Die Wörter, die Dinge
03 Feb - 09 Apr 2007
DIE WÖRTER, DIE DINGE
Alexander Gutke, Annette Kelm, Susanne Kriemann, Matthias Meyer, Christopher Williams
3. Februar – 9. April 2007
Wörter und Dinge verhalten sich zueinander arbiträr. Das Nachdenken über die Verfasstheit der Sprache schließt deshalb das Nachdenken über die Erkenntnis von Wirklichkeit, der Bilder und der Dinge mit ein. Wie bestimmen Sprache und Kategorisierungssysteme die Wahrnehmung und Abbildung von Wirklichkeit? Wie wird unsere Wahrnehmung von dem beeinflusst, was wir zu wissen meinen? Der französische Philosoph Michel Foucault hat in seinem Buch „Die Ordnung der Dinge“, dessen Originaltitel übersetzt „Die Wörter und die Dinge“ lautet, verschiedene historische Systeme der Klassifikation untersucht, wie sich „Welt“ erfassen lässt.
Die Gruppenausstellung „Die Wörter, die Dinge“ zeigt Fotografien und Filmarbeiten internationaler Künstlerinnen und Künstler, die sich im weitesten Sinne mit solchen Fragen der Repräsentation auseinandersetzen und deutlich machen, dass ästhetische und kulturelle Bedeutung oft erst aus der Interpretation von Bildern heraus entsteht.
Die Fotografien von Susanne Kriemann beispielsweise richten in ihren Fokus auf scheinbar beiläufige Szenen, die entweder mit Bedeutung aufgeladen sind oder aber suggerieren, eine solche zu besitzen. Sie zeigen eine Zone der Verunsicherung, in der Gegenstände oder architektonische Details von Kontexten zu sprechen scheinen, die der Fotografie selbst äußerlich bleiben und auch über den Titel nicht eingeholt werden. Im Gegenteil, auch dieser fügt sich der Bildkomposition wie eine kommentierende Ebene hinzu, die suggestiv bleibt.
Oft wirken ihre Fotografien wie collagiert – verschiedene Realitätsebenen scheinen hintereinander gestaffelt. Dennoch manipuliert Kriemann nichts. Einige Motive sehen aus, als seien sie in den sechziger oder siebziger Jahren aufgenommen. Die Gegenwart schiebt sich in diese Bilder von den Rändern her ein, wenn beiläufige Details auf das Heute verweisen. Diese Verschiebung oder Verlagerung interessiert Susanne Kriemann auch aus der Perspektive der Verbildlichung von Historie in Monumenten einerseits und den ephemeren Momenten einer geschichtsvergessenen Gegenwart andererseits.
Annette Kelms Fotoarbeiten sind von einem reflektierten Umgang mit dem Medium geprägt. Oft als Serie angelegt, loten ihre Werke den Status von Fotografie als visuell geprägtes Bedeutungssystem aus, das ambivalente ästhetische Zeichen produziert. Gerade die in ihren Kompositionen vermeintlich eingeschriebene Klarheit erweist sich dabei als Irritation existenter Klassifikationssysteme, die Bedeutung dort entstehen lässt, wo sich verschiedene Zeichen überlagern.
Die Isoliertheit des beziehungsreichen Gegenstandes, der skulpturalen Form oder des Arrangements lässt den Betrachter bewusst allein mit dem, was er sieht. Der Kontext des Gezeigten ist auf den ersten Blick nicht unbedingt erschließbar, gleichwohl wirken die Bilder sehr beredt. Bei den als Serie angelegten Motiven ist es das vergleichende Betrachten, das in dem Spiel von Differenz und Wiederholung die Signifikanz des Dargestellten aufscheinen lässt, oder aber die Aufladung der Dinge selbst fokussiert.
Auch in den Fotografien des in diesem Kontext fast wie eine Referenzfigur wirkenden Künstlers Christopher Williams findet das Nachdenken über das Verhältnis von Fotografie und Fotografiertem, von Gegenstand und dessen Beschreibung eine konzeptuelle Formulierung.
Seine der Fotografie der neuen Sachlichkeit entlehnte Ästhetik entfremdet den Gegenstand von seiner Funktion, macht seine ideengeschichtliche Aufladung sichtbar und markiert die objektive Aufzeichnung von Wirklichkeit als illusionär. Fotografie impliziert bei Williams die Geschichte dieses Mediums ebenso wie die unterschiedlichen Bereiche, in denen sie zum Einsatz kommt. Angelehnt an Alfred Renger-Paetschs Fotobuch „Die Welt ist schön“, dessen ursprünglicher Titel „Die Dinge“ lautete, dokumentiert Williams Gegenstände in einer geordneten, den Dingcharakter betonenden Weise. Die Objektivität seiner Aufnahmen, die er stets von anderen Fotografen erstellen lässt, wird verstärkt durch die detaillierter Auflistung technischer Details im Bildtitel. Die suggerierte Objektivität gerät so zur visuellen Subjektivität, die um die vielen Referenzen jedes Bildes weiß. Ähnlich wie Renger-Patsch versucht Williams, die Strukturen der sichtbaren Welt in ihrer „Essenz“ zu erfassen, um sie zugleich als kulturelle Setzung zu markieren.
