Clegg & Guttmann
Die Sieben Künste von Pritzwalk
25 Oct 2015 - 31 Jan 2016
CLEGG & GUTTMANN
Die Sieben Künste von Pritzwalk
25 Oktober 2015 - 31 Januar 2016
Künstler: Clegg & Guttmann
Kurator: Gerrit Gohlke
Projekt: Neue Auftraggeber
Ausstellungsort: Freundschaftsinsel
Ein Jahr nach Clegg & Guttmanns einzigartigem “Sieben Künste”-Projekt in der nordbrandenburgischen Kleinstadt Pritzwalk eröffnen die beiden Künstler ihre Einzelausstellung "Die Sieben Künste von Pritzwalk" in Potsdam. Im Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel zeigen sie eine raumgreifende Installation, in der Elemente der Pritzwalker Innenstadt wie durch die Kulissen einer Theaterbühne angedeutet werden.
Hinweis zu den Öffnungszeiten: Vom 6. bis 8. Januar 2016 bleibt die Ausstellung geschlossen.
Fotografien, ein Filmausschnitt und verschiedene Objekte verweisen dabei in der Potsdamer Ausstellung auf Aktionen Pritzwalker Bürgerinnen und Bürger, die 2014 auf Einladung von Clegg & Guttmann drei Straßen ihrer Stadt zum Schaufenster selbstbestimmter künstlerischer Aktionen gemacht hatten. Die Mitwirkenden von damals und ihre Beiträge finden nun in Clegg & Guttmanns Installation ein künstlerisches Spiegelbild, das die Künstler auch als Gegenentwurf zu den “gesellschaftlichen Pseudo-Porträts” verstehen, wie sie aus ihrer Sicht die sozialen Netzwerke von uns zeichnen. So wird nicht nur die Frage nach der Offenheit der Gegenwartskunst und ihren Teilhabemöglichkeiten gestellt. Es wird auch hinterfragt, wie wir uns ein Bild von der sozialen Wirklichkeit machen. “Die Sieben Künste von Pritzwalk” sind ein öffentliches Großporträt.
Um zu verstehen, wie radikal „Die Sieben Künste von Pritzwalk“ die Konventionen und Hierarchien des zeitgenössischen Kunstbetriebs sprengen und wie wortwörtlich dabei Teilhabe verstanden wird, muss man sich vor Augen führen, wie Clegg & Guttmann vom 5. Juni bis zum 7. September 2014 die gesamte 12.500-Einwohner-Stadt Pritzwalk in ihr Projekt einbezogen haben.
Im Rahmen des europäischen Netzwerks „Neue Auftraggeber“ hatten die Künstler nach zweijähriger kuratorischer Vorbereitung mit einem Brief an alle Haushalte zu einem „Stadtporträt“ aufgerufen. Dabei sollten nicht Clegg & Guttmann als Porträtisten darüber entscheiden, welches Bild entsteht. Gezeigt werden sollte in sieben leerstehenden Ladengeschäften ausschließlich, was die Bürgerinnen und Bürger der Stadt – vom professionellen Künstler bis zum technischen Angestellten ohne künstlerische Vorerfahrung, vom Schüler bis zum Pensionär – als Projekt vorschlagen würden. Dabei wurde ausdrücklich auch die Mitwirkung der Bürger bei der Ausführung verlangt. Das Risiko der Teilnahmslosigkeit wurde zum Programm erhoben: Sollte niemand mitwirken, so Clegg & Guttmann, entstünde ein leeres Bild. Auch dieses wäre ein Porträt. Die Devise an das begleitende kuratorische Team lautete: „Sagt Ja! Führt alles aus, was sich ausführen lasst.“
Dass Pritzwalk zum Schauplatz eines solchen Experiments wurde, hatte die Stadt einer Gruppe von Bürgerinnen zu verdanken, die sich für die Belebung ihrer Innenstadt einsetzen, die, wie viele strukturschwache Kleinstädte, von einem schwindenden Interesse an der Kernstadt und leerstehenden Gewerbeflächen geprägt ist. Die Bürgergruppe hatte den Brandenburgischen Kunstverein Potsdam als Vertreter des Netzwerks „Neue Auftraggeber“ um ein künstlerisches Konzept zur Belebung der Innenstadt gebeten. Clegg & Guttmann wandelten die dabei entstandene Idee einer Ausstellung über die „schweigende Mehrheit“ radikal um und verlangten von den Bürgerinnen und Bürgern, das Schweigen selbst zu brechen und die Stadt zum Sprechen zu bringen.
