Manuel Kirsch
12 Aug - 14 Sep 2014
MANUEL KIRSCH
feste
12. August - 14. September 2014
Als Auftakt zu einer neuen Ausstellungsreihe zeigt der BKV die erste institutionelle Einzelausstellung des Malers und Zeichners Manuel Kirsch. Der 1986 geborene Absolvent der Kunsthochschule Berlin Weissensee zeigt Werke aus den Jahren 2012 bis 2014, in denen maschinelle Eingriffe, zeichnerische Interventionen und andere Korrekturprozesse die Autorität des Malers in Frage stellen und den malerischen Prozess in den Vordergrund rücken. Die Bilder treten dem Publikum nicht als vom Maler vollständig bestimmte Objekte, sondern als verselbständigte Individuen gegenüber - und laden zu einer Seherfahrung ohne Expertenführung und autorisierte Vorgaben ein.
Kurator: Gerrit Gohlke
Manuel Kirschs Assistent ist etwa 80 cm hoch, trägt einen ehrwürdigen schwäbischen Familiennamen, und braucht einen Wasseranschluss und Strom. Den Rest erledigt er auf Knopfdruck, all seine Kunstfertigkeit wurde ihm bereits werkseitig einprogrammiert. Seit 2012 setzt Kirsch für seine Malerei einen Bauknecht-Toplader ein. Seine Werke werden gewaschen. Erst nach dem Waschgang werden die Leinwände neu aufgespannt und wiederum von Hand vollendet.
Wie DADA und die Surrealisten setzt der Maler auf einen selbstgewählten Automatisierungsprozess. Dabei zielt er jedoch nicht auf die Entfesselung des Unbewussten oder die Befreiung des Genies von der Kontrolle durch die Vernunft. Kirsch schaltet die Wäschetrommel mit der genau gegenteiligen Absicht ein: Die Maschine soll einen Teil der künstlerischen Entscheidungsgewalt aus den Werken waschen. Denn der Maschine ist das Werk in seiner Bedeutsamkeit egal. Gibt sie die zerknitterte, geschleuderte Leinwand wieder frei, kann der Künstler nur noch eingreifen und korrigieren. Er wird zum Erfüllungsgehilfen eines Prozesses, den er selbst angestoßen hat. Die Bauknecht garantiert sozusagen die Gewaltenteilung in Kirschs jüngstem Werk. Sie stellt sich seiner Autorität waschend und bleichend in den Weg.
Die Malerei, die so entsteht, ist erstaunlich. Wer die Geschichte von der Leinwand im Toplader hört, könnte meinen, Kirsch habe einfach nur eine weitere originelle Schlagzeile zur langen Geschichte zeitgenössischer Kunst-Rezepturen hinzufügen wollen. Kirschs Gemälde aber sind keine kochfesten Produkte einer am Reißbrett entworfenen Methode, sondern Ergebnisse eines behutsamen Selbstdistanzierungsversuchs; eines Versuchs, das kunstgeschichtliche Pathos auszuhebeln, durch das der Kunstbetrieb seine Produkte überhöht.
Fast scheint es dabei so, als mache der Maler es sich und seinen Ideen absichtlich schwer. Was als schlüssiger Einfall mit zeichnerischer Klarheit beginnt, wird nicht einfach ausgeführt, sondern revidiert, gekontert, unterminiert. Der Künstler misstraut der manifest gewordenen Idee. Er setzt nicht mit ingenieurhafter Konsequenz Konstruktionen zusammen, sondern mischt sich opponierend in seine eigenen Kompositionen ein, überzieht die malerische Ordnung mit zeichnerischem Widerspruch, bis das Werk nicht mehr die Vollstreckung eines anfänglichen Plans, sondern der Live-Mitschnitt einer Desillusionierung ist.
Nicht die Idee also zählt in Kirschs Werk, sondern die Enttäuschung während ihrer Verwirklichung. Nicht das Ziel ist relevant, sondern seine Korrektur. Und so lautet das Motto dieses prozessualen Slaloms: „Wir können auch anders“. Wie ein Jongleur bedient sich Kirsch in der Malereigeschichte, stellt ihr intuitiv entwickelte organische Formen entgegen oder kontert die lustvolle Modellierung der Form mit rigoros durchgesetzten Geometrien. Wo es gerade nicht um das Gelingen, sondern um die Lizenz zur dauernden Planabweichung geht, wird die alle Pläne ignorierende Bauknecht folgerichtig zum willkommenen Werkzeug.