Matthias Meyers Videoarbeiten wiederum greifen in existentes Filmmaterial ein, das sie minimal, aber signifikant verändern. „The Black Museum“ basiert auf dem Dokumentarfilm „La Ville Louvre“ von Nicolas Philibert, der einen Blick hinter die Kulissen des Museums wirft. Meyer hat alle Gemälde, die in diesem Film auftauchen, schwarz eingefärbt. Das Museum wird so zum suprematistischen Meisterwerk, geprägt von einer Ästhetik der Negation, die aus der Absurdität der schwarzen Bilder ihr Potenzial schöpft. Die Restauratoren, Kuratoren und anderen Mitarbeiter behandeln jedes Bild wie ein „Fenster zur Welt“, auch wenn dieses für uns geschlossen bleibt. „Untitled“ wiederum basiert auf jenen Szenen aus Michaelangelo Antonionis Filmklassiker „Blow Up“, in denen der Fotograf in einem Londoner Park eine Leiche entdeckt. Die beiden Projektionen zeigen jedoch ausschließlich den rauschenden Park, das heißt, die den Film bestimmenden Handlungen wurden wegretouchiert. Die im Zentrum von „Blow Up“ stehenden Selbsthinterfragung des Mediums Films sowie allgemein der Realität von Bildern wird dadurch ausgeblendet, um als Leerstelle umso stärkere Präsenz zu erlangen.
Alexander Gutke schließlich zeigt mit „Exploded View“ eine apparativ erzeugte Sichtbarkeit, die ihrerseits die Ästhetik eines Apparats präsentiert. 81 Dias eines Kodak-Diaprojektors zeigen Details aus dem Inneren dieses Projektors. Der explizite Verweis auf sich selbst wirkt dennoch nicht hermetisch. Das geheimnisvolle Innenleben des Gerätes erweist sich vielmehr als eigene Bildwelt, die unseren Blick auf andere Formen reproduzierter Bildlichkeit verändert.
Alexander Gutke, Annette Kelm, Susanne Kriemann, Matthias Meyer, Christopher Williams
3. Februar – 9. April 2007
Wörter und Dinge verhalten sich zueinander arbiträr. Das Nachdenken über die Verfasstheit der Sprache schließt deshalb das Nachdenken über die Erkenntnis von Wirklichkeit, der Bilder und der Dinge mit ein. Wie bestimmen Sprache und Kategorisierungssysteme die Wahrnehmung und Abbildung von Wirklichkeit? Wie wird unsere Wahrnehmung von dem beeinflusst, was wir zu wissen meinen? Der französische Philosoph Michel Foucault hat in seinem Buch „Die Ordnung der Dinge“, dessen Originaltitel übersetzt „Die Wörter und die Dinge“ lautet, verschiedene historische Systeme der Klassifikation untersucht, wie sich „Welt“ erfassen lässt.
Die Gruppenausstellung „Die Wörter, die Dinge“ zeigt Fotografien und Filmarbeiten internationaler Künstlerinnen und Künstler, die sich im weitesten Sinne mit solchen Fragen der Repräsentation auseinandersetzen und deutlich machen, dass ästhetische und kulturelle Bedeutung oft erst aus der Interpretation von Bildern heraus entsteht.
Die Fotografien von Susanne Kriemann beispielsweise richten in ihren Fokus auf scheinbar beiläufige Szenen, die entweder mit Bedeutung aufgeladen sind oder aber suggerieren, eine solche zu besitzen. Sie zeigen eine Zone der Verunsicherung, in der Gegenstände oder architektonische Details von Kontexten zu sprechen scheinen, die der Fotografie selbst äußerlich bleiben und auch über den Titel nicht eingeholt werden. Im Gegenteil, auch dieser fügt sich der Bildkomposition wie eine kommentierende Ebene hinzu, die suggestiv bleibt.
Oft wirken ihre Fotografien wie collagiert – verschiedene Realitätsebenen scheinen hintereinander gestaffelt. Dennoch manipuliert Kriemann nichts. Einige Motive sehen aus, als seien sie in den sechziger oder siebziger Jahren aufgenommen. Die Gegenwart schiebt sich in diese Bilder von den Rändern her ein, wenn beiläufige Details auf das Heute verweisen. Diese Verschiebung oder Verlagerung interessiert Susanne Kriemann auch aus der Perspektive der Verbildlichung von Historie in Monumenten einerseits und den ephemeren Momenten einer geschichtsvergessenen Gegenwart andererseits.