Nach anfänglichen Prophezeiungen des Scheiterns wurde das künstlerische Vertrauen in die kreative Vitalität der Stadt reich belohnt. Schon zur Eröffnung lagen 42 Bürgervorschläge zur Nutzung der Geschäfte vor. Bis zum Ende des Projektes sollte diese Zahl auf über 70 Projektvorschläge anwachsen, von denen mehr als zwei Drittel umgesetzt wurden. Sie reichten von Ausstellungen bis zum Rap-Workshop, von der Bauchtanz-Soirée bis zur Einrichtung einer Kinder- und Jugendbibliothek oder der Produktion einer Filmdokumentation. (Unrealisiert blieben nur solche Vorschläge, die technisch oder finanziell nicht zu verwirklichen waren.)
In den drei Monaten des Projekts wurden die beteiligten Pritzwalkerinnen und Pritzwalker so zu Pionieren in ihrer eigenen Stadt. Clegg & Guttmann hatten auf alles verzichtet, was ein Kunstprojekt den heutigen Kunstbetriebsgepflogenheiten nach auszeichnet: Eineinhalb Autostunden vom nächsten Gegenwartskunstmuseum entfernt, hatte das Projekt keine nach außen gerichtete Öffentlichkeitsarbeit, kein strategisches Grafikdesign und keine PR-wirksamen Events außerhalb der Region. Der Handlungsort wurde allein durch sieben von einem lokalen Zimmermann gefertigte skulpturale Rahmen markiert, die nun, ein Jahr später, als Vorbild der Potsdamer Ausstellungsinstallation dienen. Wer durch den Rahmen tritt, so machen Clegg & Guttmann deutlich, macht sich zum Bild. Er ist das Bild.
2014 hatte dieser Verzicht auf alles Vorgefertigte eindrucksvolle Folgen: Aus dem Kreise der Projektteilnehmer gründete sich der Kunstverein „Kunst Freunde Pritzwalk“, inzwischen ein stetig wachsender Verein, der am 11. Oktober 2015 sein einjähriges Bestehen feiert und zum Mieter in einem der Projekträume geworden ist – ein Modell möglicher künftiger Nutzungskonzepte in der Pritzwalker Innenstadt.
Für die Potsdamer Ausstellung heißt das: Sie ist eine Installation, die den Begriff der „sozialen Plastik“ aktualisiert. Ihr Inneres ist ein lebendiges Bild, das weiterhin die Pritzwalker Bürger bestimmen. Verändert sich ihre Stadt, verändert sich das Bild, auf das Clegg & Guttmann sich beziehen. Andererseits zählt eine Projektchronik, die Clegg & Guttmann und der BKV im November der Öffentlichkeit vorlegen werden, als Geschichtsbuch kreativer Selbstbestimmung zum Projekt.
Mit dem langen Atem einer Stadtchronik zeigt die Publikation die Geschichte eines Dialoges, der 2011 begann und 2015 in der Potsdamer Ausstellung endet, und dessen Protagonisten die Pritzwalkerinnen und Pritzwalker sind. „Die Sieben Künste von Pritzwalk“ sind damit auch eine Kritik an der alles beherrschenden Projektlogik mit schnellen Erfolgen und schönen Bildern. Sie deuten mit großer Überzeugungskraft an, dass sich soziale Wirklichkeit und politische Realität nur in facettenreichen, „langsamen“ Bildern repräsentieren lassen. Sie brauchen Geduld. Die Kunst demonstriert bei Clegg & Guttmann beharrlich ihr Vertrauen in diese Geduld.
Zur Projektwebseite von 2014: 7kuenste-pritzwalk.de
Zum 2014 aus dem Projekt heraus gegründeten Pritzwalker Kunstverein: Kunst Freunde Pritzwalk e.V.
Eine Ausstellung im Rahmen des europäischen Netzwerks „Neue Auftraggeber“ mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur, dem Fachbereich Kultur und Museum der Landeshauptstadt Potsdam und der Galerie Nagel Draxler.
Die „Sieben Künste von Pritzwalk“ wurden unterstützt von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Prignitz, der Fondation de France und der Stadt Pritzwalk sowie den Stadtwerken Pritzwalk, der IHK Potsdam Regionalcenter Prignitz, der Wohnungsbaugesellschaft Pritzwalk mbH und zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, Institutionen und Unternehmen.