Das allgewaltige Genie, das noch immer als verkaufsförderndes Gespenst auf dem Kunstmarkt am Leben gehalten wird, hat bei Kirsch also Urlaub. Malerei ist für ihn ein Medium zur Hinterfragung des künstlerischen Objekts und am Ende dieses selbstgesetzten Forschungsauftrags scheinen Maler und Betrachter beinahe gleich weit von der Alleinherrschaft über das verselbständigte Bild entfernt.
Wenn sie das Atelier verlassen, sehen Kirschs Bilder deshalb wie Individuen aus, die aus einer anderen Welt zu Besuch gekommen sind. Die Spuren der Reise prägen die Bilder und es wäre müßig für uns Betrachter, jeden Verfahrensschritt zu rekonstruieren. Was halten wir für wichtiger? Die Farben, von denen wir nicht wissen, wie viel Anteil der Entfärber an ihnen hat? Die graffitihaften Linien, die aus harmonischer Gestalt und spontaner Störung ebenbürtige Partner machen? Die körperlichen Formen, die wie erinnerte Traumbilder auf den Leinwänden wuchern? Oder die meditative Komik, die zuweilen aus den Kontrasten entsteht?
Kirsch gibt den Forschungsauftrag an seine Betrachter weiter. Wo der Künstler selbst bereitwillig Autorität delegiert, kann das Publikum vor den Werken sein eigenes Bewusstsein und Befinden erforschen, seine eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten und -grenzen hinterfragen. Woher am Ende die irritierende Magie dieser durch den Schleudergang gezwungenen Objekte rührt, kann es dann nach eigenem Ermessen und ganz ohne Vorentscheidung des Künstlers oder kunsthistorischer Experten entscheiden.
Mit feste beginnt der BKV eine neue Ausstellungsreihe, in der in unregelmäßigen Abständen herausragende künstlerische Nachwuchspositionen vorgestellt werden sollen. Die Reihe legt besonderes Gewicht auf neue Methoden und Haltungen und fügt sich so in das übrige Programm des BKV ein, der sich als Labor künstlerischer Arbeitsweisen, nicht als Schauraum kunstbetrieblicher Produktentwicklung versteht.
feste
12. August - 14. September 2014
Als Auftakt zu einer neuen Ausstellungsreihe zeigt der BKV die erste institutionelle Einzelausstellung des Malers und Zeichners Manuel Kirsch. Der 1986 geborene Absolvent der Kunsthochschule Berlin Weissensee zeigt Werke aus den Jahren 2012 bis 2014, in denen maschinelle Eingriffe, zeichnerische Interventionen und andere Korrekturprozesse die Autorität des Malers in Frage stellen und den malerischen Prozess in den Vordergrund rücken. Die Bilder treten dem Publikum nicht als vom Maler vollständig bestimmte Objekte, sondern als verselbständigte Individuen gegenüber - und laden zu einer Seherfahrung ohne Expertenführung und autorisierte Vorgaben ein.
Kurator: Gerrit Gohlke
Manuel Kirschs Assistent ist etwa 80 cm hoch, trägt einen ehrwürdigen schwäbischen Familiennamen, und braucht einen Wasseranschluss und Strom. Den Rest erledigt er auf Knopfdruck, all seine Kunstfertigkeit wurde ihm bereits werkseitig einprogrammiert. Seit 2012 setzt Kirsch für seine Malerei einen Bauknecht-Toplader ein. Seine Werke werden gewaschen. Erst nach dem Waschgang werden die Leinwände neu aufgespannt und wiederum von Hand vollendet.
Wie DADA und die Surrealisten setzt der Maler auf einen selbstgewählten Automatisierungsprozess. Dabei zielt er jedoch nicht auf die Entfesselung des Unbewussten oder die Befreiung des Genies von der Kontrolle durch die Vernunft. Kirsch schaltet die Wäschetrommel mit der genau gegenteiligen Absicht ein: Die Maschine soll einen Teil der künstlerischen Entscheidungsgewalt aus den Werken waschen. Denn der Maschine ist das Werk in seiner Bedeutsamkeit egal. Gibt sie die zerknitterte, geschleuderte Leinwand wieder frei, kann der Künstler nur noch eingreifen und korrigieren. Er wird zum Erfüllungsgehilfen eines Prozesses, den er selbst angestoßen hat. Die Bauknecht garantiert sozusagen die Gewaltenteilung in Kirschs jüngstem Werk. Sie stellt sich seiner Autorität waschend und bleichend in den Weg.
