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Herbert Volkmann | Gebt den wilden Männern Frieden

11 May - 08 Jun 2007

„Still ist der Grund meines Meeres: wer erriehte wohl, dass er scherzhafte Ungeheuer birgt!
Unerschütterlich ist meine Tiefe: aber sie glänzt von schwimmenden Räthseln und Gelächter.“
Friedrich Nietzsche

Ein Text von Micky Schubert

Die Bilder von Herbert Volkmann haben eine eigenartige Wirkung, aber es fällt nicht leicht, sie zu beschreiben. Sie weisen eine Fülle an Material auf, enthüllen sich aber erst allmählich. Zuerst mag manch einer abgeschreckt sein, weil sich Wunden zeigen; sie können aber bei genauer Betrachtung als biologische Mutationen gelesen werden. Und hat der Betrachter erst den Mut gefaßt, sich wirklich auf ein Bild einzulassen, eröffnen sich ihm unerwartete virtuelle Räume. Er wandert mit seinem Blick umher, um immer wieder etwas Neues, Anderes zu entdecken und das sich nicht selten nochmals transformiert. Bei diesen Wanderungen können wir dem Künstler selbst begegnen: meist getarnt und nicht auf den ersten Blick zu identifizieren. Hier wiederholt sich das Moment der Selbstinszenierung, das in den frühen Performances ihren Anfang nahm. Der Künstler baut eine Intimität auf, die dem Betrachter erlaubt, an dessen persönlichen Erfahrungen teilzuhaben. Dabei ist es unerheblich, ob das Gemalte tatsächlich passiert ist, auf einer speziellen Wahrnehmung basiert oder erst im Schaffensprozess entstanden ist.

Es geht eine seltsame Versuchung, ein Sog von diesen merkwürdigen Bildwelten aus. Einerseits fühlt man sich von den irgendwie menschlichen Fabelwesen abgestossen, andererseits schafft man es nicht, sich ihnen zu entziehen. Das mag zum Teil auch an der Bildkomposition liegen, die immer auch den Betrachter mit einbezieht. Die Figuren treten in Kommunikation mit dem Zuschauer; zum einen durch Blickkontakt mit den Akteuren der Bilder oder weil Repoussoirfiguren in die Arbeiten hineinführen.

Wir können die Bilder vielleicht als Tore zu Zwischenwelten sehen, die räumliche und zeitliche Horizonte öffnen. Die Räumlichkeit wird durch die angewendete Perspektive erreicht. Da die Bilder Schicht um Schicht entstehen, gewinnt die Oberfläche an Tiefe, in die der Blick eintreten kann. Dieser auf der Leinwand geschaffene Ort ist wichtig, um dem Emotionalen Raum zu geben - einerseits den gemalten Gefühlen, anderseits den evozierten Sinneseindrücken. Eine Zeitlichkeit wird hier entworfen, die ihren Ausgang in der Gegenwart findet, eine Gegenwart, die vielfach durchzogen ist, z.B. von Diskussionen über Genforschung, und die ihre Lösungsmöglichkeiten wohl auch in der Biotechnologie sucht.

Welche Art von Wesen können durch Kreuzungen entstehen? Die griechische antike Welt gebar Minotaurus, Poseidon, den Satyr und viele andere. Bosch erfand seine Fabelwesen, zusammengesetzt aus Mensch und Tier. Ein Thema, das so alt ist wie die Götterwelt, und wir, die wir im Jetzt leben, hoffen jeden Tag vielleicht, das Unmögliche doch noch zu erleben. Forscher versuchen durch Genmanipulation Neues entstehen zu lassen und suchen auf dem Grund des Meeres Lebensmöglichkeiten für die Menschheit. Die Tiefe des Meeres birgt für uns genauso viele Geheimnisse und Mysterien wie das Himmlische. Neugierde gepaart mit Schrecken zieht uns wie magnetisch zu Herbert Volkmanns Bildern hin. Er malt Utopien, die zukünftige Welten beschreiben, sich aber aus der Vergangenheit und Gegenwart speisen oder wie Merleau-Ponty formuliert: „nicht hinter dem Beobachter bereitet sich die Zukunft vor, sie braut sich vor ihm zusammen, wie ein Gewitter am Horizont“.


Bibliografie:
Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. Philipp Reclam jun. GmbH & Co, Stuttgart, 1994.
Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung. Walter de Gruyter & Co, Berlin, 1966.

 

Tags: Friedrich Nietzsche