Qual & Wahl
22 Feb - 05 May 2013
Anetta Mona Chisa & Lucia Tkacova
Before or After, 2011
Serie von 20 Collagen auf Glasplatten angebracht, verschiedene Größen
Courtesy Christine Koenig Galerie, Wien/Vienna
Before or After, 2011
Serie von 20 Collagen auf Glasplatten angebracht, verschiedene Größen
Courtesy Christine Koenig Galerie, Wien/Vienna
QUAL & WAHL
Pflicht, Freiheit, Zwang
22.02 - 25.05.2013
Die post-industrielle Gesellschaft hat die Selbstverwirklichung und -optimierung zu ihren wichtigsten Werten erklärt. Die Möglichkeiten, die als Instrumente zur Erreichung dieses Ziels zur Verfügung stehen erscheinen fast unbegrenzt und erfordern ein ständiges Auswählen. Die Wahlmöglichkeit, an sich ein Basiselement von Demo-kratie, kann sich durch diese Überbeanspruchung in das Gegenteil verkehren, wenn wir gezwungen sind ständig individuelle Entscheidungen zu treffen. Das Internet, das eine ständige Meinungsabfrage durch soziale Plattformen anbietet, forciert diese Tendenz noch zusätzlich. Im geschützten virtuellen Raum findet eine ständige Aufforderung zur Äußerung und damit auch ein steter Abgleich zwischen der eigenen Person und dem Kollektiv statt (was machst du gerade; 3.000 Personen gefällt das; Personen, die XY kauften, kauften auch das). Allerdings verbleiben die meisten dieser Äußerungen auf einer sehr individuellen, emotionalen Ebene, aus der keine gesellschaftliche Verantwortlichkeit entsteht. Die Philosophin und Soziologin Renata Salecl verweist in „The Tyranny of Choice“ (2010) auf die Paradoxie der ständigen Wahlmöglichkeiten einerseits und der daraus resultierenden anti-demokratischen Tendenz anderseits: „Choice is a powerful mechanism in people’s hands. It is the basis, after all, of any political engagement and of the political process as a whole. However, when choice is glorified as the ultimate tool by which people can shape their private lives, very little is left over for social critique.“
Die Positionierung der eigenen Person wird verschoben, sowohl örtlich auf ein anderes Spielfeld als auch zeitlich, indem eine verbindliche Entscheidung auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft vertagt wird. „Facebook is the mother of procrastination“ lautet ein Statement zum Modethema Aufschiebementalität. Obwohl das Zitat selbst eher auf eine reale Ablenkung durch die Verwendung von sozialen Plattformen abzielt, passt es zu einer Struktur, welche teilweise Aktivität und Teilhabe bewusst simuliert und die eigene Positionierung in der Schwebe hält. Die Wahl wird vom Machtinstrument zur Last, der mit einem „vielleicht“ ausgewichen werden kann. Im Kreislauf der ständigen Wahlpflicht stellt die Verbindlichkeit eine Hürde dar, die mit der Generierung einer dritten Option umgangen wird.
Die Gruppenausstellung soll dem Problem der bewussten Auflösung von Positionierung und der damit einhergehenden Aufschiebung von Aktionismus nachgehen. Es werden verschiedene Ansätze zu diesem Thema zusammengebracht. Die Videoinstallation "Home Time Show Time" von Rebecca Ann Tess widmet sich dem Phänomen der Wahl im Kontext von Reality-TV-Formaten und erzeugt ein verwirrendes Vexierspiel mit der Austauschbarkeit von Realitäten. Anetta Mona Chisa & Lucia Tkacova ersetzen in "Before or After" die prägnanten Slogans der Frauenprotestbewegung durch Zweifel und eine schwankende Haltung. Oliver Husains filmische Arbeit zelebriert in der Camp-Ästhetik von 80er Jahre-Werbefilmen die Formel der "leidenschaftlichen Unschlüssigkeit". Iman Rezai & Rouven Materne stellen eine über 3 m hohe Guillotine aus und zeigen die mediale Dynamik eines von ihnen inszenierten internetbasierten Abstimmungsprozesses über Leben und Tod eines Schafs.