Die Malerei, die so entsteht, ist erstaunlich. Wer die Geschichte von der Leinwand im Toplader hört, könnte meinen, Kirsch habe einfach nur eine weitere originelle Schlagzeile zur langen Geschichte zeitgenössischer Kunst-Rezepturen hinzufügen wollen. Kirschs Gemälde aber sind keine kochfesten Produkte einer am Reißbrett entworfenen Methode, sondern Ergebnisse eines behutsamen Selbstdistanzierungsversuchs; eines Versuchs, das kunstgeschichtliche Pathos auszuhebeln, durch das der Kunstbetrieb seine Produkte überhöht.
Fast scheint es dabei so, als mache der Maler es sich und seinen Ideen absichtlich schwer. Was als schlüssiger Einfall mit zeichnerischer Klarheit beginnt, wird nicht einfach ausgeführt, sondern revidiert, gekontert, unterminiert. Der Künstler misstraut der manifest gewordenen Idee. Er setzt nicht mit ingenieurhafter Konsequenz Konstruktionen zusammen, sondern mischt sich opponierend in seine eigenen Kompositionen ein, überzieht die malerische Ordnung mit zeichnerischem Widerspruch, bis das Werk nicht mehr die Vollstreckung eines anfänglichen Plans, sondern der Live-Mitschnitt einer Desillusionierung ist.
Nicht die Idee also zählt in Kirschs Werk, sondern die Enttäuschung während ihrer Verwirklichung. Nicht das Ziel ist relevant, sondern seine Korrektur. Und so lautet das Motto dieses prozessualen Slaloms: „Wir können auch anders“. Wie ein Jongleur bedient sich Kirsch in der Malereigeschichte, stellt ihr intuitiv entwickelte organische Formen entgegen oder kontert die lustvolle Modellierung der Form mit rigoros durchgesetzten Geometrien. Wo es gerade nicht um das Gelingen, sondern um die Lizenz zur dauernden Planabweichung geht, wird die alle Pläne ignorierende Bauknecht folgerichtig zum willkommenen Werkzeug.
Das allgewaltige Genie, das noch immer als verkaufsförderndes Gespenst auf dem Kunstmarkt am Leben gehalten wird, hat bei Kirsch also Urlaub. Malerei ist für ihn ein Medium zur Hinterfragung des künstlerischen Objekts und am Ende dieses selbstgesetzten Forschungsauftrags scheinen Maler und Betrachter beinahe gleich weit von der Alleinherrschaft über das verselbständigte Bild entfernt.
Wenn sie das Atelier verlassen, sehen Kirschs Bilder deshalb wie Individuen aus, die aus einer anderen Welt zu Besuch gekommen sind. Die Spuren der Reise prägen die Bilder und es wäre müßig für uns Betrachter, jeden Verfahrensschritt zu rekonstruieren. Was halten wir für wichtiger? Die Farben, von denen wir nicht wissen, wie viel Anteil der Entfärber an ihnen hat? Die graffitihaften Linien, die aus harmonischer Gestalt und spontaner Störung ebenbürtige Partner machen? Die körperlichen Formen, die wie erinnerte Traumbilder auf den Leinwänden wuchern? Oder die meditative Komik, die zuweilen aus den Kontrasten entsteht?
Kirsch gibt den Forschungsauftrag an seine Betrachter weiter. Wo der Künstler selbst bereitwillig Autorität delegiert, kann das Publikum vor den Werken sein eigenes Bewusstsein und Befinden erforschen, seine eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten und -grenzen hinterfragen. Woher am Ende die irritierende Magie dieser durch den Schleudergang gezwungenen Objekte rührt, kann es dann nach eigenem Ermessen und ganz ohne Vorentscheidung des Künstlers oder kunsthistorischer Experten entscheiden.
Mit feste beginnt der BKV eine neue Ausstellungsreihe, in der in unregelmäßigen Abständen herausragende künstlerische Nachwuchspositionen vorgestellt werden sollen. Die Reihe legt besonderes Gewicht auf neue Methoden und Haltungen und fügt sich so in das übrige Programm des BKV ein, der sich als Labor künstlerischer Arbeitsweisen, nicht als Schauraum kunstbetrieblicher Produktentwicklung versteht.