Die Sieben Künste von Pritzwalk
25 Oktober 2015 - 31 Januar 2016
Künstler: Clegg & Guttmann
Kurator: Gerrit Gohlke
Projekt: Neue Auftraggeber
Ausstellungsort: Freundschaftsinsel
Ein Jahr nach Clegg & Guttmanns einzigartigem “Sieben Künste”-Projekt in der nordbrandenburgischen Kleinstadt Pritzwalk eröffnen die beiden Künstler ihre Einzelausstellung "Die Sieben Künste von Pritzwalk" in Potsdam. Im Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel zeigen sie eine raumgreifende Installation, in der Elemente der Pritzwalker Innenstadt wie durch die Kulissen einer Theaterbühne angedeutet werden.
Hinweis zu den Öffnungszeiten: Vom 6. bis 8. Januar 2016 bleibt die Ausstellung geschlossen.
Fotografien, ein Filmausschnitt und verschiedene Objekte verweisen dabei in der Potsdamer Ausstellung auf Aktionen Pritzwalker Bürgerinnen und Bürger, die 2014 auf Einladung von Clegg & Guttmann drei Straßen ihrer Stadt zum Schaufenster selbstbestimmter künstlerischer Aktionen gemacht hatten. Die Mitwirkenden von damals und ihre Beiträge finden nun in Clegg & Guttmanns Installation ein künstlerisches Spiegelbild, das die Künstler auch als Gegenentwurf zu den “gesellschaftlichen Pseudo-Porträts” verstehen, wie sie aus ihrer Sicht die sozialen Netzwerke von uns zeichnen. So wird nicht nur die Frage nach der Offenheit der Gegenwartskunst und ihren Teilhabemöglichkeiten gestellt. Es wird auch hinterfragt, wie wir uns ein Bild von der sozialen Wirklichkeit machen. “Die Sieben Künste von Pritzwalk” sind ein öffentliches Großporträt.
Um zu verstehen, wie radikal „Die Sieben Künste von Pritzwalk“ die Konventionen und Hierarchien des zeitgenössischen Kunstbetriebs sprengen und wie wortwörtlich dabei Teilhabe verstanden wird, muss man sich vor Augen führen, wie Clegg & Guttmann vom 5. Juni bis zum 7. September 2014 die gesamte 12.500-Einwohner-Stadt Pritzwalk in ihr Projekt einbezogen haben.
Im Rahmen des europäischen Netzwerks „Neue Auftraggeber“ hatten die Künstler nach zweijähriger kuratorischer Vorbereitung mit einem Brief an alle Haushalte zu einem „Stadtporträt“ aufgerufen. Dabei sollten nicht Clegg & Guttmann als Porträtisten darüber entscheiden, welches Bild entsteht. Gezeigt werden sollte in sieben leerstehenden Ladengeschäften ausschließlich, was die Bürgerinnen und Bürger der Stadt – vom professionellen Künstler bis zum technischen Angestellten ohne künstlerische Vorerfahrung, vom Schüler bis zum Pensionär – als Projekt vorschlagen würden. Dabei wurde ausdrücklich auch die Mitwirkung der Bürger bei der Ausführung verlangt. Das Risiko der Teilnahmslosigkeit wurde zum Programm erhoben: Sollte niemand mitwirken, so Clegg & Guttmann, entstünde ein leeres Bild. Auch dieses wäre ein Porträt. Die Devise an das begleitende kuratorische Team lautete: „Sagt Ja! Führt alles aus, was sich ausführen lasst.“
Dass Pritzwalk zum Schauplatz eines solchen Experiments wurde, hatte die Stadt einer Gruppe von Bürgerinnen zu verdanken, die sich für die Belebung ihrer Innenstadt einsetzen, die, wie viele strukturschwache Kleinstädte, von einem schwindenden Interesse an der Kernstadt und leerstehenden Gewerbeflächen geprägt ist. Die Bürgergruppe hatte den Brandenburgischen Kunstverein Potsdam als Vertreter des Netzwerks „Neue Auftraggeber“ um ein künstlerisches Konzept zur Belebung der Innenstadt gebeten. Clegg & Guttmann wandelten die dabei entstandene Idee einer Ausstellung über die „schweigende Mehrheit“ radikal um und verlangten von den Bürgerinnen und Bürgern, das Schweigen selbst zu brechen und die Stadt zum Sprechen zu bringen.
