Kunstverein Freiburg

Paul Graham

21 Jan - 20 Mar 2011

Interview Cubicles, Hackney DHSS, East London, from the series „Beyond Caring“, 1985
© Paul Graham, Courtesy Anthony Reynolds Gallery, London and carlier | gebauer, Berlin
PAUL GRAHAM
Beyond Caring
21 January - 20 March, 2011

Auf den Farbfotografien der Serie „Beyond Caring" von Paul Graham (*1956, Stafford) sind oftmals von Menschen überfüllte Warteräume und leere Flure in englischen Arbeitsämtern zu sehen. Der Kunstverein präsentiert eine Auswahl aus dem Zyklus, der in den 1980er Jahren entstand, einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit während des Thatcherismus. Die Werke pendeln zwischen Dokumentar- und Kunstfotografie: Unkonventionelle Ansichten stellen den dokumentarischen Status der Fotografien in Frage. Im Kunstzusammenhang wird ihr politischer Inhalt zu Bildern existentieller Allegorien, wie Visionen der Vorhölle, in der Menschen festgehalten und darauf warten, aufgerufen und wieder entlassen zu werden.

In Paul Grahams Serie „Beyond Caring“ sind die Aufnahmen von Arbeitsämtern als konkrete greifbare Situationen präsent, vergleichbar mit Herolds Verwendung von gewöhnlichen Materialien. Die Fotografien halten Ausschnitte der Wirklichkeit in der Mitte der 1980er Jahre in England fest. Damals war England von hoher Arbeitslosigkeit geprägt, die Regierung führte eine von Einsparungen geprägte Sozialpolitik durch, in der sozial schwache Menschen zusätzlich durch die Einführung der Kopfsteuer belastet wurden. Grahams Fotografien entstanden in unterschiedlichen Arbeitsämtern in England. Wir sehen trostlose Warteräume in London, Birmingham oder Liverpool, die austauschbar sind: voller Menschen jeden Alters, die dicht gedrängt, aber doch allein nebeneinander sitzen, oder fast leere Sitzreihen, auf denen jemand ein Formular ausfüllt, einzelne Leute. Viele der Gesichter haben einen Ausdruck von Hoffnungslosigkeit, Aggression und Leere. Paul Graham entwickelt sein fotografisches Werk seit Beginn der 1980er Jahre im Kontext der englischen Dokumentarfotografie um Künstler wie Martin Parr, Richard Billingham, Tom Wood oder Paul Seawright. Graham hat maßgeblich dazu beigetragen, die bildnerische Sprache der „social documentary photography“ zu erneuern und zu erweitern. Seine Arbeiten wurden seit Mitte der 1980er Jahre in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, unter anderem 2006 im Fotomuseum Winterthur und im Kunstmuseum Wolfsburg; 2008 in der Tate Gallery in London; 2009 im Museum of Modern Art, New York und im Kunstmuseum Folkwang in Essen. 2010 haben die Whitechapel Gallery London und aktuell 2010/11die Deichtorhallen Hamburg sein Werk mit umfassenden Retrospektiven gewürdigt.
 

Tags: Richard Billingham, Paul Graham, Martin Parr, Paul Seawright