Kunstmuseum Basel

Hermann Scherer

Kerben und Kanten

15 Jan - 18 Apr 2022

Ausstellungsansicht Kunstmuseum Basel | Neubau
Hermann Scherer. Kerben und Kanten
Photo Credit: Foto: Julian Salinas
Ausstellungsansicht Kunstmuseum Basel | Neubau
Hermann Scherer. Kerben und Kanten
Photo Credit: Foto: Julian Salinas
Ausstellungsansicht Kunstmuseum Basel | Neubau
Hermann Scherer. Kerben und Kanten
Photo Credit: Foto: Julian Salinas
Ausstellungsansicht Kunstmuseum Basel | Neubau
Hermann Scherer. Kerben und Kanten
Photo Credit: Foto: Julian Salinas
Versuchung des Antonius
Hermann Scherer, 1924
Holzschnitt in Schwarz auf Japanpapier (Typ 1)
Blatt: 50.4 x 70.5 cm (grösste Masse) Bild: 42.3 x 54.6 cm (grösste Masse)
Inv. 1926.49
Photo Credit: Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett - Martin P. Bühler
Die Schlafenden
Hermann Scherer, 1924
Holzschnitt in Schwarz auf beigefarbenem Papier
Blatt: 64.2 x 93.5 cm (grösste Masse) Bild: 55.2 x 84.7 cm (grösste Masse)
Inv. 1926.50.s
Photo Credit: Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett - Martin P. Bühler
Der Kranke
Hermann Scherer, 1925
Holzschnitt in Schwarz auf beigefarbenem Papier
Blatt: 67.3 x 55.2 cm Bild: 54.9 x 51.2 cm (grösste Masse)
Inv. 1926.48
Photo Credit: Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett - Martin P. Bühler
Atelierfest
Hermann Scherer, um 1924/25
Holzschnitt in Schwarz auf Japanpapier (Typ 2)
Blatt: 46 x 62.2 cm (grösste Masse) Bild: 42.4 x 55 cm (grösste Masse)
Inv. 1926.48.t
Photo Credit: Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett - Martin P. Bühler
Der Kranke
Hermann Scherer, 1925
Druckstock aus Arvenholz
HxBxT: 54.5 x 51.3 x 1 cm
Inv. 2022.12
Photo Credit: Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett - Jonas Hänggi
E. L. Kirchner bei der Arbeit an der Holzskulptur "Weisses Tanzpaar"
Hermann Scherer, 1924
Graphit und schwarze Fettkreide
Blatt: 47.1 x 31.1 cm
Inv. 1927.547
Photo Credit: Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett - Jonas Haenggi
Kuratorin: Marion Heisterberg

«Die Frage, die sich da aufdrängt, ob das Leben […] heiter und glücklich sei, wage ich nicht zu beantworten, ich empfinde und gestalte das, was für mich Realität geworden ist, [...] wenn dieses Erlebnis elementar auf mich eindringt.» (Hermann Scherer, 1925)

Der Holzschnitt nimmt im Oeuvre des in Basel ansässigen Expressionisten Hermann Scherer (1893–1927) eine bedeutende Rolle ein. Das Kunstmuseum Basel widmet den Werken des Künstlers in diesem Medium eine eigene Ausstellung im Neubau und bringt darin seine Druckstöcke mit Originalabzügen aus der Sammlung und zahlreichen Leihgaben zusammen.

Im Schaffen von Hermann Scherer sind seine letzten zweieinhalb Lebensjahre zentral. In dieser Zeit wird «Scherer zu Scherer»: Der gelernte Steinmetz löst sich endgültig von früheren Einflüssen (Aristide Maillol, Carl Burckhardt, Auguste Rodin) und schlägt – von Ernst Ludwig Kirchner inspiriert – eine radikal neue Richtung ein. Im Frühsommer 1923 geht der damals 30-jährige Scherer Kirchner bei der Einrichtung von dessen Ausstellung in der Kunsthalle Basel zur Hand. Zum Dank lädt Kirchner ihn nach Davos ein, mit dem Gedanken, Scherer möge «ein wenig» im dortigen Arvenholz schnitzen.

