Brandenburgischer Kunstverein

Bertold Mathes

08 Jul - 19 Aug 2012

© Bertold Mathes
o.T.,2000
100x90cm
BERTOLD MATHES
Drift
Malerei 1982 - 2012
Von 8. Juli 2012 bis 19. August 2012

Mit der ersten größeren institutionellen Einzelausstellung von Bertold Mathes seit zehn Jahren in Deutschland fügt der Brandenburgische Kunstverein seiner Ausstellungsreihe zum Thema Wirklichkeit und Abstraktion ein weiteres Projekt hinzu.
Künstler: Bertold Mathes
Kurator: Gerrit Gohlke

Mit einigem Recht könnte man gerade den 100. Geburtstag der abstrakten Malerei begehen. Maler wie Wassily Kandinsky, Frantisek Kupka oder Robert Delaunay hatten sich seit 1910 immer radikaler von der gegenständlichen Abbildung distanziert und eine Malerei entwickelt, die von sich selber, von ihren inneren Prinzipien, statt von Illusionen handeln wollte. Heute sind ihre Werke museale Klassiker, aber noch immer ist das Projekt „Abstraktion“ ein Skandal. Warum, fragen sich Teile des Publikums, malt ein Maler nicht, was alle Welt sehen kann? Warum malt er etwas, was so schwer zu beurteilen ist wie höhere Mathematik und von dem man nicht weiß, warum es so und nicht anders ist? Warum malt man dann überhaupt?

Der 1957 geborene Bertold Mathes ist ein Maler, der solche Fragen nicht für das Banausentum einer rückständigen Minderheit hält, sondern sie explizit zum Gegenstand seines abstrakten Werks gemacht hat. Seine ganze Malerei ist eine Versuchsanordnung zur Lesbarkeit von Gemälden. Dabei geht es aber nicht um wahrnehmungspsychologische Fragen, sondern um eine Art lebens- längliches Grammatik-Forschungsprojekt. Mathes malt die Vokabeln der Malerei, zerlegt mit der Systematikbegeisterung eines Sprachwissenschaftlers ihren Satzbau, untersucht ihre Kombinationsmöglichkeiten und zeichnet ihre Existenzbedingungen nach. Warum ist ein Bild so und nicht anders? Kann ein Gemälde nicht nur sich selbst, sondern auch seine Alternativen abbilden? Und wann ist ein Bild zu schön, zu unglaubwürdig? Wie entkommt es der Vorhersehbarkeit, wie der Willkür, wie dem potenziell kitschigen Zustand, einfach nur gelungen zu sein?

Bertold Mathes, aufgewachsen in der mehrsprachig geprägten Region zwischen Freiburg und Basel und ausgebildet an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und Freiburg, bildet mit gegenständlicher Genauigkeit die Erscheinungsformen der Malerei nach. Felder, Linien, geometrische Körper werden zu Hauptfiguren auf diesen Leinwänden und stoßen mit Gegenformen, malerischen Einwänden, farbigen Einwürfen zusammen. Ist eine Form im Bild entstanden, fügt dieser Maler häufig noch auf der gleichen Leinwand ihren Gegenentwurf hinzu. Am Ende sehen die Betrachter keine Gemälde, sondern erhalten anschauliche Einblicke in den Prozess des Malens und die Logik der Malerei. Abstraktion ist hier so anschaulich wie ein Zeichentrickfilm. Immer wenn purer Wohlklang und gemütliche Harmonie aufscheinen, bilden sich auf Mathes Palette giftige Blasen, neonfarbene Kommentare oder geometrische Alternativen heraus.

Dabei geht es ihm gerade nicht um die Zuspitzung einer Handschrift, eines persönlichen Stils. Bertold Mathes ist so wenig oder so sehr Formalist wie ein Laborant am Rastermikroskop. Er entdeckt Muster, Gesetzmäßigkeiten, Systematiken und arbeitet sie ab. Ganze Formentwicklungen werden ausprobiert und verworfen. Was gesichert erscheint, wird auf den Prüfstand gestellt.

Im Anschluss an Frank Nitsches experimentellem Projekt „HELLO CHINA“, in dem der Maler seine abstrakten Bildkonstruktionen im Dialog mit dem Außenraum auf der Freundschaftsinsel zeigte, fragen wir mit dieser Ausstellung also wieder nach dem Realismus in der Abstraktion. Wir wollen die Irritationen abstrakter Malerei nicht pädagogisch verstecken, sondern Ihnen die Gelegenheit geben, mit uns ein Labor aufzusuchen, in dem die genetischen Codes zeitgenössischer Malerei sichtbar werden. Malerei hat nichts mit Andacht zu tun. Sie ist ein optisches Experiment.
 

Tags: Robert Delaunay, Wassily Kandinsky, Frantisek Kupka