eine Filmreihe finden in beiden Städten statt und verknüpfen sich inhaltlich miteinander. Das Projekt thematisiert Prozesse der Gemeinschaftsbildung und demokratischen Mitbestimmung. Im Zentrum stehen die verschiedenen Methoden und Strategien, über die sich gesellschaftliche Identifikation und Teilhabe vermittelt. Dazu zählen konkrete Ansätze, wie etwa partizipative Verfahren, politische Abstimmungsprozesse oder pädagogische Herangehensweisen, als auch bildhafte Formen oder Symbole, über die sich Gemeinschaft darstellt. Die künstlerischen Medien und Formate reichen dabei von Zeichnungen, Fotografien und Filmen über räumlichen Installationen und Skulpturen bis hin zu Aktionen und Workshops.
Mit welchen Bildern, Symbolen und Rhetoriken wird die Identifikation des Einzelnen mit einer sozialen, politischen, ökonomischen oder kulturellen Idee argumentiert? Wie greift die heutige Gesellschaft auf kollektive Sprach- und Bildgedächtnisse zurück, um Gemeinschaft zu konstituieren und welche Mechanismen des Ein- oder Ausschlusses bedingt dieser Konsens wiederum? Aber vor allem: Was für neue Aktionsräume ergeben sich aus einer Kritik an den Konditionierungen des politischen und gesellschaftlichen Raums?
Das Projekt geht von der Annahme aus, dass sich Gemeinschaften über ein geteiltes Bild- und Sprachvokabular konkretisieren. Institutionen wie Schulen, Universitäten, Parlamente, aber auch Kultureinrichtungen spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie die normative Vorstellungen und Ideen einüben. „Come in, friends, the house is yours!” lädt dazu ein, die ambivalente Funktion von Bildung und Vermittlung zu reflektieren, den festgeschriebenen Wissenskanon zu überprüfen und den Konflikt als Möglichkeit für neue Produktivität zu erkennen. Dem französischen Philosophen Jacques Rancière zufolge wird nur durch ein kritisches Hinterfragen der etablierten „Aufteilung des Sinnlichen” politisches Handeln erst wieder möglich .
Die Beiträge in Ausstellungen und Filmreihe verdeutlichen die Komplexität von kommunitären Prinzipien, ihre (widerständischen) Freiräume und Möglichkeiten, aber auch ihre staatlichen Instrumentalisierung. Die Künstlerinnen und Künstler befassen sich dabei vor allem mit der Funktion von Sprache und Bild in diesen Prozessen, insbesondere in Bezug auf Fragen der Erziehung und Wissensvermittlung. Während einzelne Arbeiten die Funktion von Bildungsinstitutionen oder die Mechanismen staatlicher, gesellschaftlicher oder marktorientierter Repräsentation diskutieren, widmen sich andere Beiträge eher methodischen Fragen zur Vermittlung über Text und Bild. An diese Diskussion schließen sich auch die so genanten Re-Education-Filme an, die einen Schwerpunkt in der Filmreihe bilden. Diese Filme wurden im Nachkriegsdeutschland zum wichtigsten Mittel einer Imagekampagne der westlichen Alliierten, um eine spezifische Idee von Demokratie und Marktwirtschaft massenwirksam zu verbreiten.
Der Titel des gesamten Projektes bezieht sich auf ein Zitat des brasilianischen Theaterautoren und Pädagogen Augusto Boal. Die von ihm entwickelten experimentellen Theaterformen sollten die traditionellen Rollenverteilungen überwinden und waren explizit als Foren politischer Verhandlung angelegt. In ihrer Beschäftigung mit dem aufklärerischen Potential von Sprache finden auch viele der künstlerischen Arbeiten zu einer formalen Anlehnung an das Theater - sei es im bühnenähnlichen Aufbau von Installation und Skulptur, durch die Herausforderung der Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion oder in der dramaturgischen Inszenierung von Bild und Text.
Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Badischen Kunstverein statt, wo die Eröffnung am 23. April stattfindet. Die Filmreihe wird von Florian Wüst kuratiert.
 

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