Red Stripe Gallery | Kerstin Schiefner | Gemeinschaftsbad
08 - 27 Sep 2006
Gemeinschaftsbad
Als Kerstin Schiefner gefragt wurde, in der Red Stripe Gallery am Brühl auszustellen, hatte sie noch keine klare Vorstellung von ihrem Vorhaben. Zunächst bezog sie vor Ort Quartier, richtete sich im Hinterzimmer der Galerie Schlafzimmer und Büro ein. Eine Tür führte in den Innenhof zwischen zwei Wohnscheiben, die seit geraumer Zeit leer stehen. Schiefner bemerkte kurze Zeit später, dass sie ungehindert den mittleren der Wohnblöcke betreten konnte, und dass viele Türen auf den Etagen unverschlossen waren. Sie begann das Gebäude systematisch zu erforschen.
Zunächst stieß sie auf das Gemeinschaftsbad, das sich auf jeder Etage befand. Es bot den MieterInnen von einst das Erlebnis eines Wannenbades, das in den kleinen Badezimmern mit Dusche und WC nicht möglich war. Unter dem Titel „Gemeinschaftsbad“ sammelte Schiefner ab diesem Zeitpunkt Gegenstände aus dem Wohnblock, die seine MieterInnen zurückgelassen hatten: Wannenstöpsel, Duschhähne, Lichtschalter, Lampen, Badezimmer-schränke, Toilettendeckel, Fußmatten, Duschvorhänge, Türen, Stühle. Diese Reste einer vergangenen Ära sind nun, aus ihrem ursprünglichen Verwendungszusammenhang genommen und neu geordnet, in den Ausstellungsräumen zu sehen. Dabei geht es Schiefner nicht etwa um eine vordergründige Ästhetisierung von Gebrauchsgegenständen, diese fungieren vielmehr als Erinnerungsspeicher. Sie erzählen vom kleinen häuslichen Glück, von der Sehnsucht nach Idylle und Individualität in einem normierten Leben. Sie lassen aber auch – und dies wird vor allem im Titel deutlich – die Utopie von Gemeinschaft aufleuchten.
Schiefner selbst schreibt sich in ihre Arbeit sichtbar ein: In der Rolle einer Reinigungsfrau konnte sie nicht nur unbehelligt das Wohnhaus betreten, sie reanimierte eine Figur, die im jetzigen Zustand der Brühl-Gebäude sinnlos scheint: Sie hat ihre Funktion verloren - genauso wie die Gebäude selbst, die - lange bevor sie abgerissen werden - weitgehend dem Blick der Öffentlichkeit entzogen sind. Schiefner räumt das Gebäude konsequent auf, im Prinzip müsste man sagen: aus. Ihr Selbstporträt ist in der Ausstellung auf den ersten Blick schwer zu finden, es klebt auf der Rückseite einer (aus- und wieder eingebauten) Tür aus oben genanntem Wohnblock. Die Künstlerin bezieht sich mit dieser Geste des Beklebens auf eine übliche Praxis, Türen durch das Aufkaschieren von Fotomotiven aufzuwerten. Diese wurden vor allem in der sich abschottenden DDR zu einem Sinnbild für die Sehnsucht nach einem anderen Leben: Glanz und Glamour, die große weite Welt hielten Einzug in Leipziger Zweizimmerwohnungen. Schiefners Motiv bildet dabei die Antithese zum Pin-up Girl. Indem sie sich mimetisch in den Material-Fundus einschreibt, wird sie zum Teil dieser Sammlung, der damit verbundenen Erinnerungen und gegenwärtigen Projektionen. Ihre Lebensgeschichte und jene der ehemaligen BewohnerInnen überlappen sich.
Die archäologisch anmutende Spurensuche setzt Kerstin Schiefner in ihrem kleinen Katalog fort, in dem Bilder von Wandanstrichen, Plakaten, Fliesen, Tapeten auftauchen. Grundlage sind von der Künstlerin fotografierte Details in den verlassenen Räumen.