Annette Kelms Fotoarbeiten sind von einem reflektierten Umgang mit dem Medium geprägt. Oft als Serie angelegt, loten ihre Werke den Status von Fotografie als visuell geprägtes Bedeutungssystem aus, das ambivalente ästhetische Zeichen produziert. Gerade die in ihren Kompositionen vermeintlich eingeschriebene Klarheit erweist sich dabei als Irritation existenter Klassifikationssysteme, die Bedeutung dort entstehen lässt, wo sich verschiedene Zeichen überlagern.
Die Isoliertheit des beziehungsreichen Gegenstandes, der skulpturalen Form oder des Arrangements lässt den Betrachter bewusst allein mit dem, was er sieht. Der Kontext des Gezeigten ist auf den ersten Blick nicht unbedingt erschließbar, gleichwohl wirken die Bilder sehr beredt. Bei den als Serie angelegten Motiven ist es das vergleichende Betrachten, das in dem Spiel von Differenz und Wiederholung die Signifikanz des Dargestellten aufscheinen lässt, oder aber die Aufladung der Dinge selbst fokussiert.
Auch in den Fotografien des in diesem Kontext fast wie eine Referenzfigur wirkenden Künstlers Christopher Williams findet das Nachdenken über das Verhältnis von Fotografie und Fotografiertem, von Gegenstand und dessen Beschreibung eine konzeptuelle Formulierung.
Seine der Fotografie der neuen Sachlichkeit entlehnte Ästhetik entfremdet den Gegenstand von seiner Funktion, macht seine ideengeschichtliche Aufladung sichtbar und markiert die objektive Aufzeichnung von Wirklichkeit als illusionär. Fotografie impliziert bei Williams die Geschichte dieses Mediums ebenso wie die unterschiedlichen Bereiche, in denen sie zum Einsatz kommt. Angelehnt an Alfred Renger-Paetschs Fotobuch „Die Welt ist schön“, dessen ursprünglicher Titel „Die Dinge“ lautete, dokumentiert Williams Gegenstände in einer geordneten, den Dingcharakter betonenden Weise. Die Objektivität seiner Aufnahmen, die er stets von anderen Fotografen erstellen lässt, wird verstärkt durch die detaillierter Auflistung technischer Details im Bildtitel. Die suggerierte Objektivität gerät so zur visuellen Subjektivität, die um die vielen Referenzen jedes Bildes weiß. Ähnlich wie Renger-Patsch versucht Williams, die Strukturen der sichtbaren Welt in ihrer „Essenz“ zu erfassen, um sie zugleich als kulturelle Setzung zu markieren.
Matthias Meyers Videoarbeiten wiederum greifen in existentes Filmmaterial ein, das sie minimal, aber signifikant verändern. „The Black Museum“ basiert auf dem Dokumentarfilm „La Ville Louvre“ von Nicolas Philibert, der einen Blick hinter die Kulissen des Museums wirft. Meyer hat alle Gemälde, die in diesem Film auftauchen, schwarz eingefärbt. Das Museum wird so zum suprematistischen Meisterwerk, geprägt von einer Ästhetik der Negation, die aus der Absurdität der schwarzen Bilder ihr Potenzial schöpft. Die Restauratoren, Kuratoren und anderen Mitarbeiter behandeln jedes Bild wie ein „Fenster zur Welt“, auch wenn dieses für uns geschlossen bleibt. „Untitled“ wiederum basiert auf jenen Szenen aus Michaelangelo Antonionis Filmklassiker „Blow Up“, in denen der Fotograf in einem Londoner Park eine Leiche entdeckt. Die beiden Projektionen zeigen jedoch ausschließlich den rauschenden Park, das heißt, die den Film bestimmenden Handlungen wurden wegretouchiert. Die im Zentrum von „Blow Up“ stehenden Selbsthinterfragung des Mediums Films sowie allgemein der Realität von Bildern wird dadurch ausgeblendet, um als Leerstelle umso stärkere Präsenz zu erlangen.
Alexander Gutke schließlich zeigt mit „Exploded View“ eine apparativ erzeugte Sichtbarkeit, die ihrerseits die Ästhetik eines Apparats präsentiert. 81 Dias eines Kodak-Diaprojektors zeigen Details aus dem Inneren dieses Projektors. Der explizite Verweis auf sich selbst wirkt dennoch nicht hermetisch. Das geheimnisvolle Innenleben des Gerätes erweist sich vielmehr als eigene Bildwelt, die unseren Blick auf andere Formen reproduzierter Bildlichkeit verändert.