Jessica Gispert
01 - 30 Aug 2015
JESSICA GISPERT
Sense of Selfed
1 – 30 August 2015
Die Tradition der Selbstdarstellung hat eine lange Geschichte: Von den frühen Künstlerselbstbildnissen in der Malerei oder Bildhauerei, über die ersten photographischen Selbstporträts von Hippolyte Bayard, Talbot oder Cornelius Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zu ihrer Ausbreitung durch die Performance, besonders in der Bodyart der 60er Jahre. Ende der 70er Jahre drückte die amerikanische Künstlerin Cindy Sherman in ihren Selbstinszenierungen selbst auf den Auslöser des Fotoapparats. Man könnte hier beinahe von Selfies sprechen, mit dem wesentlichen Unterschied, dass diese neue Art des Sich-selbst-Fotografierens Spontaneität, eine kurze Distanz zum Körper – meistens aus Armeslänge – und oft die Veröffentlichung in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram impliziert. Dazu kann Jeder, und nicht nur professionelle Fotografen, mit einem Smartphone oder einer kleinen Kamera Fotos von sich aufnehmen; die fotografische Qualität ist nicht entscheidend, was zählt ist vor allem der Effekt und die Aufmerksamkeit, die aus der Veröffentlichung resultiert.
In ihrer Ausstellung Sense of Selfed reflektiert Jessica Gispert (*1984 in Miami, lebt und arbeitet in Düsseldorf) diese Art der Selbstdarstellung in einem surrealen Storyboard, gedruckt auf großen Werbe-Stoffbannern: die Venus von Willendorf, Figurine aus der jüngeren Altsteinzeit rund 25.000 v. Chr., die für Gisperts Fotoserien als 3D-Skulptur nachgedruckt wurde, und eventuell Ebenbild der Künstlerin verkörpert, ist in eine Umgebung aus Sand und Wasser eingebettet. Laut dem Kunsthistoriker LeRoy McDermott entstand die Venus von Willendorf durch Selbstbeobachtung und nicht durch die Betrachtung Außenstehender. Sie gehört demnach vielleicht zu den ersten Selbstbildnissen der Menschheit. Jessica Gispert nimmt unter anderem diese Annahmen zum Anlass die Venus in der Ästhetik des Selfies zu inszenieren: Sie steht in der Mitte des Bildes und ist von nächster Nähe aus fotografiert worden. Obwohl die maßstabsgetreue 3D-Skulptur, die an der Rückwand des Kunstvereins zu sehen ist, in der Realität 12 cm groß ist, erscheint sie in dieser Landschaft ohne Größenverhältnisse, menschengroß.
Urlaubsfotos am Strand zeigen eigentlich banale Motive. Was Gispert mit ihrer Fotoserie erreicht, ist also weniger eine Provokation wie die einer Kim Kardashian, die für ihre 40 Mio. Follower auf Instagram "Belfies" (Selfies von Hintern) postet, als eine komische und absurde Situation, in dem sie den Eindruck privater Urlaubsbilder einer zum Leben erweckten nackten Skulptur vermittelt. Wie in einem Fries bewegt sich die Venus von Bild zu Bild, von Fenster zu Fenster und zeigt sich aus unterschiedlichen Perspektiven, mal im Sand, mal auf einem Handtuch, mal von oben oder mal von hinten. Die Künstlichkeit der Situation ist aber offensichtlich: Die Venus bleibt am Ende eine Plastik-Kopie eines Stein-Abbildes einer Unbekannten. Als anonymes Wesen zwischen Puppe und Frau nimmt sie an etwas teil, das sich als große Maskerade entfaltet. Die digitalen Medien erlauben es uns, unser Image zu verbreiten, „geliked“ zu werden, aber wo bleibt das Gefühl man Selbst in sich zu sein, wenn Privatheit gleich Öffentlichkeit ist? Die Ausstellung Sense of Selfed lässt für einen Augenblick den Besucher durch die Spiegelung seines Selbst Teil dieser Komödie sein und lädt ihn dazu ein mit dieser Reflektion die Ambivalenz des digitalen Spiegels zu erforschen.
Für die Sommerreihe Durchblick konzipieren KünstlerInnen eine Ausstellung, die explizit für die Rezeption von außen über die große Fensterfront des Kunstvereins vorgesehen ist. Währenddessen bleibt der Kunstverein geschlossen.