Barbara Steiner
www.redstripegallery.com
Am Brühl 7 | 04109 Leipzig
Als Kerstin Schiefner gefragt wurde, in der Red Stripe Gallery am Brühl auszustellen, hatte sie noch keine klare Vorstellung von ihrem Vorhaben. Zunächst bezog sie vor Ort Quartier, richtete sich im Hinterzimmer der Galerie Schlafzimmer und Büro ein. Eine Tür führte in den Innenhof zwischen zwei Wohnscheiben, die seit geraumer Zeit leer stehen. Schiefner bemerkte kurze Zeit später, dass sie ungehindert den mittleren der Wohnblöcke betreten konnte, und dass viele Türen auf den Etagen unverschlossen waren. Sie begann das Gebäude systematisch zu erforschen.
Zunächst stieß sie auf das Gemeinschaftsbad, das sich auf jeder Etage befand. Es bot den MieterInnen von einst das Erlebnis eines Wannenbades, das in den kleinen Badezimmern mit Dusche und WC nicht möglich war. Unter dem Titel „Gemeinschaftsbad“ sammelte Schiefner ab diesem Zeitpunkt Gegenstände aus dem Wohnblock, die seine MieterInnen zurückgelassen hatten: Wannenstöpsel, Duschhähne, Lichtschalter, Lampen, Badezimmer-schränke, Toilettendeckel, Fußmatten, Duschvorhänge, Türen, Stühle. Diese Reste einer vergangenen Ära sind nun, aus ihrem ursprünglichen Verwendungszusammenhang genommen und neu geordnet, in den Ausstellungsräumen zu sehen. Dabei geht es Schiefner nicht etwa um eine vordergründige Ästhetisierung von Gebrauchsgegenständen, diese fungieren vielmehr als Erinnerungsspeicher. Sie erzählen vom kleinen häuslichen Glück, von der Sehnsucht nach Idylle und Individualität in einem normierten Leben. Sie lassen aber auch – und dies wird vor allem im Titel deutlich – die Utopie von Gemeinschaft aufleuchten.
Schiefner selbst schreibt sich in ihre Arbeit sichtbar ein: In der Rolle einer Reinigungsfrau konnte sie nicht nur unbehelligt das Wohnhaus betreten, sie reanimierte eine Figur, die im jetzigen Zustand der Brühl-Gebäude sinnlos scheint: Sie hat ihre Funktion verloren - genauso wie die Gebäude selbst, die - lange bevor sie abgerissen werden - weitgehend dem Blick der Öffentlichkeit entzogen sind. Schiefner räumt das Gebäude konsequent auf, im Prinzip müsste man sagen: aus. Ihr Selbstporträt ist in der Ausstellung auf den ersten Blick schwer zu finden, es klebt auf der Rückseite einer (aus- und wieder eingebauten) Tür aus oben genanntem Wohnblock. Die Künstlerin bezieht sich mit dieser Geste des Beklebens auf eine übliche Praxis, Türen durch das Aufkaschieren von Fotomotiven aufzuwerten. Diese wurden vor allem in der sich abschottenden DDR zu einem Sinnbild für die Sehnsucht nach einem anderen Leben: Glanz und Glamour, die große weite Welt hielten Einzug in Leipziger Zweizimmerwohnungen. Schiefners Motiv bildet dabei die Antithese zum Pin-up Girl. Indem sie sich mimetisch in den Material-Fundus einschreibt, wird sie zum Teil dieser Sammlung, der damit verbundenen Erinnerungen und gegenwärtigen Projektionen. Ihre Lebensgeschichte und jene der ehemaligen BewohnerInnen überlappen sich.
Die archäologisch anmutende Spurensuche setzt Kerstin Schiefner in ihrem kleinen Katalog fort, in dem Bilder von Wandanstrichen, Plakaten, Fliesen, Tapeten auftauchen. Grundlage sind von der Künstlerin fotografierte Details in den verlassenen Räumen.
Barbara Steiner
www.redstripegallery.com
Am Brühl 7 | 04109 Leipzig