Kunstraum Kreuzberg / Bethanien

Wir verrecken vor Lachen! – 50 Jahre Karikatürkei

08 Sep - 04 Nov 2018

© Kunstraum Kreuzberg / Bethanien
WIR VERRECKEN VOR LACHEN! – 50 JAHRE KARIKATÜRKEI
8 September - 4 November 2018

Ein Projekt von Tunçay Kulaoglu und Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Idee und Konzept: Tunçay Kulaoglu
Kuratiert von Serkan Altunigne, Tunçay Kulaoglu und Jule Sievert

Die Ausstellung Wir verrecken vor Lachen! – 50 Jahre Karikatürkei rückt die politisch-gesellschaftliche Relevanz der Karikaturkunst in der Türkei von 1972 bis heute in den Fokus. Durch diesen zeitlichen Bogen wird die Traditionslinie der türkischen Satire nachvollziehbar. Zum einen in ästhetischer Hinsicht, schließlich lässt sich das grafische Konzept fast aller Satirezeitschriften in der heutigen Türkei auf die 1972 erstmalig erscheinende Zeitschrift Girgir zurückführen, die den Startschuss für ein massentaugliches Blatt gab. Zum anderen diente dessen legendäre vorletzte Seite mit Rubriken wie „Grünschnabel“ oder „Eier vorm Schlüpfen“ als Talentschmiede für den zeichnenden Nachwuchs, so dass die renommiertesten Karikaturist*innen der Gegenwart sich dort mit ihren ersten Arbeiten erproben konnten. Bis heute prägen diese Generationen die Karikaturkunst der Türkei.

Auch auf inhaltlicher Ebene wird die gegenwärtige Karikaturkunst kontextualisiert, werden Kontinuitäten und thematische Entwicklungen aufgezeigt. In den Themenfeldern wie Sexualität, politischer Widerstand, feministische Perspektiven oder deutsch-türkische Arbeitsmigration wird die Satire in ihrem Facettenreichtum, ihrem enormen kreativen Potenzial erlebbar.

Damit lenkt die Ausstellung das Augenmerk auf ein dissidentes künstlerisches Feld, das im westlichen Bewusstsein wenig präsent ist. Karikaturkunst als kritisches Genre – und als Massenphänomen – findet in der gegenwärtigen Türkei-Berichterstattung kaum Raum. In der oft grell zugespitzten Nachrichtenrealität werden zumeist nur Arbeiten regimetreuer Zeichner*innen herangezogen, die etwa Angela Merkel als Hitler-Wiedergängerin oder in anderen Nazi-Zusammenhängen zeigen. Die Gefahr, in die sich widerständige Cartoonist*innen genau so wie andere Kulturschaffende und Oppositionelle begeben, bleibt dagegen überwiegend ausgeblendet. Ebenso das hierzulande völlig unbekannte breite Spektrum von radikalen ästhetischen Ansätzen zwischen Cartoon, Graphic Novel und Comic.

Die Ausstellung Wir verrecken vor Lachen! – 50 Jahre Karikatürkei mit ihrem umfangreichen Rahmenprogramm aus Künstler*innengesprächen, Performances, Stand Up, Workshop, Vorträgen u.a. soll weniger zum bloßen Anschauen und Ausstellen einladen als vielmehr zum Interagieren und Teilen des gemeinsamen Humors. Denn „Autorität bedarf zu ihrer Erhaltung und Sicherung des Respekts entweder vor der Person oder dem Amt. Ihr gefährlichster Gegner ist nicht Feindschaft, sondern Verachtung, und was sie am sichersten unterminiert, ist das Lachen.“ (Hannah Arendt) Die aktuellen Resonanzräume der Satire zeigen in ihrem zunehmend begrenzten Raum das gesellschaftlich-künstlerische Potential der Karikaturist*innen im Hinblick auf ihre politische Widerständigkeit auf und sollen sie stärken.

Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und den Berliner Projektfonds kulturelle Bildung.
In Kooperation mit dem Maxim Gorki Theater und Young Arts Neukölln.
 

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