Nach anfänglichen Prophezeiungen des Scheiterns wurde das künstlerische Vertrauen in die kreative Vitalität der Stadt reich belohnt. Schon zur Eröffnung lagen 42 Bürgervorschläge zur Nutzung der Geschäfte vor. Bis zum Ende des Projektes sollte diese Zahl auf über 70 Projektvorschläge anwachsen, von denen mehr als zwei Drittel umgesetzt wurden. Sie reichten von Ausstellungen bis zum Rap-Workshop, von der Bauchtanz-Soirée bis zur Einrichtung einer Kinder- und Jugendbibliothek oder der Produktion einer Filmdokumentation. (Unrealisiert blieben nur solche Vorschläge, die technisch oder finanziell nicht zu verwirklichen waren.)
In den drei Monaten des Projekts wurden die beteiligten Pritzwalkerinnen und Pritzwalker so zu Pionieren in ihrer eigenen Stadt. Clegg & Guttmann hatten auf alles verzichtet, was ein Kunstprojekt den heutigen Kunstbetriebsgepflogenheiten nach auszeichnet: Eineinhalb Autostunden vom nächsten Gegenwartskunstmuseum entfernt, hatte das Projekt keine nach außen gerichtete Öffentlichkeitsarbeit, kein strategisches Grafikdesign und keine PR-wirksamen Events außerhalb der Region. Der Handlungsort wurde allein durch sieben von einem lokalen Zimmermann gefertigte skulpturale Rahmen markiert, die nun, ein Jahr später, als Vorbild der Potsdamer Ausstellungsinstallation dienen. Wer durch den Rahmen tritt, so machen Clegg & Guttmann deutlich, macht sich zum Bild. Er ist das Bild.
2014 hatte dieser Verzicht auf alles Vorgefertigte eindrucksvolle Folgen: Aus dem Kreise der Projektteilnehmer gründete sich der Kunstverein „Kunst Freunde Pritzwalk“, inzwischen ein stetig wachsender Verein, der am 11. Oktober 2015 sein einjähriges Bestehen feiert und zum Mieter in einem der Projekträume geworden ist – ein Modell möglicher künftiger Nutzungskonzepte in der Pritzwalker Innenstadt.
Für die Potsdamer Ausstellung heißt das: Sie ist eine Installation, die den Begriff der „sozialen Plastik“ aktualisiert. Ihr Inneres ist ein lebendiges Bild, das weiterhin die Pritzwalker Bürger bestimmen. Verändert sich ihre Stadt, verändert sich das Bild, auf das Clegg & Guttmann sich beziehen. Andererseits zählt eine Projektchronik, die Clegg & Guttmann und der BKV im November der Öffentlichkeit vorlegen werden, als Geschichtsbuch kreativer Selbstbestimmung zum Projekt.
Mit dem langen Atem einer Stadtchronik zeigt die Publikation die Geschichte eines Dialoges, der 2011 begann und 2015 in der Potsdamer Ausstellung endet, und dessen Protagonisten die Pritzwalkerinnen und Pritzwalker sind. „Die Sieben Künste von Pritzwalk“ sind damit auch eine Kritik an der alles beherrschenden Projektlogik mit schnellen Erfolgen und schönen Bildern. Sie deuten mit großer Überzeugungskraft an, dass sich soziale Wirklichkeit und politische Realität nur in facettenreichen, „langsamen“ Bildern repräsentieren lassen. Sie brauchen Geduld. Die Kunst demonstriert bei Clegg & Guttmann beharrlich ihr Vertrauen in diese Geduld.
Zur Projektwebseite von 2014: 7kuenste-pritzwalk.de
Zum 2014 aus dem Projekt heraus gegründeten Pritzwalker Kunstverein: Kunst Freunde Pritzwalk e.V.
Eine Ausstellung im Rahmen des europäischen Netzwerks „Neue Auftraggeber“ mit Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur, dem Fachbereich Kultur und Museum der Landeshauptstadt Potsdam und der Galerie Nagel Draxler.
Die „Sieben Künste von Pritzwalk“ wurden unterstützt von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Prignitz, der Fondation de France und der Stadt Pritzwalk sowie den Stadtwerken Pritzwalk, der IHK Potsdam Regionalcenter Prignitz, der Wohnungsbaugesellschaft Pritzwalk mbH und zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, Institutionen und Unternehmen.