Kunsthalle Wien

Marina Faust

27 Jan - 28 May 2011

© Marina Faust
Portrait with red mohair, Collage, 2005
MARINA FAUST
27. Jänner - 28. Mai 2011

„Was mich bei Shelf interessiert, ist das Missverständnis, das entstehen kann: Ist es ein Arbeitsutensil, eine Struktur, die Hilfsmittel ist, oder ein Kunstwerk?“
Marina Faust

Ein Schuh, eine Prothese, ein Bild von einem Schuh, eine Kopie von einem Bild eines
Schuhes ...
Wann ist ein Ding ein Ding, wann Schuh, wann Kunst, wann Bild? Was macht den Gegenstand zum bloßen Gebrauchsutensil und was auratisiert ihn zum „numinosen“ Kunstwerk? Ist es die Kunstfertigkeit der Herstellung, die Ästhetik der Erscheinung oder die Institution als Rahmen für das Ausgestellte? Die Kunst hat immer wieder die Grenzen des Objekts, seine fetischhafte Überhöhung und alltägliche Nutzung befragt. Marina Faust gesellt sich mit ihren Fotografien, Videos und Skulpturen in die Reihe der konzeptuell agierenden Künstler und lotet die medialen Bedingungen und Überschreitungen von Kunst aus. Abseits von schematisierenden Untersuchungen wie sie etwa Joseph Kosuth anhand von Dingen austestet, indem er beispielsweise die platonische Idee des Stuhls von seinen vielfachen Erscheinungsformen in der Welt als abstrakte Entität absetzt, konzentriert sich Marina Faust auf das Ding an sich und verfährt im Sinne eines Spekulativen Realismus: Sie untersucht das Verhältnis von Objekten und Prozessen zueinander und versucht zu den Dingen selbst durchzudringen. Das philosophische Schlagwort ist der Korrelationismus, der sich bewusst von psychologisierenden und hermeneutischen Diskursen abhebt und das alltägliche Zeug, wie es Heidegger genannt hätte, neu verhandelt und Beziehungsmäßigkeiten nachspürt.
Marina Faust interessiert sich für zirkuläre Arbeitsprozesse, für performative Aktionen von Menschen mit Gegenständen, für Ephemeres und Unscheinbares – seien es Prothesen, die Rückansicht von Werken sowie Luxus- und Nutzobjekte, die ihrem üblichen Dienst ganz einfach enthoben werden. Die Objektserie Shelf, die sowohl Display als auch Skulptur ist, beherbergt schwarzweiße Bilder – Scans und Vergrößerungen von Gebrauchsimagos unterschiedlichster Schuhe von Haute-Couture bis zu Sexshop-Modellen, die in der Weiterverarbeitung zu abstrakt-poetischen Ikonen werden und die man je nach Laune neu in Shelf positionieren kann. Denn nichts bleibt wie es ist. Marina Faust löst etablierte ästhetische Hierarchien der Kunstwertigkeit auf, lässt die Bedeutung der Dinge changieren, gibt ihnen eine andere Funktion, spielt, provoziert und experimentiert. In ihrem Werk gibt es kein Alpha und Omega, sondern nur einen Schulterschluss von Bedingtheiten: Die Traveling Chairs kann man nur zu zweit verwenden, der eine schiebt, der andere wird geschoben, sie führen zur Erfahrung einer selbstgewählten Abhängigkeit. Wie in Cruise befinden wir uns ständig auf der Reise.
Verankert ist das Oeuvre von Marina Faust in den Selbstporträts, die sie seit Beginn ihrer Karriere macht. Sie setzt sich in Szene und verbirgt sich gleichzeitig hinter Materialien wie Mohairwolle und Rasierschaum. Darin zeigt sich symbolisch ihre Herangehensweise, Dinge nah an sich heran zu rücken, um sie dann auch wieder wegzuschieben – ein Oszillieren zwischen Faszination und Repulsion, Identität und Verschiebung.

Marina Faust lebt und arbeitet in Wien und Paris.

Kuratorin: Angela Stief
 

Tags: Marina Faust, Joseph Kosuth