Heb mich auf!
23 Nov 2012 - 03 Feb 2013
HEB MICH AUF!
Sammeln als künstlerische Handlung
23/11/12-03/02/13
Künstler/innen: Hans-Peter Feldmann, Sofia Hultén, Francisco Montoya, Stephanie Senge, Nives Widauer
Während der Kunstsammler gerade in der Fachpresse einen Hype erlebt und seine in der Tat existierende Bedeutung für den Kunstmarkt gewürdigt wird, wirft der Kunstverein Wolfsburg mit
Heb mich auf! einen Blick auf bildende Künstler, die Dinge sammeln. Das Zusammentragen von Gegenständen und Bildern erfolgt hier unter den Konditionen einer spezifischen künstlerischen Intention. In ihrer Kollektion gewinnen die Gegenstände kulturelle Relevanz. Auf den Akt des Sammelns und der künstlerischen Transformation folgt in der Regel ein Präsentationsakt, eine Ausstellung in einer Kunstinstitution.
Wenn Künstler etwas sammeln, dann nehmen sie zunächst etwas wahr, schenken Dingen besondere Beachtung und bewahren sie vor dem Verschwinden. Andererseits verschwindet dieses Objekt, dieses Lebewesen oder diese Information in der Sammlung und wird zum Sammlungsstück. Es wird in eine Ordnung eingefügt. Aus den einzelnen Exemplaren entwickelt sich ein spezielles Gefüge mit bestimmten Relationen und Bedeutungen. Sammeln ist per se schon ein Produzieren nach ästhetischen Gesichtspunkten: ein Konzept wird realisiert.
Nach Max Weber können alle Tätigkeiten und Erzeugnisse des Menschen für die Individuen einer Gesellschaft Kulturbedeutung erlangen. Der Philosoph und Soziologe Helmuth Plessner geht noch einen Schritt weiter und postuliert, dass alles Wahrgenommene in einem sinnlichen Erlebnis- und Wahrnehmungsakt in ästhetische Gegenstände verwandelt werden kann. In diesem Sinn kann eine Ware nach künstlerischen Kriterien betrachtet und rezipiert und somit zum Kunstwerk werden. Bei den Objekten, die Künstler zusammentragen handelt es sich gleichsam um eine Vielzahl sogenannter Readymades, die gerade in ihrer Menge und ihren Beziehungen zueinander, einen künstlerischen Wert erhalten.
Die Interpretation von Dingen als Sammlungsgegenstand im Sinne der Kunst, setzt eine ästhetische Sensibilität voraus. Der ästhetische Blick wandert vom tradierten Kunstobjekt weg und geht darüber hinaus. Er interpretiert die Alltagswelt nach künstlerischen Überlegungen. Die Transformation in Kunst wird dabei zum Identifizierungsprozess. Nach Jacques Rancière, dem französischen Philosophen, sucht die Menschheit die Emanzipation von der Materialität, indem die Form die Materie bezwingt und die Menschen die Welt zu ihrem eigenen Sensorium machen. In der Ästhetisierung - zumindest im Verständnis der Romantiker - wird das Gewöhnliche zum Außergewöhnlichen, die Ware zur Kunst. Der (sammelnde) Künstler wird zum Archäologen, der anhand von ausgewählten Dingen das Unterbewusste der Gesellschaft ausgräbt, seine dunklen Seiten zeigt und seine Geheimnisse entziffert.
Sammeln als künstlerische Handlung
23/11/12-03/02/13
Künstler/innen: Hans-Peter Feldmann, Sofia Hultén, Francisco Montoya, Stephanie Senge, Nives Widauer
Während der Kunstsammler gerade in der Fachpresse einen Hype erlebt und seine in der Tat existierende Bedeutung für den Kunstmarkt gewürdigt wird, wirft der Kunstverein Wolfsburg mit
Heb mich auf! einen Blick auf bildende Künstler, die Dinge sammeln. Das Zusammentragen von Gegenständen und Bildern erfolgt hier unter den Konditionen einer spezifischen künstlerischen Intention. In ihrer Kollektion gewinnen die Gegenstände kulturelle Relevanz. Auf den Akt des Sammelns und der künstlerischen Transformation folgt in der Regel ein Präsentationsakt, eine Ausstellung in einer Kunstinstitution.
Wenn Künstler etwas sammeln, dann nehmen sie zunächst etwas wahr, schenken Dingen besondere Beachtung und bewahren sie vor dem Verschwinden. Andererseits verschwindet dieses Objekt, dieses Lebewesen oder diese Information in der Sammlung und wird zum Sammlungsstück. Es wird in eine Ordnung eingefügt. Aus den einzelnen Exemplaren entwickelt sich ein spezielles Gefüge mit bestimmten Relationen und Bedeutungen. Sammeln ist per se schon ein Produzieren nach ästhetischen Gesichtspunkten: ein Konzept wird realisiert.
Nach Max Weber können alle Tätigkeiten und Erzeugnisse des Menschen für die Individuen einer Gesellschaft Kulturbedeutung erlangen. Der Philosoph und Soziologe Helmuth Plessner geht noch einen Schritt weiter und postuliert, dass alles Wahrgenommene in einem sinnlichen Erlebnis- und Wahrnehmungsakt in ästhetische Gegenstände verwandelt werden kann. In diesem Sinn kann eine Ware nach künstlerischen Kriterien betrachtet und rezipiert und somit zum Kunstwerk werden. Bei den Objekten, die Künstler zusammentragen handelt es sich gleichsam um eine Vielzahl sogenannter Readymades, die gerade in ihrer Menge und ihren Beziehungen zueinander, einen künstlerischen Wert erhalten.
Die Interpretation von Dingen als Sammlungsgegenstand im Sinne der Kunst, setzt eine ästhetische Sensibilität voraus. Der ästhetische Blick wandert vom tradierten Kunstobjekt weg und geht darüber hinaus. Er interpretiert die Alltagswelt nach künstlerischen Überlegungen. Die Transformation in Kunst wird dabei zum Identifizierungsprozess. Nach Jacques Rancière, dem französischen Philosophen, sucht die Menschheit die Emanzipation von der Materialität, indem die Form die Materie bezwingt und die Menschen die Welt zu ihrem eigenen Sensorium machen. In der Ästhetisierung - zumindest im Verständnis der Romantiker - wird das Gewöhnliche zum Außergewöhnlichen, die Ware zur Kunst. Der (sammelnde) Künstler wird zum Archäologen, der anhand von ausgewählten Dingen das Unterbewusste der Gesellschaft ausgräbt, seine dunklen Seiten zeigt und seine Geheimnisse entziffert.