Kunstverein Leipzig

Raum der Gegenwart

27 May - 17 Jul 2011

RAUM DER GEGENWART
Kuratiert von Britt Schlehahn
27. Mai bis 17. Juli 2011

Mit Arbeiten von: Agentur für Gegenwart, Anke Dyes und Niklas Lichti, Nils Emde, Moritz Frei, Bertram Haude, Caoimhe Kilfeather, REINIGUNGSGESELLSCHAFT

Der Titel »Raum der Gegenwart« ist der nichtrealisierten Raumarbeit von Laszlo Moholy-Nagy aus dem Jahr 1930 entlehnt. Alexander Dorner beauftragte ihn für das Provincialmuseum in Hannover einen Raum zu schaffen, der die Auswirkung von Kunst auf die Erscheinungen des täglichen Lebens an Beispielen aus Architektur, Theater, Film, Fotografie, Sport, Plakatgestaltung u.a. aufzeigen sollte. Dem voraus ging das »Kabinett der Abstrakten«, das El Lissitzky 1926 erstmals auf der Internationalen Dresdner Kunstausstellung ausstellte und der die Auswirkungen abstrakter Kunst auf den Alltag formulierte.

Der Kunstverein Leipzig möchte nun in Anlehnung an diese Formen der Auseinandersetzung zwischen Kunst und Leben eine neue Fragestellung formulieren und dabei das Verhältnis von Kunst und Arbeitsleben der letzten zehn Jahre einer Revision sowohl auf künstlerischer als auch theoretischer Ebene unterziehen. Im Mittelpunkt steht die Einflussnahme des Kunstfeldes auf die Debatten um den Arbeitsbegriff.

Spätestens mit dem Erscheinen von »Umherschweifende Produzenten« im Jahr 1998 steht der Begriff »Arbeit« im Zusammenhang mit Immaterialität. Diese Verbindung meint in erster Linie nicht die zunehmende Virtualisierung von Arbeitsprozessen im Sinne von der tatsächlichen Form der Produktion, sondern »das Auftauchen eines Typs von intellektuellen Arbeiterinnen und Arbeitern, die selbst unternehmerisch tätig werden, involviert in sich ständig verschiebende Austauschverhältnisse und in Veränderung begriffene raum-zeitliche Netze«.

Ein Jahr später entwickeln Luc Boltanski und Eve Chiapello in »Le Nouveau Esprit du Capitalisme« (Paris 1999) die These, dass die Integration und Anpassung kapitalistischer Verfahrensweisen an die künstlerische Kritik der intellektuellen Avantgarden des 20. Jahrhunderts zur Modernisierung des Kapitalismus und zur Entwurzelung der sozialen Kritik führt. 2000 beschreiben Thomas Lemke, Susanne Krasmann und Ulrich Bröckling die Gouvernementalität der Gegenwart, die auf Anpassungsfähigkeit, Dynamik, Flexibilität beruht und die Selbstverantwortlichkeit an das eigene Leben an »betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien und unternehmerischen Kalkülen« ausrichtet. In der Nachfolge formulieren Ausstellungen – wie beispielsweise »Der 3. Sektor« (2001-2002, Kunstverein Wolfsburg, Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig), die 4. Werkleitz-Biennale ›Real Work‹ (2002) – einerseits Kritik am Modell des Künstlersubjekts für postfordistische Arbeitsverhältnisse, um andererseits Auswege aus dieser Form der Übernahme aufzuzeigen. An welcher Stelle stehen wir heute – im Raum der Gegenwart? Stimmt das Urteil von Holger Cube Ventura aus dem Jahr 2002, das besagt, dass ›der Kunstbetrieb ein Spiel aus und mit Engagiertheiten und Idealismus ist, [und deshalb] sind gerade die Kunstleute wohl am wenigsten zu Antworten auf die Kehrseiten neoliberaler Selbstausbeutung fähig‹?

Ausstellung
Seit über zehn Jahren wird der Wandel in den Arbeitsverhältnissen hin zu Postfordismus mit flexiblen Arbeitszeiten, Selbstökonomisierung und Selbstausbeutung etc. verbunden mit dem Leitmotiv von schöpferischer Arbeit. Das Künstlersubjekt steht dabei Pate, um instabile Arbeitsbeziehungen einen neuen Wert innerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse zu verleihen. Mit welchen Auswirkungen auf die künstlerische Arbeit? Wie beeinflussen neue Formen von Arbeitsbeziehungen den öffentlichen Raum und die öffentliche Wahrnehmung?
 

Tags: Anke Dyes, El Lissitzky, Laszlo Moholy-Nagy