Widerstand?
01 Jun - 01 Jul 2012
WIDERSTAND?
1. Juni bis 1. Juli 2012
Mit Arbeiten von: Henriette Grahnert, Eiko Grimberg, Paule Hammer, Thomas Moecker
»Nur mit Gelassenheit und Sanftmut, in der heiligen Stille der echten Passivität kann man sich an sein ganzes Ich erinnern, und die Welt und das Leben anschauen.«
Friedrich Schlegel: Lucinde (1799), Frankfurt/ Main 1985, S. 47.
Die Gruppenausstellung beschäftigt sich mit der Tätigkeit des Oblomowierens – dem Offline-Status, den Möglichkeiten, um einen Ruhezustand zu erreichen, der sich gänzlich dem hektischen Zeitdiktat entzieht. Oblomow – der Akteur aus Iwan Gontscharows gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1859 – hält an seinem Ideal des Liegens und Ruhens und somit der gesellschaftlich geächteten Passivität gegen allen Widerstand fest, verteidigt ihn auf seine Weise euphorisch und entwickelt daraus eine Lebensvariante, die sich dem gesellschaftlichen Zugriff ebenso entzieht wie der Nützlichkeit. Iwan Gontscharow wie auch Hermann Melville in seinem Roman „Bartleby the Scrivener“ (1853) oder Friedrich Schlegel in „Lucinde“ (1799) thematisieren eine Lebensweise, die fast zeitgleich zur Einführung der Gewerbefreiheit und der daran anschließenden Gründerzeit Handlungsoptionen zeigen, die sich gänzlich dem gesellschaftlichen Leitbild der optimitierten Produktion sowohl im Leben als auch Beruf verweigern. Diese Verweigerungsform wiederum wird sowohl in den Romanen als auch in den Klischees dem Künstlersubjekt scheinbar vorbehaltlos zugesprochen. Was passiert aber, wenn Künstlerinnen und Künstler als Vorreiter einer neuen Arbeitsform im Zuge der Umwandlung der Arbeitswelt auftreten? Bereits seit den 1970er-Jahren mehren sich Beschreibungen von Arbeitssucht oder tödlichen Krankheiten – wie etwa in Japan „Karōshi“ der plötzliche Tod am Arbeitsplatz. Heute wiederum mahnen Krankenkassenberichte und zahllose Ratgeber vor der Hektik des Alltags- und Berufslebens. Versuche – das Phänomen „Burnout“ klar zu diagnostizieren – scheiterten bisher. Der Offline-Status – das Abgeschnittensein von den permanenten Erreichbarkeitsmedien – scheint in der Gegenwart ein Zustand höchstens Glücks, der Ruhe und eine Erfahrung, die in Büchern – wie Christoph Koch „Ich bin dann mal offline“ (München 2010) oder Alex Rühle „Ohne Netz“ (Stuttgart 2010) – in den Feuilletons gefeiert wird. Das Künstlersubjekt scheint dabei der ideale Akteur, um den Müßiggang ›produktiv‹ zu beschreiben, fällt ihm doch klischeehaft die Rolle des Flaneurs zu. Welche Formen der Beschreibung finden sich aber heute? Ist der Müßiggang wirklich „aller Laster Anfang“ oder nicht vielmehr eine Schutzfunktion, die nun eingeübt werden muss, um der Gesellschaft nicht zur Last zu fallen?
1. Juni bis 1. Juli 2012
Mit Arbeiten von: Henriette Grahnert, Eiko Grimberg, Paule Hammer, Thomas Moecker
»Nur mit Gelassenheit und Sanftmut, in der heiligen Stille der echten Passivität kann man sich an sein ganzes Ich erinnern, und die Welt und das Leben anschauen.«
Friedrich Schlegel: Lucinde (1799), Frankfurt/ Main 1985, S. 47.
Die Gruppenausstellung beschäftigt sich mit der Tätigkeit des Oblomowierens – dem Offline-Status, den Möglichkeiten, um einen Ruhezustand zu erreichen, der sich gänzlich dem hektischen Zeitdiktat entzieht. Oblomow – der Akteur aus Iwan Gontscharows gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1859 – hält an seinem Ideal des Liegens und Ruhens und somit der gesellschaftlich geächteten Passivität gegen allen Widerstand fest, verteidigt ihn auf seine Weise euphorisch und entwickelt daraus eine Lebensvariante, die sich dem gesellschaftlichen Zugriff ebenso entzieht wie der Nützlichkeit. Iwan Gontscharow wie auch Hermann Melville in seinem Roman „Bartleby the Scrivener“ (1853) oder Friedrich Schlegel in „Lucinde“ (1799) thematisieren eine Lebensweise, die fast zeitgleich zur Einführung der Gewerbefreiheit und der daran anschließenden Gründerzeit Handlungsoptionen zeigen, die sich gänzlich dem gesellschaftlichen Leitbild der optimitierten Produktion sowohl im Leben als auch Beruf verweigern. Diese Verweigerungsform wiederum wird sowohl in den Romanen als auch in den Klischees dem Künstlersubjekt scheinbar vorbehaltlos zugesprochen. Was passiert aber, wenn Künstlerinnen und Künstler als Vorreiter einer neuen Arbeitsform im Zuge der Umwandlung der Arbeitswelt auftreten? Bereits seit den 1970er-Jahren mehren sich Beschreibungen von Arbeitssucht oder tödlichen Krankheiten – wie etwa in Japan „Karōshi“ der plötzliche Tod am Arbeitsplatz. Heute wiederum mahnen Krankenkassenberichte und zahllose Ratgeber vor der Hektik des Alltags- und Berufslebens. Versuche – das Phänomen „Burnout“ klar zu diagnostizieren – scheiterten bisher. Der Offline-Status – das Abgeschnittensein von den permanenten Erreichbarkeitsmedien – scheint in der Gegenwart ein Zustand höchstens Glücks, der Ruhe und eine Erfahrung, die in Büchern – wie Christoph Koch „Ich bin dann mal offline“ (München 2010) oder Alex Rühle „Ohne Netz“ (Stuttgart 2010) – in den Feuilletons gefeiert wird. Das Künstlersubjekt scheint dabei der ideale Akteur, um den Müßiggang ›produktiv‹ zu beschreiben, fällt ihm doch klischeehaft die Rolle des Flaneurs zu. Welche Formen der Beschreibung finden sich aber heute? Ist der Müßiggang wirklich „aller Laster Anfang“ oder nicht vielmehr eine Schutzfunktion, die nun eingeübt werden muss, um der Gesellschaft nicht zur Last zu fallen?