Über eine Crowdfunding-Aktion auf der Plattform Startnext soll darüber hinaus von der Masse das Geld für eine Eröffnungsperformance der New Yorker Künstlerin Jennifer Grimyser gesammelt werden (http://www.startnext.de/change-is-now)
Pflicht, Freiheit, Zwang
22.02 - 25.05.2013
Die post-industrielle Gesellschaft hat die Selbstverwirklichung und -optimierung zu ihren wichtigsten Werten erklärt. Die Möglichkeiten, die als Instrumente zur Erreichung dieses Ziels zur Verfügung stehen erscheinen fast unbegrenzt und erfordern ein ständiges Auswählen. Die Wahlmöglichkeit, an sich ein Basiselement von Demo-kratie, kann sich durch diese Überbeanspruchung in das Gegenteil verkehren, wenn wir gezwungen sind ständig individuelle Entscheidungen zu treffen. Das Internet, das eine ständige Meinungsabfrage durch soziale Plattformen anbietet, forciert diese Tendenz noch zusätzlich. Im geschützten virtuellen Raum findet eine ständige Aufforderung zur Äußerung und damit auch ein steter Abgleich zwischen der eigenen Person und dem Kollektiv statt (was machst du gerade; 3.000 Personen gefällt das; Personen, die XY kauften, kauften auch das). Allerdings verbleiben die meisten dieser Äußerungen auf einer sehr individuellen, emotionalen Ebene, aus der keine gesellschaftliche Verantwortlichkeit entsteht. Die Philosophin und Soziologin Renata Salecl verweist in „The Tyranny of Choice“ (2010) auf die Paradoxie der ständigen Wahlmöglichkeiten einerseits und der daraus resultierenden anti-demokratischen Tendenz anderseits: „Choice is a powerful mechanism in people’s hands. It is the basis, after all, of any political engagement and of the political process as a whole. However, when choice is glorified as the ultimate tool by which people can shape their private lives, very little is left over for social critique.“
Die Positionierung der eigenen Person wird verschoben, sowohl örtlich auf ein anderes Spielfeld als auch zeitlich, indem eine verbindliche Entscheidung auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft vertagt wird. „Facebook is the mother of procrastination“ lautet ein Statement zum Modethema Aufschiebementalität. Obwohl das Zitat selbst eher auf eine reale Ablenkung durch die Verwendung von sozialen Plattformen abzielt, passt es zu einer Struktur, welche teilweise Aktivität und Teilhabe bewusst simuliert und die eigene Positionierung in der Schwebe hält. Die Wahl wird vom Machtinstrument zur Last, der mit einem „vielleicht“ ausgewichen werden kann. Im Kreislauf der ständigen Wahlpflicht stellt die Verbindlichkeit eine Hürde dar, die mit der Generierung einer dritten Option umgangen wird.
Die Gruppenausstellung soll dem Problem der bewussten Auflösung von Positionierung und der damit einhergehenden Aufschiebung von Aktionismus nachgehen. Es werden verschiedene Ansätze zu diesem Thema zusammengebracht. Die Videoinstallation "Home Time Show Time" von Rebecca Ann Tess widmet sich dem Phänomen der Wahl im Kontext von Reality-TV-Formaten und erzeugt ein verwirrendes Vexierspiel mit der Austauschbarkeit von Realitäten. Anetta Mona Chisa & Lucia Tkacova ersetzen in "Before or After" die prägnanten Slogans der Frauenprotestbewegung durch Zweifel und eine schwankende Haltung. Oliver Husains filmische Arbeit zelebriert in der Camp-Ästhetik von 80er Jahre-Werbefilmen die Formel der "leidenschaftlichen Unschlüssigkeit". Iman Rezai & Rouven Materne stellen eine über 3 m hohe Guillotine aus und zeigen die mediale Dynamik eines von ihnen inszenierten internetbasierten Abstimmungsprozesses über Leben und Tod eines Schafs.
Über eine Crowdfunding-Aktion auf der Plattform Startnext soll darüber hinaus von der Masse das Geld für eine Eröffnungsperformance der New Yorker Künstlerin Jennifer Grimyser gesammelt werden (http://www.startnext.de/change-is-now)