Sense of Selfed
1 – 30 August 2015
Die Tradition der Selbstdarstellung hat eine lange Geschichte: Von den frühen Künstlerselbstbildnissen in der Malerei oder Bildhauerei, über die ersten photographischen Selbstporträts von Hippolyte Bayard, Talbot oder Cornelius Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zu ihrer Ausbreitung durch die Performance, besonders in der Bodyart der 60er Jahre. Ende der 70er Jahre drückte die amerikanische Künstlerin Cindy Sherman in ihren Selbstinszenierungen selbst auf den Auslöser des Fotoapparats. Man könnte hier beinahe von Selfies sprechen, mit dem wesentlichen Unterschied, dass diese neue Art des Sich-selbst-Fotografierens Spontaneität, eine kurze Distanz zum Körper – meistens aus Armeslänge – und oft die Veröffentlichung in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram impliziert. Dazu kann Jeder, und nicht nur professionelle Fotografen, mit einem Smartphone oder einer kleinen Kamera Fotos von sich aufnehmen; die fotografische Qualität ist nicht entscheidend, was zählt ist vor allem der Effekt und die Aufmerksamkeit, die aus der Veröffentlichung resultiert.
In ihrer Ausstellung Sense of Selfed reflektiert Jessica Gispert (*1984 in Miami, lebt und arbeitet in Düsseldorf) diese Art der Selbstdarstellung in einem surrealen Storyboard, gedruckt auf großen Werbe-Stoffbannern: die Venus von Willendorf, Figurine aus der jüngeren Altsteinzeit rund 25.000 v. Chr., die für Gisperts Fotoserien als 3D-Skulptur nachgedruckt wurde, und eventuell Ebenbild der Künstlerin verkörpert, ist in eine Umgebung aus Sand und Wasser eingebettet. Laut dem Kunsthistoriker LeRoy McDermott entstand die Venus von Willendorf durch Selbstbeobachtung und nicht durch die Betrachtung Außenstehender. Sie gehört demnach vielleicht zu den ersten Selbstbildnissen der Menschheit. Jessica Gispert nimmt unter anderem diese Annahmen zum Anlass die Venus in der Ästhetik des Selfies zu inszenieren: Sie steht in der Mitte des Bildes und ist von nächster Nähe aus fotografiert worden. Obwohl die maßstabsgetreue 3D-Skulptur, die an der Rückwand des Kunstvereins zu sehen ist, in der Realität 12 cm groß ist, erscheint sie in dieser Landschaft ohne Größenverhältnisse, menschengroß.
Urlaubsfotos am Strand zeigen eigentlich banale Motive. Was Gispert mit ihrer Fotoserie erreicht, ist also weniger eine Provokation wie die einer Kim Kardashian, die für ihre 40 Mio. Follower auf Instagram "Belfies" (Selfies von Hintern) postet, als eine komische und absurde Situation, in dem sie den Eindruck privater Urlaubsbilder einer zum Leben erweckten nackten Skulptur vermittelt. Wie in einem Fries bewegt sich die Venus von Bild zu Bild, von Fenster zu Fenster und zeigt sich aus unterschiedlichen Perspektiven, mal im Sand, mal auf einem Handtuch, mal von oben oder mal von hinten. Die Künstlichkeit der Situation ist aber offensichtlich: Die Venus bleibt am Ende eine Plastik-Kopie eines Stein-Abbildes einer Unbekannten. Als anonymes Wesen zwischen Puppe und Frau nimmt sie an etwas teil, das sich als große Maskerade entfaltet. Die digitalen Medien erlauben es uns, unser Image zu verbreiten, „geliked“ zu werden, aber wo bleibt das Gefühl man Selbst in sich zu sein, wenn Privatheit gleich Öffentlichkeit ist? Die Ausstellung Sense of Selfed lässt für einen Augenblick den Besucher durch die Spiegelung seines Selbst Teil dieser Komödie sein und lädt ihn dazu ein mit dieser Reflektion die Ambivalenz des digitalen Spiegels zu erforschen.
Für die Sommerreihe Durchblick konzipieren KünstlerInnen eine Ausstellung, die explizit für die Rezeption von außen über die große Fensterfront des Kunstvereins vorgesehen ist. Währenddessen bleibt der Kunstverein geschlossen.