Kunstverein Hamburg

Oliver Bulas

01 - 05 Apr 2015

I, Too, Wondered Whether I Could Not Sell Something And Succeed In Life., Oliver Bulas, Internationaler Kongress über spukhafte Fernwirkung und das Verlassen dieses gefährlichen Zeitalters, Kunstverein in Hamburg, 2015, Foto: Fred Dott
OLIVER BULAS
I, Too, Wondered Whether I Could Not Sell Something and Succeed In Life
1 - 5 April 2015

„A performance is a dialectic ‚flow’, that is, spontaneous movement in which action and awareness are one, and ‚reflexivity’, in which the central meanings, values and goals of a culture are seen ‚in action’, as they shape and explain behaviour.“ (Victor Turner)

Oliver Bulas schafft keine Werke, sondern „Situationen“. Er fragt nach den Bedingungen der Kunstproduktion, -präsentation und –rezeption, geht aber auch darüber hinaus, um den Status Quo des Öffentlichen per se in den Blickpunkt zu nehmen.
Der Ausstellungsraum als Ort des Transfers bzw. des Dazwischen, als Lager, im Zustand des Umbaus. Der konzeptuelle Eingriff in die Funktionsweise des Ausstellungsortes lässt einige Fragen offen und ist in der jüngeren Kunstgeschichte in unterschiedlichen Formen durchdekliniert worden: Ives Klein stellt im April 1958 in der Galerie Iris Clert mit „Le Vide" den Ausstellungsraum selbst aus; 1965 organisiert Willem de Ridder im Auftrag des Fluxus-Künstlers George Maciunas das European Mailorder Warehouse in Form eines konzeptuellen Distributionssystems per Post (auch als Fluxshop bekannt); 1969 hängt Robert Barry die Textinformation „During the Exhibition the Gallery will be Closed" an die Tür der Art & Project Gallery in Amsterdam und Michael Asher thematisiert 1970 durch einen einfachen architektonischen Eingriff in den Art Center des Pomona Colleges in Kalifornien die Trennung zwischen Innen und Außen. Oliver Bulas greift Abläufe auf, die gewöhnlich hinter den Kulissen von Kulturinstitutionen stattfinden, die das Moment der Ausstellung bedingen und nicht unbedingt in Erscheinung treten. Und in Hamburg werden diese grundlegenden Fragen neu gestellt: Ist die Ausstellung schon vorüber oder wird sie noch stattfinden? Und wo, wenn nicht in dem dafür vorgesehenen Raum? Was soll das ganze Material? Wann ist es Material und ab wann ist es Kunst? Was definiert eigentlich Kunst? Dies macht Bulas anhand unterschiedlicher Repräsentationsmodi fest, um auszuloten, welche Bedeutungen das Ausstellungsformat transportiert und vermittelt. Im Kunstverein empfangen er bzw. sein Alter Ego die BesucherInnen bereits im Foyer, die daraufhin initiierte Tour führt in den dysfunktionalen Ausstellungsraum, zu einer Probe des „Internationalen Kongress über spukhafte Fernwirkung und das Verlassen dieses gefährlichen Zeitalters“, zum gegenüberliegenden City-Hof oder zu einem gemeinsamen Café an einem immer neu zu bestimmenden Ort ein. Dabei berichtet er nicht nur von den verschiedenen öffentlichen Orten, sondern von dieser Ausstellung, von sich, von vergangenen Projekten, künftigen Vorhaben und vom Reisen in die Zukunft. Was ist die Kunst und wo findet sie statt?

Wenn Oliver Bulas etwas produziert, fügt er der mit Zeug überfüllten Welt kein weiteres Zeug hinzu. Was er herstellt, verschwindet rückstandslos und verbleibt nur in der Erinnerung des Betrachters. Er schafft „konstruierte Situationen“, Szenen, in die der Besucher eintaucht. Die Ausstellung ist eine Behauptung, unter bestimmten Umständen auch eine Täuschung, sie ist kein starres Konstrukt, sondern konstituiert sich im Moment des Aufeinandertreffens. Performances provozieren ein anderes Verhältnis von Akteur und Zuschauer; nicht die Akteure allein, sondern die Zuschauer sind es, die die Performance als solche legitimieren und über das Gelingen oder Scheitern entscheiden. In dieser Ausstellung wird der öffentliche Raum in seiner Eigenschaft als konkreter, realer, auch städtischer Ort ins Blickfeld gerückt. Das kontinuierliche Aufeinandertreffen und Aushandeln von unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen, von – auch widersprüchlichen – Bedeutungszuschreibungen, ist das, was öffentliche Räume ausmacht. Bulas bringt hier den öffentlichen Raum einer Kunstinstitution mit dem öffentlich umkämpften Raum der City-Hochhäuser am Klosterwall, der in den 1950er Jahren als (utopischer) Gemeinschaftsraum konzipiert worden ist, zusammen. Beide müssen und werden ständig neu hinterfragt, ihre Parameter verschieben sich permanent. Bei Bulas steht bezüglich dieser Räume insbesondere der soziale Raum im Fokus des Interesses. Wie kann dieser Raum produziert werden in Zeiten, in denen der Kapitalismus durch Arbeitsteilung Räume ins Endlose spaltet und zugleich alles austauschbar macht? Was macht den sozialen Raum aus? Kann man heute auch an zwei Orten gleichzeitig sein, und wenn ja, was hat das für Konsequenzen?

Oliver Bulas (geboren 1981 in Hamburg, lebt und arbeitet in Rio de Janeiro, Brasilien, und Hamburg) studierte an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei Jonathan Monk, Haegue Yang und Michaela Melián. Im Anschluss war er Researcher an der Jan Van Eyck Academie in Maastricht, Niederlande. Ausstellungen hatte er u.a. in der Arthur Boskamp Stiftung Hohenlockstedt, basis in Frankfurt/Main, [MAKNETE] (Galerie für Landschaftskunst), Hamburg, Halle für Kunst Lüneburg sowie der Swell Gallery, San Francisco, US.

Die Ausstellung wird kuratiert von Bettina Steinbrügge und Nadine Droste. In Kooperation mit der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.
 

Tags: Robert Barry, George Maciunas, Michaela Melián, Jonathan Monk, Bettina Steinbrügge, Haegue Yang