Das neue Material begeistert Scherer und löst eine Phase unbändiger Kreativität aus: Innerhalb von 22 Monaten entstehen über 100 Holzschnitte und rund 25 Holzskulpturen. Im Holzschnitt findet er zu einer abstrahierend-flächigen Formreduktion, die auf seine Zeichnungen und Gemälde zurückwirkt: Geschwungene Silhouetten weichen kantigen Formen und der Spur des energischen Hiebs. Die für den Künstler wichtigen Lebensthemen wie Liebe und Triebhaftigkeit, Zwei- und Einsamkeit, Existenzangst und Exzess finden in seinen Holzschnitten ihre schärfste Zuspitzung. Scherer war – gemäss dem ehemaligen Museumsdirektor Georg Schmidt (1896–1965) – «der Heftigsten, Unbedingtesten einer». Er machte nicht nur existenzielle Grundkonflikte zum Gegenstand seiner Arbeit, sondern wusste auch ausgelassen zu feiern. Der Holzschnitt Atelierfest (1924/25) (zu dem das Kunstmuseum Basel das Pendant in Öl besitzt) zeugt davon.

54 Druckstöcke Scherers kamen mit Jahresbeginn 2022 als Schenkung in die Sammlung des Kupferstichkabinetts im Kunstmuseum Basel. Eine Auswahl daraus ist in Hermann Scherer. Kerben und Kanten zum ersten Mal öffentlich zu sehen, zusammen mit Originalabzügen, die von ihnen genommen wurden. Einen weiteren Höhepunkt der Ausstellung bilden die drei grossen Mappenwerke Raskolnikoff (1924/25), Baal (1925) und Die Zwölf (1925/26), welche erstmals in Originalabzügen zusammen gezeigt werden. Ergänzt wird die rund 150 Werke umfassende Ausstellung durch zahlreiche Holzskulpturen und Skizzen, darunter Leihgaben aus Berlin, Köln, Chur, Davos sowie aus dem Künstlernachlass und Privatsammlungen.

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit Beiträgen von Margitta Brinkmann, Marion Heisterberg, Wolfgang Kersten, Stephan Kunz und Martin Schwander im Verlag Scheidegger und Spiess, herausgeben von Marion Heisterberg und Stephan Kunz.

Die 54 Druckstöcke Scherers verdankt das Kunstmuseum Basel der Schenkung des Nachlasses Hermann Scherer.

Die Ausstellung wird unterstützt von:
Anonyme Gönner:innen
Stiftung für das Kunstmuseum Basel

Die Ausstellung wird im Anschluss in veränderter Form im Bündner Kunstmuseum Chur (18. Juni – 25. September 2022) und im Ernst Barlach Haus, Hamburg (5. März – 5. Juni 2023) gezeigt.

Biografische Angaben

Hermann Scherer wurde 1893 in Rümmingen im Markgräflerland geboren. Nach einer Ausbildung als Steinmetz in Lörrach arbeitete er zwischen 1910 und 1919 zunächst bei den Basler Bildhauern Carl Gutknecht und Otto Roos. Ab 1918 assistierte er Carl Burckhardt bei der Ausführung der beiden Brunnenskulpturen Rhein und Wiese vor dem Badischen Bahnhof in Basel. 1920 hatte Scherer erstmals Gelegenheit, sein plastisches Werk in Stein und Gips in der Kunsthalle Basel auszustellen.

Ab 1920 begann er zu malen. Entscheidenden Einfluss auf diese Entwicklung hatte die Begegnung mit dem Schaffen von Edvard Munch. Seine ersten Malversuche umfassten Bildnisse, Akte und Landschaftsdarstellungen. 1923 lernte er Ernst Ludwig Kirchner kennen und verbrachte in der Folge mehrere längere Aufenthalte bei ihm in Davos, wo seine ersten Holzskulpturen und Holzschnitte entstanden.

In der Silvesternacht 1924/1925 gründete Scherer zusammen mit Paul Camenisch und Albert Müller die Basler Künstlergruppe «Rot-Blau», die dem Expressionismus nahestand und die Situation für junge Künstler in Basel verbessern wollte. Die Gruppe beeinflusste die Malerei in der Schweiz massgeblich und half, die künstlerische Moderne zu etablieren.

Im Herbst 1926 erkrankte Scherer. Er starb am 13. Mai 1927 in Basel. Die Kunsthalle Basel richtete im Februar 1928 eine grosse Gedächtnisausstellung ein.

Mit seinen Skulpturen und Holzschnitten gehört Hermann Scherer neben Ernst Barlach und Ernst Ludwig Kirchner zu den bedeutendsten Künstlern des Expressionismus, die Holz als Material wählten.
 

Tags: Ernst Barlach, Carl Burckhardt, Ernst Ludwig Kirchner, Aristide Maillol, Dominikus Müller, Edvard Munch, Auguste Rodin